Europa auf der Suche nach neuer Sahel-Strategie

Die letzten Bundeswehr-Soldaten aus Mali sind in Deutschland angekommen.
Die letzten Bundeswehr-Soldaten aus Mali sind in Deutschland angekommen. (Foto: Lisi Niesner/REUTERS)

Im Sahel wenden sich Länder wie Mali, Burkina Faso und der Niger zunehmende von Europa ab. Fachleute fordern eine neue Strategie für das Engagement in der Region - mit weniger Fokus auf Militär und Grenzschutz. Von Birte Mensing (epd)

Nairobi/Dakar. Es läuft nicht gut für Europa im Sahel. Zwar hat die EU in den vergangenen Jahren in die militärische Sicherheit und den Grenzschutz in die Länder der Region investiert. Doch seitdem sich in Mali, Burkina Faso und dem Niger Militärs an die Macht geputscht haben, wenden sie sich immer mehr vom Westen ab. Fachleute halten die bisherige Strategie für gescheitert - und auch aus der Europäischen Union selbst ist Kritik zu vernehmen.

Eine Abkehr von bisherigen Ansätzen fordert etwa die Migrationsexpertin Fatou Faye. «Die europäische Strategie muss sich dringend ändern», sagte die senegalesische Juristin, die für die Linken-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung in Dakar arbeitet.

Von 2016 bis 2023 lief das Programm «Schnelle Einsatzgruppen - Überwachung und Intervention in der Sahelzone» in Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger, Senegal und Tschad, mit dem offiziellen Ziel, die Sicherheit der Bevölkerung zu verbessern. Konkret ging es auch um den Schutz der Grenzen. So sollten etwa die Sicherheitskräfte in die Lage versetzt werden, «eine effektivere Kontrolle des Territoriums und der Grenzen der Zielländer zu gewährleisten». Die Truppen wurden zum Beispiel mit Geräten ausgestattet, die Handydaten auslesen können, und in der Grenzsicherung geschult.

Die Juristin Faye spricht von dem Versuch einer neokolonialen Durchsetzung europäischer Ideen, weil es vor allem um die Abwehr von Migration gegangen sei. Der arabische Sender Al-Dschasira berichtete im Februar, dass Truppen, die unter dem Programm ausgebildet wurden, im Senegal eingesetzt wurden, um Demonstrationen niederzuschlagen.

Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell äußerte sich zuletzt kritisch. In einer Rede vor dem Europäischen Parlament sagte er im September, dass die EU von 2013 bis 2023 insgesamt 600 Millionen Euro in zivile und militärische Missionen in den Sahel-Staaten investiert habe. 30.000 zivile Sicherheitskräfte sowie 18.000 Militärs seien von der EU weitergebildet worden. Das habe nicht geholfen, Sicherheitskräfte zum Schutz der demokratischen Regierung zu konsolidieren, sondern bewaffnete Kräfte, «die sie stürzen», räumte er ein.

Die aktuelle EU-Sahel-Strategie ist von 2021 - also noch vor den Putschen in Burkina Faso und dem Niger. In einer Anhörung des EU-Parlaments im Januar wurde sie von Fachleuten als «extrem veraltet» bezeichnet. Der französische Politikwissenschaftler Elie Tennebaum sagte, die Strategie habe wenig mit der aktuellen Realität in den Sahel-Ländern zu tun.

Ein Beispiel für das Scheitern des europäischen Ansatzes zeigt sich im Niger, der für Migranten und Flüchtlinge ein wichtiger Transitstaat auf dem Weg Richtung Europa ist. Im November hoben die neuen Machthaber dort ein Gesetz auf, das auf Drängen der EU erlassen worden war und jeglichen Transport von Migranten Richtung Norden untersagte.

In der Stadt Agadez, einem wichtigen Drehkreuz für Migranten, starten laut dem Afrika-Experten Ulf Laessing nun wieder Konvois in Richtung Libyen - mit militärischem Geleitschutz. Etwa 90 Pick-ups mit jeweils 30 Migranten machten sich pro Woche auf den Weg, sagt der Leiter des Sahel-Programms der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung.

Die Situation im Niger stehe für den gescheiterten Versuch der EU, sich in der Sahelregion einzumischen. Vor Ort sei das Gesetz der unpopulär gewesen.

Der Ansatz, Sicherheitskräfte auszubilden, damit diese gegen in der Region aktive islamistische Gruppen vorgehen können, ist laut Laessing verständlich und zum Teil auch notwendig, um EU-finanzierte Entwicklungszusammenarbeit umzusetzen. Aber: «An die Militärprogramme hatte die EU vielleicht zu viele und zu hohe Erwartungen.»

Dass die EU die militärischen Ausbildungsprogramme für Mali eingestellt hat, dem Tschad, wo ebenfalls eine Militärjunta an der Macht ist, aber weitere Ausrüstungshilfe zusagt, findet Laessing inkonsequent. «Der EU fehlt eine gerade Linie, Konsistenz wäre hilfreich.»

Eine Neuausrichtung der Sahel-Strategie empfiehlt auch die «Crisis Group». Statt in das Militär zu investieren, sollten die Länder stärker beim Aufbau des Gesundheits- und Bildungswesen unterstützt werden, heißt es in einer Stellungnahme der Denkfabrik. Die Juristin Faye wünscht sich Unterstützung derer, die wirklich etwas bewegen: Frauen etwa, die ökologische Landwirtschaft betreiben. (epd)