Afghanistan zwischen Verzweiflung und Widerstand Nach der Machtübernahme der Taliban versuchen viele Menschen in Afghanistan panisch, das Land zu verlassen. Aber es formiert sich auch Widerstand: Auf den Straßen gibt es Proteste gegen die militanten Islamisten. Von Carla Bleiker Proteste am Unabhängigkeitstag: Nach dem ersten Schock beginnen Menschen in Afghanistan, gegen die Machtübernahme der Taliban zu demonstrieren. Am 19.08., dem Unabhängigkeitstag des Landes, gingen Afghaninnen und Afghanen in Kabul und im Ostteil des Landes auf die Straße. Sie feierten das Ende der britischen Besatzung vor 102 Jahren - und machten mit der Landesfahne ihren Widerstand gegen die Taliban deutlich. Eine Flagge sagt mehr als 1000 Worte: Die schwarz-rot-grüne Flagge Afghanistans spielte bei den Protesten am Unabhängigkeitstag eine wichtige Rolle - als Abgrenzung zur weißen Taliban-Flagge. "Hunderte Menschen kamen auf die Straße", sagte Mohammad, einer der Demonstrierenden, zu Reuters. "Erst hatte ich Angst und wollte nicht, aber als ich einen meiner Nachbarn sah, habe ich die Flagge rausgeholt, die ich zuhause habe." Die Taliban feiern: Taliban-Kämpfer und -Unterstützer gingen am Unabhängigkeitstag ebenfalls auf die Straße. Die militanten Islamisten verkündeten stolz, man habe die Besatzungsmacht USA geschlagen. Die Taliban schwenkten dabei nicht die schwarz-rot-grüne Landesfahne, sondern ihre eigene Flagge. Schwarz auf weiß: Das Hissen einer weißen Fahne steht dieser Tage nicht für ein friedliches Aufgeben. Stattdessen ist es ein Zeichen dafür, dass die Taliban wieder an der Macht sind. Ihre Flagge ist weiß mit einem schwarzen Schriftzug - der Schahada, dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die militanten Islamisten sorgen dafür, dass sie überall zu sehen ist, wie hier auf einer Patrouille. Der Weg ins Nachbarland: Zahllose Afghanen haben seit der Rückkehr der Taliban-Herrschaft versucht, das Land zu verlassen. Ein Weg führt über die Grenze nach Pakistan. Die afghanischen Familien hier im Bild wagten den Schritt ins Nachbarland, am Grenzübergang Spin Boldak/Chaman. Reuters berichtete außerdem von Lastern mit Landwirtschaftserzeugnissen, die in beide Richtungen über die Grenze gelassen wurden. Verzweifelte Flucht: Eine Menschenmenge wartet am 20.08. in Kabul auf ein US-Militärflugzeug. Die Situation am Hamid-Karzai-Flughafen ist weiter angespannt. Die Taliban wollen verhindern, dass Menschen zum Flughafen vordringen; US-Truppen versuchen, Ordnung zu wahren. Es starben mehrere Menschen, als eine Menge aufs Rollfeld drängte und sich Verzweifelte an startende Flugzeuge klammerten. Zurückgelassen: Die, die es an den Checkpoints der Taliban vorbei geschafft haben, ließen ihre Autos vor den Flughafentoren zurück. Die Menschen hoffen, es in eines der Flugzeuge zu schaffen und so außer Landes zu kommen. Die Autos wurden später von denen zerstört, die es nicht in den Flughafen schafften - und damit auch nicht in Sicherheit. Verspätete Evakuierungsbemühungen: Das US-Militär versucht, die Lage am Flughafen in Kabul unter Kontrolle zu behalten. Aber Washington und andere westliche Regierungen müssen sich der Kritik stellen, sie hätten mit dem Ausfliegen ihrer Bürger und Ortskräfte, die dem Militär geholfen hatten, zu spät begonnen. Jetzt ist höchst unsicher, ob sie und andere Gefährdete noch rechtzeitig gerettet werden können.