"Ganz unten in Katar" - Gastarbeiter auf Qatars WM-Baustellen
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Große Dimensionen in Planung und Kritik: Seit der Vergabe der WM 2022 an das Gastgeberland Qatar im Dezember 2010 steht das Emirat wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. Nichtsdestotrotz hält die Fifa daran fest, die Fußballweltmeisterschaft in Qatar auszutragen. Fast fünf Jahre bauen die Gastarbeiter nun schon am WM-Gelände und den Stadien. -
Die 1.7 Millionen Gastarbeiter, rund 88 Prozent der Gesamtbevölkerung Qatars, kommen aus Indien, Bangladesch, Nepal, Sri Lanka und von den Philippinen. Sie möchten Geld verdienen, das Einkommen ihrer Familien in der Heimat aufbessern. Ihr Gehalt beläuft sich auf knapp 200 Euro im Monat, von dem viele rund die Hälfte des Geldes nach Hause schicken. Eine ihrer Aufgaben ist es, Müll aus dem Meer zu fischen. -
Oft wissen die Gastarbeiter nicht genau, was sie auf den Großbaustellen erwartet, wenn sie ihr Herkunftsland verlassen. Nur wenige von ihnen können schreiben oder lesen. Vor ihrer Ausreise unterzeichnen sie Visa- und Arbeitsverträge für den Aufenthalt und ihre Beschäftigung in Qatar, die sie jedoch oftmals gar nicht verstehen, wie Menschenrechtsorganisationen monieren. Dennoch wagen sie den Sprung in das Unbekannte. -
In Qatar angekommen, werden die Gastarbeiter mehr schlecht als recht von den Baufirmen in ihre Arbeit eingewiesen. Ein qatarischer Arbeitgeber trägt die Bürgschaft für das Gastarbeiter-Visum und hat dadurch eine große Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Arbeits- und Lebensbedingungen seiner Angestellten. Eine Erleichterung und Versicherung der schweren körperlichen Bauarbeit ist von den Firmenchefs nicht zu erwarten. -
In der Hitze von bis zu 50 ° C zu arbeiten, ist ein kaum erträglicher Dauerzustand auf den Baustellen im Emirat Qatar. Für Kritiker stellt dies ohnehin einen erheblichen Nachteil für die Austragung der WM dar. Doch das Emirat beabsichtigt, die Stadien mit Kühltechnologien auszustatten. Nur die Gastarbeiter auf den Großbaustellen müssen während der Bauarbeiten weiterhin ohne Klimaanlagen auskommen. -
Immerhin werden die Gastarbeiter nach einem langen, zehnstündigen Arbeitstag gemeinsam in Bussen zurück zu ihren Wohnbaracken transportiert. Aber auch hier muss gewartet werden. -
In den Wohngegenden der Gastarbeiter unterscheiden sich die neuen Unterkünfte meist nicht besonders von denen in ihren Herkunftsländern. Die durchnummerierten Straßen im Industriegebiet Dohas sind genauso wenig ausgebaut wie die Stadien, die die Gastarbeiter errichten. Ihre Baracken bestehen in der Regel aus einfach aufgestellte Querbauten, vor denen sich der Müll anhäuft. -
Die Einwanderer haben kaum Freizeit. Nach der Arbeit sind sie müde, da bleibt oft nur Zeit die eigenen Grundbedürfnisse zu stillen: schlafen, essen und waschen. Der eine freie Tag in der Woche, der ihnen noch bleibt, ist oft für Einkäufe eingeplant. -
Außerhalb der Baracken und neben den Schlafzimmern der Gastarbeiter sind Berge alter Baumaterialien deponiert. Sie werden hier abgestellt, gelagert und vergessen, wie zum Beispiel alte Farbeimer. -
Im Inneren der Wohnbaracken erinnern die Flure an die Gänge eines Auffanglagers für Flüchtlinge. Hier stellen die Gastarbeiter ihre Schuhe ab, hängen ihre Wäsche auf und deponieren ihre Jacken. -
Eingepfercht auf ein paar Quadratmeter: Die Wohnfläche der Unterkünfte ist oft minimal, die Räume sind meist spartanisch ausgestaltet. Sechs bis acht stählerne Doppelbetten stehen an den Wänden eines Zimmers gerückt. -
Ansonsten ist die Inneneinrichtung spärlich oder so gut wie nicht vorhanden. Die Anzahl der Toiletten und Waschmöglichkeiten ist zudem beschränkt. Bis zu 16 Menschen wohnen auf 20 Quadratmetern - ohne Klimaanlage müssen sich hier viele Menschen auf kleinstem Raum bewegen. -
Die Küchen in den Wohnhäusern sind mit Gasherden und langen, abgenutzten und unhygienischen Arbeitsflächen ausgestattet, die den Küchenraum umfassen. Ablagemöglichkeiten und Regale zum Aufbewahren von Lebensmitteln gibt es nicht. -
Die Wäsche wird mit der Hand gewaschen und dann in Zäunen aufgehängt. Auf den engen Zimmern bietet sich hierfür oft kein Platz. -
Diese drei jungen Männer kamen nach Qatar in dem Glauben, möglichst viel Geld zu verdienen. Doch werden sie auf den WM-Großbaustellen deutlich unter dem vereinbarten Mindestlohn bezahlt. Anstelle von 900 Qatari Riyal verdienen sie lediglich 700. In den ersten drei Monaten ihrer Arbeit haben sie sogar nichts bekommen. -
Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Qatar sind für die große Mehrheit der nicht versicherten Gastarbeiter katastrophal. Es gab bislang bis zu Hunderte Menschen, die durch Arbeitsunfälle und an Herzversagen starben. -
Die bei Nacht beleuchtete Großbaustelle in Doha könnte man auf den ersten Blick fast mit der Ästhetik einer Skyline verwechseln. Dass hier auch bei Nacht zahllose Arbeitsmigranten schuften müssen, erkennt man leider nicht.
https://qantara.de//node/11920
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