"Charme-Offensive" für ein Ende der Eiszeit

Obamas Videobotschaft an die Iraner beinhaltete gleichzeitig einen Appell für einen neuen Dialog mit der politischen Führung in Teheran. Doch wer käme aus iranischer Perspektive am ehesten in Frage, einen solchen Dialog mit Washington zu führen? Von Katajun Amirpur

Obamas Videobotschaft an die Iraner beinhaltete gleichzeitig einen Appell für einen neuen Dialog mit der politischen Führung in Teheran. Doch wer käme aus iranischer Perspektive am ehesten in Frage, einen solchen Dialog mit Washington zu führen? Antworten von Katajun Amirpur aus Teheran.

Symbolbild Landkarte Iran/US-Präsident Obama; Foto: DW/AP
Nach Informationen der "New York Times" will US-Präsident Obama versuchen, auf eine konfrontative Iran-Politik wegen der Nuklearpläne Teherans zunächst zu verzichten.

​​ Als er dann auch noch auf Farsi sprach, lagen ihm Hunderttausende von Iranern zu Füßen. Auf Persisch hatte Barack Obama den Iranern am 20. März zu ihrem Neujahrsfest "Nouruz" gratuliert, und die Reaktion - zumindest der iranischen Blogger-Szene - fiel eindeutig aus: "Warum haben wir nicht einen solchen Präsidenten?", hieß es dort.

Obama hatte in seiner Botschaft an das iranische Volk sehr einnehmende Worte gefunden: "Über viele Jahrhunderte hinweg haben Ihre Kunst, Ihre Kultur und Literatur aus dieser Welt einen besseren und schöneren Ort gemacht." Das kam gut an.

Verzicht auf die geballte Faust

Bereits zuvor hatte Obama bei der ersten Pressekonferenz seiner Amtszeit für die kommenden Monate direkte diplomatische Kontakte zur Islamischen Republik in Aussicht gestellt, sofern Teheran bereit sei, "auf die geballte Faust zu verzichten".

Auch Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad zeigte sich in seiner Rede zum 30. Jahrestag der Islamischen Revolution am 10. Februar grundsätzlich gesprächsbereit. Allerdings, so sagte er, müssten die USA ihre Haltung zur iranischen Führung grundsätzlich und nicht nur taktisch ändern.

Oberster religiöser Führer Ali Khameinei; Foto: AP
Khamenei forderte erneut einen echten Wandel in der US-Politik. "Wir werden kein Verhandlungsangebot akzeptieren, das mit Druck zu tun hat", sagte der oberste religiöse Führer.

​​ Das geistliche Oberhaupt der Islamischen Republik, Ayatollah Khamenei, reagierte zwar verhalten auf die "Charme-Offensive" Obamas, aber nicht so martialisch wie sonst.

Es sei nicht nachvollziehbar, wie Obama den Iranern zu ihrem Neujahrsfest gratulieren könne, während die Amerikaner dem Iran auch weiterhin die Unterstützung von Terror und das Streben nach Atomwaffen vorwerfen. So lange die US-Regierung ihre Politik der vergangenen 30 Jahre fortsetzten, blieben die USA auch die gleiche Nation.

Schatten der Vergangenheit

Beiden Seiten fällt die Annäherung bis heute schwer. Dass iranische Studenten 1979 amerikanische Diplomaten als Geiseln nahmen und sie 444 Tage lang gefangen hielten, zählt bis heute zu den Traumata US-amerikanischer Außenpolitik. Auf der anderen Seite gehörte der Anti-Amerikanismus zu den Grundpfeilern der Islamischen Revolution.

Und doch gibt es über das gesamte Spektrum der Herrschenden hinweg – von Reformern über Pragmatikern bis hin zu den Radikalen – schon seit vielen Jahren ein Einsehen, dass man es sich nicht auf ewig leisten kann, sich mit der einzig verbliebenen Weltmacht zu befehden.

Einen Anfang hatte der frühere Präsident Mohammad Khatami gemacht, als er 1998 dem

Botschaftsbesetzung in Teheran 1979; Foto: AP
Tiefes Trauma für die Amerikaner: die Besetzung der US-Botschaft in Teheran und die Geiselnahme von 52 amerikanischen Diplomaten im November 1979

​​US-Sender CNN ein Interview gab und dieses mit einer minutenlangen Lobrede auf die amerikanische Zivilisation begann. Dann entschuldigte er sich auch noch indirekt für die Geiselnahme:

"Ich weiß, dass die Gefühle des großartigen amerikanischen Volkes durch die Geiselnahme verletzt worden sind – und das bedauere ich natürlich. Doch auch die Gefühle unseres Volkes sind durch die USA verletzt worden. Und im Eifer des 'revolutionären Gefechts' geschehen dann Dinge, die man nicht mit normalen Standards bewerten kann."

In der Kritik an Amerika war die bürgerliche, linke und islamistische Opposition gegen den Schah vereint, schon weil dieser erst nach einem von der CIA organisierten Putsch gegen die demokratische Regierung Mohammad Mossadeghs 1953 seine diktatorische Macht hatte ausbauen können. Es war nicht zuletzt der Widerstand gegen die Amerikaner, der das iranische Volk 1978 auf die Straßen trieb.

