Intifada gegen die Mullahs

Die aufsehenerregenden Bemühungen der iranischen Regierung um ein Atomprogramm verdecken die gewaltsame Umsiedlung Hunderttausender arabischstämmiger Iraner in der Provinz Khuzestan. Von Joseph Croitoru

Bombenanschlag in Ahwaz vom Januar 2006; Foto: AP
Militanter Widerstand der Ahwazis gegen die Zentralregierung in Teheran? Bombenanschlag auf eine Bank im Stadtzentrum von Ahwaz

​​Die arabischstämmige Bevölkerung lebte bis vor einigen Jahren noch ethnisch weitgehend homogen im Südwesten Irans - vornehmlich im südlichen Teil der erdölreichen Provinz Khuzestan. Zu den Iranern arabischer Abstammung zählen rund viereinhalb Millionen Menschen, also etwas mehr als fünf Prozent der iranischen Bevölkerung von insgesamt 69 Millionen.

Zwar leiden auch Angehörige anderer ethnischer Minderheiten im Iran wie die Azeris, Belutschen, Kurden oder Turkmenen unter Diskriminierung, kultureller Unterdrückung und planmäßiger Umsiedlungen, doch scheint es die Arabischstämmigen bislang am härtesten getroffen zu haben.

"Zwangsiranisierung"

Seit 1999, verstärkt aber in den letzten Jahren, sind mehr als eine Million von ihnen zwangsumgesiedelt und von der Provinz Khuzestan mit ihrer Hauptstadt Ahwaz auf verschiedene Provinzen verteilt worden.

Der Bevölkerungstransfer ist offenbar Teil eines umfassenden Plans, der sowohl auf die Zwangsiranisierung dieser Volksgruppe als auch auf die Re-Iranisierung ihres bisherigen Hauptsiedlungsgebiets abzielt.

Zu diesem Zweck werden nicht nur Maßnahmen gegen die regionale demographische Konzentration dieser Minorität ergriffen; anstelle der transferierten Araber werden von der Regierung obendrein systematisch Iraner persischer Abstammung angesiedelt, von denen sich die Machthaber wohl eine größere Loyalität versprechen - ist doch die Provinz Khuzestan, wo mehr als 80 Prozent des iranischen Erdöls gewonnen wird, für sie von besonderer strategischer volkswirtschaftlicher Bedeutung.

Arabische Menschenrechtsaktivisten aus der Region - die Arabischstämmigen bezeichnen sich generell als "Ahwazis" - nennen in diesem Zusammenhang die Zahl von rund anderthalb Millionen neuer, in der Mehrheit iranisch-persischer Siedler, die mittlerweile den Platz der Vertriebenen eingenommen haben.

Dramatische Lage der Ahwazis

Mit welchen Repressionen gegen die Ahwazis diese Vorgehensweise verbunden ist, schilderte vor einigen Tagen deren führender Menschenrechtler Karim Abdian gegenüber dem populären Londoner arabischsprachigen Internetportal "Elaph" - bekannt für kritische Äußerungen und brisante Enthüllungen.

Die Lage der Araber aus Khuzestan stellt sich aus seiner Sicht als dramatisch dar. Mehr als 130 ihrer Aktivisten sind allein im Laufe des vergangenen Jahres hingerichtet, mehrere tausend verhaftet worden - sogar ganze Familien samt schwangeren Frauen und Kindern. Bodenkonfiszierung sei an der Tagesordnung.

So wird den Arabern die wirtschaftliche Lebensgrundlage und auch der Wohnraum entzogen, weshalb viele sich gezwungen sehen, die Region zu verlassen. Mit der materiellen Diskriminierung, die große Teile der arabischen Ahwazis in die Arbeitslosigkeit und die Armut gestürzt hat, geht auch eine kulturelle einher.

In Khuzestan nämlich, wo viele der Araber zweisprachig aufgewachsen sind, aber zum Teil auch in ihren neuen Wohngebieten, ist es ihnen mittlerweile verboten, in der Öffentlichkeit arabisch zu sprechen; die arabische Sprache darf auch nicht unterrichtet werden.

Deshalb haben arabischstämmige Kinder, die das Persische nicht gut beherrschen, Schwierigkeiten in der Schule und verlassen sie häufig frühzeitig. Nur etwa 30 Prozent schaffen überhaupt den Sprung aufs Gymnasium.

Vor diesem Hintergrund regte sich in den vergangenen Jahren aktiver Widerstand. Neben friedlichen Demonstrationen, die von der iranischen Polizei niedergeschlagen wurden, griff die mittlerweile ins Leben gerufene nationale Befreiungsbewegung der Ahwazis auch zu terroristischen Mitteln, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen; Zielscheibe waren dabei immer wieder die Erdölanlagen, womit ein zentraler Nerv der iranischen Wirtschaft und damit auch des Ajatollah-Regimes getroffen werden sollte.

Instrumentalisiert für die Staatspropaganda

Mit mehreren Internetportalen versuchen sich die Aktivisten der Bewegung, die allerdings in mehrere politische Gruppen gespalten ist, international Gehör zu verschaffen. Dabei müssen sie sich derzeit insbesondere gegen den Vorwurf der iranischen Staatspropaganda zur Wehr setzen, Großbritannien bilde ahwazische Terroristen auf jordanischem Boden aus.

Das iranische Regime behauptet, dass auch Saudi-Arabien die ahwazischen Separatisten unterstütze, womit der Eindruck eines sunnitisch-schiitischen Religionskrieges erzeugt werden soll: Teheran spricht in diesem Zusammenhang von staatsfeindlichen "Wahhabiten".

Auf einer der einschlägigen Websites der arabischstämmigen Bewohner Irans, die sich bezeichnenderweise "Arabistan" nennt, lässt sich die Entstehung eines national-religiösen Ethos auch daran beobachten, dass die getöteten Aktivisten des ahwazischen Widerstands als "Märtyrer der Intifada gegen Iran" verehrt werden.

Die Zeitschrift der Bewegung erhebt mit ihrem Titel "Eilam" - so wurde das Gebiet in der Antike bezeichnet - im Namen des "ahwazischen Volkes" den Anspruch, die Nachfahren der Ureinwohner dieser Region zu vertreten.

Hier zeigen sich Parallelen zum Widerstand der Palästinenser, die sich in Opposition zum biblisch untermauerten Selbstverständnis der israelischen Besatzer bisweilen zu Nachfahren der Kanaaniter, der Ureinwohner Palästinas, erklären.

Auch die Bebilderung der Zeitschrift "Eilam", wo ein vermummter Aktivist seine Finger zum Siegeszeichen erhebt, erinnert an das palästinensische Vorbild. Auch hier wird die Intifada als "gesegnet" bezeichnet.

Dahinter mag sich die Hoffnung verbergen, mit solchen inhaltlichen wie visuellen Anleihen größere Sympathie für das Schicksal der Ahwazis nicht nur in der arabischen Welt zu erwecken.

Joseph Croitoru

© Joseph Croitoru 2007

Qantara.de

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