Persönliche Begegnungen bauen Brücken

Seit mehreren Jahren betreibt der DAAD ein Dialogprogramm mit der islamischen Welt. Sommerschulen, Austauschseminare und kulturelle Veranstaltungen verfolgen das Ziel, zwischen der europäischen und der islamischen Kultur zu vermitteln.

Seit mehreren Jahren betreibt der DAAD ein Dialogprogramm mit der islamischen Welt. Jährlich stattfindende Sommerschulen, Austauschseminare und kulturelle Veranstaltungen verfolgen das Ziel, zwischen der europäischen und der islamischen Kultur zu vermitteln und kulturelle Vorurteile abzubauen.

Studenten in einer deutschen Universität, Foto: AP
Studenten in einer deutschen Universität

​​Auf dem Gebiet des akademischen Wissenstransfers hat der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) seit jeher eine Führungsrolle in der Förderung junger Nachwuchswissenschaftler übernommen. Auch in Bezug auf die islamische Welt unterhält der DAAD ein umfangreiches Austauschprogramm.

Im Jahr 2003 beispielsweise kamen aus 19 islamisch geprägten Ländern wie Ägypten, Algerien, Irak, Iran, den Palästinensischen Gebieten, Libyen, Tunesien, Syrien und Saudi-Arabien über 1400 Stipendiaten nach Deutschland. Die Kontakte zu diesen Ländern bestehen teilweise bereits seit den fünfziger Jahren.

Mit der Austauschtätigkeit des DAAD waren immer auch übergreifende, interkulturelle Ziele wie Völkerverständigung und langfristige Konfliktvermeidung verbunden. Im Zusammenhang mit den Ereignissen des 11. September 2001 entwickelte der DAAD jedoch ein Programm, dass sich noch ausdrücklicher dem Dialog zwischen den Kulturen, insbesondere zwischen der westlichen und der islamischen Kultur, widmet.

Euro-islamischer Dialog

In der Auseinandersetzung mit den Terroranschlägen in den USA entstand ein Sonderprogramm des DAAD mit der Überschrift: „Euro-islamischer Kultur-Dialog“. Seit Ende 2001 entwickelt und realisiert der DAAD dieses Dialog-Programm, das akademischen Austausch mit intensivem kulturellen Austausch verbindet.

Unterstützt vom Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit finden jedes Jahr Austauschseminare, Sommerschulen, sowie kulturelle Veranstaltungen statt, deren Inhalte und Programmstrukturen eine dialogspezifische Ausrichtung besitzen.

Ägypten zählt unter den islamisch geprägten DAAD-Austauschländern zu denjenigen, die die meisten Stipendiaten nach Deutschland entsenden. 2003 waren es über zweihundert ägyptische Studierende und Graduierte, die mit einem DAAD-Stipendium nach Deutschland kamen.

Dies mag zum einen einfach aus der Größe des Landes resultieren: Ägypten besitzt unter den Austauschländern annähernd die größte Einwohnerzahl. Zum anderen jedoch stellt Ägypten ein Land dar, das im Vergleich zu einigen anderen arabisch-islamischen Ländern im hervorgehobenen Maß an einem Dialog mit dem Westen interessiert zu sein scheint.

Doch in letzter Zeit sei auch bei anderen Ländern eine deutliche Öffnung im Hinblick auf den Austausch mit dem Westen, bzw. mit Deutschland, zu bemerken, berichtet die DAAD-Beauftragte des euro-islamischen Dialogprogramms, Frau Heide Albertin. Unter anderem trifft dies auf den Iran zu, wie wachsende Stipendiatenzahlen von dort belegen.

Deutsch-ägyptische Begegnungen

In Bezug auf den deutsch-ägyptischen Austausch innerhalb des DAAD-Dialog-Programms hat im letzten Jahr eine Sommerschule zum Thema Globalisierung stattgefunden. Jeweils zehn Studenten von der Universität Kairo und der Freien Universität Berlin (FU) hatten die Gelegenheit, über einen Zeitraum von drei Monaten hinweg das Thema „Zwischen Globalisierung und Fragmentierung: politische und kulturelle Entwicklungen in Europa und der arabischen Welt“ intensiv zu behandeln.

