Rafik Schami jongliert wieder
Marnheim (dpa) - In seinem neuen Erzählband «Mein Sternzeichen ist
der Regenbogen» präsentiert sich Autor Rafik Schami auf dem Höhepunkt
seiner Erzählkunst. Der gerade 75 Jahre alt gewordene Schriftsteller
jongliert in seinem Werk wieder mit absurden Begebenheiten, bitteren
Schilderungen, bester Unterhaltung - und viel treffendem Sprachwitz.
«Die deutsche Sprache ist so poetisch wie die französische, arabische
oder italienische Sprache», sagt Schami selbst dazu. «Ich habe nie
einen Mangel an Farbigkeit bei ihr empfunden - auf Arabisch klingen
meine Geschichten nicht poetischer.»
Der in Damaskus (Syrien) geborene Autor unterteilt das Buch in Themen
wie «Geheimnis» und «Sehnsucht» und brennt in jedem der sechs Kapitel
ein Feuerwerk an skurrilen Situationen ab. Schami erzählt etwa, wie
Frauen sich verschwörerisch in einer Pizzeria an ihrem ehemaligen
Liebhaber rächen oder wie eine Feier nach ehrlich gehaltenen
Festreden eskaliert. Er schildert auch, warum man mit einem Lachen
gut Gedanken schmuggeln kann, und warum der Vatikan den Himmel für
Heilige aus Europa reserviert hat.
«Es sind Geschichten, die oft in Deutschland spielen, deren Helden
aber aus aller Welt stammen», sagt Schami, der 1971 nach Deutschland
kam und 1979 in Heidelberg in Chemie promovierte. Heute lebt er in
einem kleinen Ort in Rheinland-Pfalz. Rafik Schami ist ein Pseudonym
und bedeutet «Damaszener Freund». Sein wirklicher Name lautet Suheil
Fadél. Längst gilt er als wichtiger Erzähler deutscher Sprache und
brillanter Beobachter der Lebenswirklichkeit um ihn herum. Um sein
Deutsch zu verbessern, schrieb Schami einst Thomas Manns
Monumentalwerk «Buddenbrooks» mit der Hand ab.
In «Mein Sternzeichen ist der Regenbogen» entwickelt er seine
Geschichten auch immer wieder aus gescheiterten Beziehungen heraus.
Ein mittelloser Mann wird im Urlaub von seiner untreuen Frau
verlassen und muss sein Geld plötzlich als Strandverkäufer verdienen.
Oder: Vor einer langen Kreuzfahrt muss sich der Ehemann seiner Frau
zuliebe einer pikanten Operation unterziehen. Doch keine Sorge - der
Humor kommt nicht zu kurz. Denn Schami erzählt etwa auch, wie ein
Witz einen Diktator stürzt und von einem ziemlich anrüchigen
Wettbewerb um eine Auszeichnung namens «Goldener Pujol».
In einer der vielleicht schönsten Geschichten begibt sich Herr Moritz
nach dem Tod seiner Frau auf Weltreise, ohne aber Deutschland zu
verlassen. Hier wird Schami wie an manch anderen Stellen des Buches
durchaus politisch - ohne jedoch belehrend den Zeigefinger zu heben.
Er habe stets eine kritische innere Distanz zu allen Figuren einer
Geschichte, sagt Schami der Deutschen Presse-Agentur zu seinem neuen
Buch. Diese Distanz sei die Voraussetzung für gutes Erzählen. «Es ist
ein häufiger Fehler mancher Autorinnen und Autoren, dass sie sich in
eine Figur verlieben und sie zu einer Heiligen erhöhen und deren
Gegner wie Verbrecher behandeln.» Ein Erzähler sei aber kein Richter.
«Er muss Leserinnen und Lesern das Urteil überlassen - und auch dumme
oder unangenehme Personen so sachlich wie nur möglich beschreiben.»
Die Pandemie erwischte Schami im vergangenen Jahr mitten in einer
Tournee. Vorerst werde es keine weitere Lesereise geben, sagt er.
«Ich bin angesichts der steigenden Zahlen misstrauisch, ob uns Corona
im Herbst oder Winter verlässt.» Seit 40 Jahren halte er Lesungen.
«Nun zwingt mich die Vernunft, daheim zu bleiben - zu meinem Ärger,
muss ich sagen. Weil ich doch so gerne Menschen mündlich erzähle.»