Eine Gesprächskultur verliert ihre Unschuld

Im Rahmen des deutsch-israelisch-palästinensischen Journalisten-Trialogs lud das Auswärtige Amt junge Journalisten dazu ein, gemeinsam eine Zeitschrift zu erstellen. Nesrine Shibib, eine der Teilnehmerinnen, berichtet von ihren Eindrücken.

Im Rahmen des deutsch-israelisch-palästinensischen Journalisten-Trialogs lud das Auswärtige Amt junge Journalisten dazu ein, gemeinsam eine Zeitschrift zu erstellen. Nesrine Shibib, eine der Teilnehmerinnen,
berichtet von ihren Eindrücken.

Nesrine Shibib; Foto: privat
Nesrine Shibib war eine von 22 Journalisten, die am deutsch-israelisch-palästinensischen Journalisten-Trialog teilnahmen

​​Im Rahmen des deutsch-israelisch-palästinensischen Journalisten-Trialogs lud das Auswärtige Amt 22 junge Journalisten zu einem einmaligen Programm in München und Berlin ein. Das Projekt stellt eine Erweiterung des deutsch-israelischen Journalisten-Dialogs dar, welcher erstmals im Juni 2004 stattfand.

An der Deutschen Journalistenschule München sollten die Teilnehmer des diesjährigen Trialogs eine Zeitschrift unter dem Titel "The Bridge" erstellen. Das englischsprachige Blatt sollte aus Artikeln zum Thema "Medien und Konflikte" bestehen.

Polemisierende Artikel sorgen für hitzige Debatten

Ursprünglich als Vehikel zur Förderung der konstruktiven Kommunikation zwischen den Teilnehmern konzipiert, entwickelte sich die Produktion der Zeitschrift zunehmend zu einer großen Herausforderung. Die meisten Journalisten gingen mit dem Konzept der Zeitschrift konform. So verfasste ein Journalist einen kritischen Kommentar zur Rolle der größten israelischen Tageszeitung im Nahost-Konflikt.

Weitere Artikel thematisierten die positive Rolle von Kulturjournalismus und Musik bei der Konfliktbewältigung und Kooperationsförderung. Zu diesen medien- und selbstkritischen Artikeln der meisten Teilnehmer kamen jedoch auch polemisierende Artikel einiger palästinensischer und israelischer Journalisten und sorgten für Zündstoff.

Mit Beiträgen unter der provozierenden Überschrift "Jenin - das Massaker, das niemals da war" sowie mangelhaft kontextierten und recherchierten Artikeln zum Bau der israelischen Mauer drängte sich der israelisch-palästinensische Konflikt in den Vordergrund der Arbeit. Doch statt die Gräben zwischen den drei Delegationen zu vertiefen, fand eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Artikeln statt, die die Journalisten ähnlicher Haltung aller Delegationen kurzfristig vereinte.

Palästinenser fühlen sich wie fünftes Rad am Wagen

Das Produkt ist in seiner Existenz ein Erfolg und ein Spiegelbild der breiten Palette an Haltungen zu dieser komplizierten Dreiecksbeziehung. Die Veröffentlichung der Zeitschrift ist zunächst nicht vorgesehen.

Nach dem dreitägigen Aufenthalt in München, in dessen Rahmen unter anderem Treffen und Diskussionen mit Vertretern des International Press Institute sowie der Süddeutschen Zeitung stattfanden, zog die Gruppe nach Berlin, wo sie ein dichtes Programm erwartete. An der Tagesordnung standen Besuche bei bedeutenden Institutionen der deutschen Geschichte, Politik und Kultur.

Der Besuch des Hauses der Wannseekonferenz stellte meines Erachtens die bedeutendste Station des Trialogs dar. Vielen palästinensischen Teilnehmern wurde das Ausmaß des Schreckens wirklich bewusst, dem Juden in Europa ausgesetzt waren. Auch wenn dieser Besuch eine neue Solidaritätsebene zwischen den palästinensischen und israelischen Teilnehmern entstehen ließ, unterstrich er gleichzeitig die einzigartige Verflechtung des deutschen und des jüdischen Volkes.

Den Nazi-Verbrechen waren viele Jahre der Wiedergutmachung, der Sühne und der partnerschaftlichen Beziehungen auf vielen Ebenen gefolgt. Die deutsch-israelischen Beziehungen sind aus historischen Gründen in jeder Hinsicht besonders. Angesichts dessen war die stellenweise aufkommende Frustration der palästinensischen Teilnehmer allzu verständlich. "Wir kommen uns vor, wie das fünfte Rad am Wagen" formulierte ein Journalist offen.

Einige palästinensische Teilnehmer bemängelten, das Programm und die Vertreter der deutschen Institutionen hätten sich während der Besuche auf die deutsch-israelische, ja vielleicht sogar die deutsch-jüdische Seite des Dreiecks fixiert. Ein Teilnehmer gab zu bedenken, dass bei einem netten Empfangswort während des Besuchs bei einer bedeutenden staatlichen Institution kein einziges Mal die Worte "Palästina", "Palästinenser", "palästinensisch" benutzt worden waren.

Deutschland als Mittler im Konflikt

Der deutsche Redner war mit den besten Absichten in das offene Gespräch gegangen, bewies jedoch indirekt mit seinem zehnminütigen Wort exemplarisch, dass die Deutschen aufgrund ihrer Geschichte noch nicht an den Punkt gelangt waren, die Palästinenser als ernsthaften, selbstständigen Partner zu betrachten.

Die Frage, ob Deutschland im Rahmen des palästinensisch-israelischen Friedensprozesses die Rolle des fairen Mittlers übernehmen kann, stand dadurch im Raum. Wie löst Deutschland sein Dilemma zwischen dem starken Interesse und der großen Verantwortung auf der einen Seite und der Befangenheit durch die eigene Geschichte auf der anderen Seite? Eine Antwort konnte im Rahmen des Trialog- Projektes nicht gefunden werden. Fest stand jedoch, dass sich Deutschland seiner Verantwortung gegenüber dem jüdischen Volk, Israel und den Palästinensern nicht entziehen kann.

Palästinensische Teilnehmer brachten konstruktive Vorschläge zum künftigen Ausgleich der ungleichen der Beziehungen ein und bestärkten somit Deutschlands Rolle in diesem Kontext.

Ein nachhaltiger Erfolg der ersten Trialog-Staffel ist der nun diskutierte Aufbau eines unabhängigen Journalisten-Netzwerkes in Israel und den palästinensischen Gebieten, in welchem Nachrichten ausgetauscht werden und die Idee des Trialogs auf persönlicher wie beruflicher Ebene fortgeführt wird. Enge Kontakte sowie ein reger beruflicher Austausch bestehen bereits unter vielen der Journalisten.

Nesrine Shibib

© Qantara.de 2005

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