Die vergessenen Flüchtlinge von Tindouf

Unter der Ägide der UN begannen im Juni die Gespräche zwischen Marokko und der Befreiungsbewegung Polisario über den Westsahara-Konflikt, der seit mehr als 30 Jahren schwelt.

By Hassan Znined

​​Der UN-Sicherheitsrat hatte die beiden Parteien am 30. April in seiner Resolution 1754 dazu aufgerufen, Verhandlungen ohne Vorbedingungen aufzunehmen, um zu einer für beide Seiten akzeptablen politischen Lösung in diesem Konflikt zu kommen, der seit mehr als 30 Jahren andauert.

Doch auch nach zwei Tagen intensiver Gespräche gingen die direkten Verhandlungen zwischen Marokko und der Rebellengruppe Polisario zunächst ohne konkretes Ergebnis zu Ende. Man konnte sich lediglich auf eine Fortsetzung des Verhandlungsprozesses in der zweiten Augustwoche in Manhasset bei New York einigen.

Die Westsahara, ein rohstoffreiches Territorium so groß wie Westdeutschland, war von Marokko 1975 annektiert worden. Die Polisario lehnt diese Annexion ab und fordert mit Unterstützung Algeriens die Unabhängigkeit der Westsahara.

Die Westsahara-Krise gehört zu den fast vergessenen Konflikten der Welt, weil man fast den Eindruck gewinnt, dass sie ewig so weitergehen könnte, so Hajo Lanz, Nordafrika-Experte der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rabat:

"Die Weltgemeinschaft lebt mit der Situation heute und es gibt keinen Krieg mehr. Es gibt einen Waffenstillstand und alle möglichen Leute können mit der gegenwärtigen Situation überleben."

Die Geschichte des Konflikts

Doch war dieser Konflikt, in dem sich koloniales Erbe, der Drang der Sahraouis zur Selbstbestimmung und regionale Rivalitäten zwischen Marokko und Algerien mischen, nicht immer unblutig. Marokko erhebt seit seiner Unabhängigkeit 1956 Anspruch auf die Westsahara, die damals noch spanische Kolonie war. 1973 gründet eine Handvoll junger sahraouischer Nationalisten die Polisario (Frente popular para la liberación de la Saguia el Hamra y del Río de Oro) mit dem Ziel, einen unabhängigen Staat zu gründen.

​​Ein Jahr später geht Marokko vor den internationalen Gerichtshof in Den Haag, der in seinem Urteilsspruch Bindungen bestimmter sahraouischer Stämme an das marokkanische Königshaus feststellt, nicht aber eine territoriale Hoheit über die Westsahara.

Der Oktober 1975 ist ein entscheidendes Jahr in der Geschichte des Konflikts. Während Spaniens Diktator, General Franco, im Sterben liegt, organisiert König Hassan II. einen friedlichen "Grünen Marsch" von 350.000 "Zivilisten", um – nach offizieller marokkanischer Terminologie – die "südlichen Provinzen" zurückzuholen. Spanien zieht sich kampflos aus der Westsahara zurück.

Zu diesem Zeitpunkt beginnt der Krieg um die Westsahara. Die Polisario evakuiert zehntausende von Sahraouis nach Tindouf in Algerien und beginnt gegen Marokko einen Guerillakrieg, der auf beiden Seiten viele tausend Opfer gefordert hat. Seither sind alle internationalen Initiativen, für diesen Konflikt eine definitive Lösung zu finden, gescheitert.

Der Zankapfel des Referendums

Der bis heute einzige Erfolg der internationalen Gemeinschaft ist der Waffenstillstand, der unter der Ägide der UNO 1991 ausgehandelt wurde und der die Selbstbestimmung der Sahraouis durch ein Referendum gewährleisten sollte.

Dazu ist es aber nie gekommen. Die beiden Parteien schaffen es nicht, sich zu einigen, wer überhaupt wählen darf, wie Bachir Eddalchil, Gründungsmitglied der Polisario, der mittlerweile nach Marokko zurückgekehrt ist, erklärt.

"Die UNO hat es nicht geschafft, die Wählerschaft zu definieren. Sie haben damit begonnen, haben es aber nicht geschafft, die Sahraouis zu bestimmen, die das Recht haben, am Referendum teilzunehmen."

In der Zwischenzeit lehnt Marokko sogar das Referendum selbst ab und schlägt dem Sicherheitsrat eine weitgehende Autonomie unter marokkanischer Souveränität vor. Das wiederum lehnt die Polisario ab, wie ihr Außenminister Ahmed Sidaty bestätigt.

"Es ist ausgeschlossen, dass der Autonomieplan, den Marokko vorschlägt, irgendwann Verhandlungsgrundlage sein könnte, wenn wir dem Geist dessen, was die Resolution des Sicherheitsrats verlangt, treu bleiben wollen. Das bedeutet direkte Verhandlungen für eine politische Lösung, die die Selbstbestimmung des sahraouischen Volkes erlaubt."

Keine klare Haltung der EU

Die Zivilbevölkerung, vor allem die sahraouischen Flüchtlinge in Tindouf, bezahlen einen hohen Preis in diesem ewigen Konflikt. Mehr als 160.000 Menschen leben unter schwierigsten Bedingungen in der algerischen Wüste in Flüchtlingslagern, völlig abhängig von internationaler humanitärer Hilfe.

Doch die internationale Gemeinschaft verdrängt diesen Konflikt lieber, ist sie doch gespalten zwischen Ländern, die die Position der Polisario und Algeriens unterstützen, und Befürwortern von Marokko. Auch die EU ist sich dabei uneins, so Hajo Lanz.

"Ich glaube, es gibt keine spezifische EU-Sichtweise, außer die, dass man natürlich das Engagement der UNO, den Konflikt in eine für alle annehmbare politische Lösung zu führen, unterstützt."

Die Großmächte sind aufgrund ihrer strategischen Interessen auf Ausgleich bedacht und tragen so zu einer Verlängerung der Krise bei. Diese dauert weiter an und hält die Entwicklung des Maghreb insgesamt auf. Doch vielleicht werden die derzeitigen Verhandlungen eine neue Perspektive eröffnen, selbst wenn die Positionen der beiden Parteien unversöhnlich erscheinen.

Hassan Znined

© DEUTSCHE WELLE 2007

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