Ziel der Veranstaltung war es, sowohl auf wissenschaftlicher als auch auf persönlicher Ebene den kulturellen Austausch zu fördern. Nach einer getrennten Vorbereitungsphase, innerhalb derer die beiden Studentengruppen per Internet und E-Mail gemeinsame Referate entwickelten, besuchte man sich gegenseitig eine Woche lang, zuerst in Kairo und dann in Berlin. Zum Rahmenprogramm der Sommerschule in beiden Städten zählten Besuche bei Nicht-Regierungsorganisationen oder Stiftungen.

Das Thema Globalisierung bot sich hier gleich in mehrfacher Hinsicht als Dialog-Thema an. Zum einen berührt es die Frage nach der kulturellen Autonomie eines Landes oder einer bestimmten Gemeinschaft im Prozess der fortschreitenden Globalisierung. Zum anderen wirft es die Frage nach der Beschaffenheit einer globalen Wirtschaftsform auf.

Damit standen zwei zentrale Themen des interkulturellen Diskurses überhaupt – die Frage nach der kulturellen Identität und die nach der Gestaltung weltwirtschaftlicher Prozesse – im Zentrum des Seminars. Die jeweils von einem deutsch-arabischen Zweierteam erarbeiteten Referate bildeten die Basis, von der aus man anschließend in Diskussionen verschiedene Punkte weiter vertiefte.

Einblicke in den kulturellen Lebensraum des Anderen

Isabel Schäfer vom Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften der FU-Berlin machte als Seminarleiterin der diesjährigen deutsch-ägyptischen Sommerschule eine interessante Beobachtung: Ihrer Einschätzung nach legten die ägyptischen Studenten deutlich mehr Wert auf den Aspekt der Kultur und Identität, während die deutschen Studenten den wirtschaftlichen Aspekt innerhalb der Globalisierungsprozesse hervorhoben.

Auch im Umgang der Studenten untereinander konnte sie bemerken, dass der Rückgriff auf kulturell und religiös begründete Werte und Verhaltensmaßstäbe in der ägyptischen Gruppe überwogen. Dies führt Schäfer unter anderem auf den stärker traditionell orientierten Hintergrund der ägyptischen Kultur zurück.

Beide Studentengruppen wurden in Gastfamilien bzw. Gast-Wohngemeinschaften untergebracht. Diese Art der Unterbringung hatte gegenüber einer Unterbringung im Hotel den Vorteil, dass der inhaltlich-wissenschaftliche Dialog auf der Ebene der Alltagskultur und der persönlichen Begegnung fortgesetzt und vertieft werden konnte.

Die Studenten erhielten einen direkten Einblick in den kulturellen Lebensraum und in das Lebensgefüge der jeweiligen Gastgeber. Und beide Seiten sahen sich veranlasst, bestimmte Vorurteile – beispielsweise über das Tragen einer Kopftuchbedeckung in Ägypten oder die angeblich kühle Mentalität der Deutschen – zu revidieren.

Abbau von Vorurteilen

“Die Kopftuchdebatte wird dort mindestens so heftig geführt wie bei uns“, wusste eine der Berliner Studentinnen zu berichten, nachdem sie in Kairo erlebt hatte, dass das Tragen eines Kopftuchs in dieser Stadt keineswegs eine unreflektierte Selbstverständlichkeit darstellt.

Ein ägyptischer Student wiederum erlebte eine positive Überraschung, als er bei den Deutschen, mit denen er zusammen kam, weitaus mehr Gastfreundschaft antraf, als er es ihnen vorher zugetraut hatte.

Die deutsch-ägyptische Sommerschule, die nur eine DAAD-Dialog-Veranstaltung von vielen ist, kann mit gutem Grund ein erfolgreiches Projekt genannt werden. Mehrere Studenten, sowohl auf deutscher als auch auf ägyptischer Seite, haben sich für ein Auslandsemester oder ein Auslandspraktikum entschieden.

Und es sind genau diese persönlichen Entscheidungen, die schließlich zwischen den Kulturen Brücken entstehen lassen und so ein umfassendes Verständnis der jeweils anderen Kultur ermöglichen.

Franziska Niedrig

© Qantara.de 2005

Website zum Euro-islamischen Dialogprogramm des DAAD
Website des DAAD in Kairo