Wenn Ehe krank macht
"Wir hatten alles vorbereitet für ihre Hochzeit. Im letzten Moment jedoch verweigerte der Bräutigam die Ehe. Meine Tochter wurde sehr still und ruhig. Sie wollte nicht essen, nicht trinken, nicht sprechen. Ich fragte, was ist mit dir, aber sie sagte nur, sie sei ok."
Naseem Akhter, die von ihrem Mann verlassen wurde, hatte jahrelang auf die Ehe ihrer Tochter mit einem entfernten Verwandten, einem Cousin zweiten Grades, hingearbeitet. Doch statt im Hafen der Ehe, landete die Tochter in der Psychiatrie. Jabeen war 17 Jahre alt, als ihre Eheverhandlungen plötzlich scheiterten, sie depressiv wurde und versuchte sich das Leben zu nehmen.
Die Zahl seelischer Störungen aufgrund gescheiterter Ehearrangements in Pakistan, wie das von Jabeen, steigt jedoch ständig an. Experten schätzen, dass in Karachi jede fünfte Familie einen solchen Fall zu betreuen hat. In jeder dritten Familie werden Psychopharmaka wie trizyklische Anti-Depressiva oder Tranquilizer konsumiert. Psychotherapeuten gibt es jedoch nur wenige, und Patientinnen werden deshalb meist nur ruhig gestellt.
Gesellschaftliche Ächtung
Dr. Khalid Said ist Psychiater im General Hospital in Rawalpindi. Immer wieder kommen psychisch kranke Frauen nach gescheiterten Eheverhandlungen zu ihm, doch für die meisten gibt es keine professionelle Hilfe.
Dr. Khalid Said kritisiert, dass es viel zu wenige Psychiater in Pakistan gibt, die den betroffenen Frauen professionelle Hilfe bieten könnten, und dass diese Frauen, aufgrund ihrer Situation, zusätzlich von der Gesellschaft, einschließlich vieler Ärzte, bewusst isoliert und stigmatisiert werden. Dies war auch ausschlaggebend für Dr. Said, diesen Beruf zu ergreifen und sich dem Schicksal dieser Frauen zu widmen.
Missachtet zunächst von der Familie des geplanten Ehemannes, dann stigmatisiert von einer Gesellschaft, für die die Ehe eine der wichtigsten religiösen und gesellschaftlichen Pflichten darstellt. Die Folge für junge Frauen ist häufig eine schwere psychische Erkrankung, die oft im Selbstmord endet.
Jabeen ist bei Dr. Khalid Said in guten Händen. Einmal pro Woche bekommt sie ihre Medikamente und, was noch wichtiger ist, einen Gesprächspartner. So wird sie aus jedem depressiven Tief wieder herausgeholt.
Sie kann im Haushalt ihrer Mutter kleinere Arbeiten verrichten und lebt, zumindest in den Augen der Gesellschaft, ein normales Leben. Jabeen hat Glück, dass ihre Mutter die Kosten der Therapie bezahlen kann. Trotzdem leidet sie unter der damit verbundenen finanziellen Last.
Jabeens Mutter Naseem indes wünscht sich nur eins: "Ich bete und bitte Allah, dass er meine Tochter gesund macht."
Günther Keiffenheim
© DEUTSCHE WELLE 2006
Qantara.de
Frauen in Jordanien und Pakistan
Ermordet im Namen der Ehre
Nach einer Studie der UN-Weltbevölkerungsorganisation (2000) werden jährlich ca. 5000 Mädchen und Frauen in mindestens 14 Ländern im Namen der Ehre ermordet. Katrin Schneider über die Situation in Jordanien und Pakistan
Wandel in Pakistans Wirtschaftsmetropole
Flucht unter den Schleier
In Karatschi verhüllen sich immer mehr Frauen aus der Oberschicht. Sie folgen einer islamischen Predigerin, die einen rückwärts gewandten Islam vertritt. Ihre Stiftung Al-Huda ist auch in Großbritannien und den USA vertreten. Von Manuela Kessler
Frauenrechte in Pakistan
Kampf zweier mutiger Schwestern
Die beiden Schwestern Asma Jahangir und Hina Jilani setzen sich seit 25 Jahren für die Einhaltung von Menschenrechten, insbesondere der Rechte der Frauen, in Pakistan ein. Ihre Anwaltskanzlei in Lahore ist heute eine der bekanntesten im Land. Bernard Imhasly informiert.