Zaha Hadid erhält Pritzker-Preis

Die in Bagdad geborene britische Architektin Zaha Hadid hat durch ihre Bahn brechenden Entwürfe der Welt der Architektur neuen Schwung gegeben. Mit dem Pritzker-Preis erhielt sie als erste Frau die höchste Auszeichnung für Architektur.

Zaha Hadid, Foto: Pritzker-Preis
Zaha Hadid

​​Die Entscheidung für die 53-jährige Londonerin Hadid als Preisträgerin des Jahres 2004 war für viele eine unausweichliche Konsequenz ihrer beeindruckenden Leistungen in der ganzen Welt.

Dennoch ist diese Wahl bemerkenswert, denn Hadid ist die erste Frau, die in der 26-jährigen Geschichte des Preises ausgezeichnet wird. Hadids irakische Abstammung verleiht der Preisübergabe in St. Petersburg am 31. Mai überdies eine politische Dimension.

Für die Pritzker-Jury ist die Verleihung des "Oscars der Architektur" vor allem eine Verbeugung vor ihrem Genie. "Jedes neue Projekt von Hadid ist kühner als das vorangegangene, und der Quell ihrer Originalität scheint unerschöpflich", stellt die Jury fest.

Unkonventionell und gewagt

Hadids Kreationen, eine Mixtur aus russischem Konstruktivismus, deutschem Expressionismus und Dekonstruktivismus, sind verspielt und phantasievoll.

Charakterisiert durch schneidende Diagonalen, gezackte Linien, scharfe Winkel, spektakuläre Nebeneinanderstellungen sowie dicht ineinander verwobene Räume, erinnern ihre Gebäude aus Stahl und Beton an widerspenstige Schöpfungen, die gegen jegliche Zähmungsversuche resistent scheinen.

Hadid selbst beschreibt ihre städtischen Projekte als einen "urbanen Teppich", der aus ihren Bauten eine natürliche Erweiterung der Straße mache: "Der Architektur geht es grundsätzlich um Schutz. Hinzu kommt die Idee, offen zu sein, die Menschen in das Gebäude einzubeziehen und ihnen so das Gefühl zu vermitteln, zu Hause zu sein", sagte sie in einem Interview.

Aufgrund ihrer temperamentvollen und extravaganten Art wurde Hadid bereits als "Diva der zeitgenössischen Architektur" bezeichnet. Ihre Markenzeichen, schwarze Issey-Miyake-Anzüge sowie teurer Schmuck, unterstreichen dieses Bild. Hadid, die ihr eigenes Architekturbüro in London besitzt, gilt als eine Frau, die weiß, was sie will und selten Kompromisse eingeht.

Progressiver irakischer Hintergrund

Hadid wurde 1950 in Bagdad geboren und wuchs in einer wohlhabenden und liberalen Familie im fortschrittlichen Irak vor der Zeit Saddam Husseins auf.

Ihr Vater war ein im Westen ausgebildeter Industrieller und Mitbegründer der National-Demokratischen Partei im Irak. Hadid wurde zuhause als säkulare Muslimin erzogen, wenngleich sie eine Klosterschule besuchte. Die Bauten von Walter Gropius und Le Corbusier in der irakischen Hauptstadt hinterließen bei ihr einen tiefen Eindruck.

"Nachdem die Männer in den Krieg gezogen waren, hielten die Frauen das Zepter in der Hand. Die meisten meiner Freundinnen wollten einen Beruf ergreifen. Ich wollte Architektin werden. Daran erschien nichts merkwürdig", sagt Hadid.

Sie ging in der Schweiz zur Schule, studierte Mathematik in Beirut und ging 1971 nach Großbritannien, um an der "London Architectural Association" Architektur zu studieren.

Zu ihren Lehrern gehörten renommierte Architekten wie Rem Koolhaas und Daniel Libeskind. Durch ihre Förderung entwickelte Hadid einen radikalen, experimentiellen Stil und einen neuen Zugang zu Raum und Struktur.

Von der "Papier-" zur Stararchitektin

Als sie jedoch nach ihrem Abschluss 1977 erste Gehversuche unternahm, musste Hadid feststellen, daß sie mit ihren visionären Projekten zwar Wettbewerbe gewinnen konnte, Stadtplaner und Bauherren dafür aber kaum begeistern konnte. Da ihre Entwürfe selten über das Reißbrett hinaus kamen, erlangte Hadid schließlich den Ruf der "Papierarchitektin".

Ihren ersten Durchbruch schaffte sie schließlich 1993, als sie eine Feuerwache für die Möbelfirma Vitra in Süddeutschland baute. Weitere innovative Aufträge in Europa folgten. In den vergangenen Jahren sind schließlich mehr und mehr ihrer Arbeiten dreidimensionale Realität geworden.

2002 wurde der Bau einer spektakulären Skisprungschanze in Österreich fertiggestellt und im letzten Jahr das weithin gefeierte "Richard and Lois Rosenthal Center for Contemporary Art" in Cincinatti der Öffentlichkeit übergeben. Zu ihren derzeitigen Projekten zählen die BMW-Firmenzentrale in Deutschland, ein Bahnhof für Hochgeschwindigkeitszüge in Neapel, ein Guggenheim-Museum in Taiwan sowie ein Sportzentrum in Frankreich.

Architektonischer Konservatismus in Großbritannien

Hadid ist eine gefragte Rednerin in der Architekturwelt und hat bereits in Wien, Yale, Harvard und Columbia gelehrt.

Schade, dass Hadid, die international Anerkennung erfahren hat, in ihrer Wahlheimat Großbritannien bislang noch nichts Bleibendes verwirklichen durfte – eine Tatsache, die dem dort herrschenden architektonischen Konservatismus zuzuschreiben ist.

Der Pritzker-Preis könnte dies ändern.

Sonia Phalnikar

© Qantara.de 2004