Stunde der Entscheidung in Kasachstan Bei den Protesten in Kasachstan sind viele Menschen getötet und verletzt worden. Der bedrängte Präsident Tokajew hat ein von Russland geführtes Militärbündnis um Hilfe gebeten. Text von Philipp Böll In Massen auf der Straße: Unmut über deutlich gestiegene Treibstoffpreise an den Tankstellen der öl- und gasreichen Ex-Sowjetrepublik mit mehr als 18 Millionen Einwohnern hat sich binnen Tagen zu regierungskritischen Massenprotesten im ganzen Land entwickelt. Unter Druck: Um die Lage zu beruhigen, wurden die Energiepreise wieder gesenkt. Staatschef Kassym-Schomart Tokajew, hier auf einem Archivbild, entließ am Mittwoch zudem die Regierung. Die Proteste rissen jedoch nicht ab. Militär im Zentrum von Almaty: Tokajew verhängte wegen der Proteste den Ausnahmezustand. Im ganzen Land gelten damit nächtliche Ausgangssperren, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie ein Versammlungsverbot. Außerdem bat der Präsident die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), ein regionales Militärbündnis unter Führung Russlands, um Hilfe. Aufgestaute Wut bricht sich Bahn: Demonstranten vor einem brennenden Polizeiauto. Am Mittwoch hatten tausende Menschen in der Wirtschaftsmetropole Almaty den Sitz der Stadtverwaltung und andere Regierungsgebäude gestürmt. Mehrere Verwaltungsgebäude standen Berichten zufolge in Flammen. Angeblich übernahmen Demonstranten auch die Kontrolle über den Flughafen in der Metropole. Opfer auf beiden Seiten: Nach Regierungsangaben wurden 13 Sicherheitskräfte getötet; zudem seien "Dutzende Angreifer eliminiert" worden, wie es hieß - es gab also offenbar viele zivile Todesopfer. Mehr als 1000 Menschen sollen demnach verletzt worden sein. Fast 400 Menschen würden in verschiedenen Regionen des Landes im Krankenhaus versorgt, sagte der stellvertretende Gesundheitsminister Aschar Guinijat am Donnerstag. Ungekannte Proteste: Größere Demonstrationen im autoritär regierten Kasachstan sind selten. Die Ereignisse sind die bislang größte Krise für Präsident Tokajew, der 2019 den langjährigen Staatschef Nursultan Nasarbajew beerbt hatte. Der inzwischen 81-jährige Nasarbajew mit dem Ehrentitel "Führer der Nation" gilt als Strippenzieher des Landes und als enger Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Russland schickt Truppen: Russland hat bereits Fallschirmjäger - hier beim Abflug nahe Moskau - als Teil einer "Friedenstruppe" des Militärbündnisses OVKS entsandt. Dem Bündnis gehören neben Russland und Kasachstan auch Armenien, Belarus, Kirgistan und Tadschikistan an. Die Hauptaufgabe der ausländischen Soldaten sei der Schutz wichtiger staatlicher und militärischer Einrichtungen, hieß es.