Erster Golfkrieg und US-Sanktionen

Und auch nach dem Sieg der Revolution taten die Vereinigten Staaten alles, um weiter

Iranischer Ministerpräsident Mohammad Mossadegh vor dem Parlament; Foto: Farshad Bayan/DW
Für viele Iraner bis heute eine Ikone für einen nationalen und unabhängigen Staat: Ministerpräsident Mossadegh wurde 1953 durch einen von der CIA initiierten Putsch gestürzt.

​​als identitätsstiftendes Feindbild zu fungieren: ihre Unterstützung Saddam Husseins, als dieser seine Truppen nach Iran einmarschieren ließ, das Wirtschaftsembargo, der Abschuss eines iranischen Passagierflugzeuges 1988 und die Dekorierung des Verantwortlichen sowie die Unterstützung der Mudschaheddin in Afghanistan.

Die Clinton-Administration schien die Offerte Khatamis verstanden zu haben und überlegte öffentlich, die Sanktionen gegen Iran nicht mehr zu verlängern. Allerdings nutzten seine innenpolitischen Gegner Khatamis Entschuldigung sofort, um diesen anzugreifen. "Das war nicht das, was das iranische Volk zu hoffen gehört hatte", schrieb missmutig die konservative Zeitung "Dschomhuri-ye Eslami".

Weitere Hoffnung auf eine Annäherung gab es dennoch, nach den Attentaten vom 11. September. Auch von den Konservativen wurden die Anschläge in aller Schärfe verurteilt, und Teheran bot Washington Hilfe im Kampf gegen die Taliban an.

Neue Konfrontation

Schwierig wurde es erst, als die USA der iranischen Führung signalisierten, der Koalition gegen den Terror beizutreten. Die beiden Staaten werden sich allerdings bis heute nicht einig in der Definition dessen, was als Terrorismus zu bezeichnen ist.

Anders als die Vereinigten Staaten betrachtet der Iran den Kampf der Palästinenser gegen

Mir Hossein Moussavi; Foto: dpa
Mir Hossein Moussavi - ein politischer Kompromisskandidat im Iran für eine Annäherung zwischen den USA und der Islamischen Republik?

​​die Israelis als legitimen Widerstand gegen eine illegitime Besatzung und nicht als Terrorismus. Und so platzierte Washington den Iran schließlich kurzerhand auf der Achse des Bösen, neben dem Irak und Nord-Korea. Damit nicht genug: George W. Bush rief offen zum Regimewechsel in Iran auf.

Dass Khamenei nicht sofort euphorisch auf Obamas Neujahrswunsch reagiert, heißt nicht, dass eine Aussöhnung auszuschließen ist. Khamenei hatte schon im letzten Jahr in bezug auf die USA erklärt: "Der Abbruch der Beziehungen zu den USA ist bisher eine der Grundlagen der iranischen Politik. Aber wir haben nie gesagt, dass diese Unterbrechung für immer ist."

Ironischerweise könnte es sogar unter einer Regierung Ahmadinedschad eher zu einer Annäherung an die USA kommen als unter einer reformorientierten – beispielsweise einer von Khatami geführten – so wie sie bis vor zwei Wochen noch denkbar schien.

Perspektiven im bilateralen Verhältnis

Während die Reformer von ihren konservativen Gegnern immer des Ausverkaufs an die USA bezichtigt würden, hätten Teile der Konservativen, die eine Annäherung ebenso sehr wollen, den Reformern aber einen solchen Erfolg nicht gönnen würden, keine Gegnerschaft zu fürchten.

Vielleicht war dies einer der Gründe, warum Mohammad Khatami seine Kandidatur nun zurückgezogen hat: Er wusste, dass er persönlich als Präsident extrem polarisieren würde und vieles mit ihm nicht möglich wäre. Deshalb könnte Mir Hossein Moussavi, der von Khatami als personelle Alternative vorgestellt wurde, durchaus ein guter Kompromisskandidat sein.

Zwar wird Moussavi weniger mit Themen wie Rechtsstaatlichkeit und Frauenrechten assoziiert als Khatami, der immer für dahingehende Reformen stand. Moussavi gilt weit weniger als Reformer.

Andererseits könnte gerade das sein Vorteil sein. Moussavi ist jemand, durch den sich die Konservativen nicht so sehr an die Wand gedrängt fühlen und auf den sie nicht so harsch reagieren werden wie auf Khatami. Im Iran wurden mitunter Befürchtungen laut, dass es zu einer heftigen innenpolitischen Konfrontation kommen könnte, sollte Khatami gewählt werden.

Khatami meidet solche Konfrontationen, die in einem großen Blutvergießen enden könnten. Das hat er bereits während seiner Präsidentschaft bewiesen.

Insofern war es vermutlich nicht nur die Angst vor einer großen "Schmutzkampagne", die bereits begonnen hatte und den Einschüchterungen, die ihn zum Rückzug bewogen haben. Sondern die Idee, dass sich mit Moussavi vielleicht politisch mehr bewegen lassen könnte.

Katajun Amirpur

© Qantara.de 2009

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