Fortsetzung des Katz-und-Maus-Spiels

Die Außenpolitik des Iran ist verwirrend und widersprüchlich zugleich: Während Irans Atomverhandlungsführer Laridschani Kompromissbereitschaft signalisiert, schlägt Präsident Ahmadinedschad unversöhnliche Töne an. Von Bahman Nirumand

Die Außenpolitik des Iran ist im sich verschärfenden Atomstreit mit dem Westen verwirrend und widersprüchlich zugleich: Während der iranische Atomverhandlungsführer Laridschani deutlich Kompromissbereitschaft signalisiert, schlägt Präsident Ahmadinedschad weiterhin unversöhnliche Töne an. Von Bahman Nirumand

Iraner demonstrieren vor dem Auswärtigen Amt in Berlin; Foto: dpa
Iraner demonstrieren während einer Außenministerkonferenz gegen die Atompläne des Iran.

​​"Ich frage mich, welches Land Herr Laridschani vertritt", sagte US-Senator Joseph Lieberman nach der Rede des iranischen Atomverhandlungsführers Ali Laridschani auf der diesjährigen Sicherheitskonferenz in München.

Tatsächlich trat der Hardliner Ali Laridschani, der zu den radikalsten Verfechtern des iranischen Nuklearprogramms gehört, erstaunlich moderat auf. "Sie sollten sich keine Sorgen machen", versuchte er die anwesenden hochkarätigen Vertreter aus aller Herren Länder zu beruhigen. Iran bedrohe weder Israel noch Europa und unterstütze auch keine Terroristen. Jeder Zweifel an den friedlichen Absichten Irans sei völlig unbegründet.

Laridschani versicherte, dass Teheran zur Kooperation mit dem UN-Sicherheitsrat bereit sei. "Wir müssen Verhandlungen haben und gegenseitigen Respekt", sagte er. Und zum ersten Mal erklärte er als offizieller Vertreter der Islamischen Republik, dass Teheran eine eingeschränkte Urananreicherung akzeptieren würde.

Das sei zwar nicht gerecht, doch Iran sei um des Friedens willen bereit, dem Sicherheitsrat sogar entgegen zu kommen. Mit so niedrig angereichertem Uran lässt sich nur der Brennstoff für Atomreaktoren herstellen, während für die Herstellung einer Atombombe hoch angereichertes Uran von etwa 90 Grad benötigt wird.

Umsetzung von Forderungen der IAEA

Ein Tag vor Laridschanis Auftritt in München hatte Teheran weitere Überwachungskameras in der umstrittenen Atomanlage Natanz, in der Uran angereichert wird, installieren lassen. Somit seien nun alle von der Internationalen Atombehörde (IAEA) geforderten Kameras eingesetzt, hieß es in einer Erklärung der iranischen Atombehörde. Damit sei die IAEA in der Lage, die Anlage durchgängig zu überwachen.

Darauf verwies auch Laridschani und erklärte, Iran werde innerhalb der nächsten drei Wochen die Unstimmigkeiten mit der Wiener Behörde beseitigen.

Nach Angaben des IAEA-Generalsekretärs Mohammad El Baradei gibt es keine Hinweise auf eine Absicht Irans, Atombomben zu bauen. Er kritisierte jedoch, dass Teherans Regierung Teile ihres Programms verheimlicht und nicht alle Fragen beantwortet habe.

Iran entschlossen zur Fortsetzung atomarer Aktivitäten

Ahmadinedschad bei der Besichtigung eines Atomkraftwerks; Foto: AP
Während die UN vom Iran verlangt, sein Nuklearprogramm auszusetzen, beharrt Irans Präsident Ahmadinedschad auf der Fortsetzung der nationalen atomaren Aktivitäten.

​​Fast zur selben Stunde, zu der Laridschani in München seine Rede hielt, vernahm man aus Teheran ganz andere Töne. Dort lehnte Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad auf einer Kundgebung zum 28. Jahrestag der Islamischen Revolution erneut die vom UN-Sicherheitsrat geforderte Aussetzung der Uran-Anreicherung ab.

Eine Aussetzung der nuklearen Aktivitäten wäre für die Islamische Republik eine "Erniedrigung", sagte der Präsident. Während die Kundgebungsteilnehmer immer wieder "Tod für Amerika" und "Atomkraft ist unser Recht" skandierten, erklärte Ahmadinedschad, die iranische Nation sei entschlossen, "ihre atomaren Aktivitäten im Rahmen der Verträge und Vorschriften der Internationalen Atombehörde fortzusetzen".

Sein Land sei jederzeit zu Verhandlungen bereit, lehne jedoch Vorbedingungen ab. "Wie ein Fels" werde der Iran auf seinem Recht zur friedlichen Nutzung der Atomenergie beharren und sich weder durch die vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen noch durch Drohungen der USA einschüchtern lassen.

Ungeachtet der militärischen Aktivitäten der USA am Persischen Golf, die nach Einschätzung vieler Beobachter auf einen bevorstehenden Angriff gegen Irans Nuklearanlagen und Militärstützpunkte deuten, kündigte Ahmadinedschad eine neue Stufe der Urananreicherung an.

Bis zum 9. April werde es eine entsprechende Erklärung geben, sagte der Präsident. Am 9. April vorigen Jahres hatte er dem Volk die "freudige Nachricht" mitgeteilt, in der Urananreicherung eine neue Stufe erreicht und sich damit in den Klub der Atommächte eingereiht zu haben. Es wird damit gerechnet, dass eine Aufstockung der Zahl der Zentrifugen in Natanz von jetzt 165 auf 3000 bekannt gegeben wird.

Widersprüchliche Verlautbarungen aus Iran

Verwirrend ist auch, dass am Tag nach der Rede Ahmadinedschads der Sprecher im iranischen Außenministerium vor der Presse erklärte: "Iran ist bereit, über alles zu verhandeln, auch über die Aussetzung der Uran-Anreicherung".

Diese Widersprüche in der iranischen Staatsführung geben Anlass zu Spekulationen. Bekannt ist jedenfalls, dass Ahmadinedschads radikaler außenpolitischer Kurs - seine unnachgiebige Haltung im Atomstreit, seine Attacken gegen die USA und Israel und seine Politik in Bezug auf den Irak, Libanon und Palästina - nicht nur von Reformern abgelehnt wird, sondern auch bei moderaten Konservativen höchst umstritten ist.

Chamenei unter Druck

Bei diesen Auseinandersetzungen, die zunehmend schärfer geführt werden, auch weil die Regierung innenpolitisch versagt und ihre Wahlversprechen nicht eingelöst hat, ist entscheidend, welche Position Revolutionsführer Ali Chamenei einnimmt.

Chamenei hat bisher zumindest verbal versucht, Ahmadinedschad den Rücken zu stärken. Doch seit Kurzem geht er offensichtlich auf Distanz. Allein die Tatsache, dass er vorbei an der Regierung seinen außenpolitischen Berater, den langjährigen Außenminister Welayati, zu Atomverhandlungen mit der russischen Regierung nach Moskau geschickt hat, zeigt, dass er dem Regierungschef Zügel anlegen will.

Chamenei steht unter dem Druck der erfahrenen, inzwischen pragmatisch gewordenen Politiker - wie dem ehemaligen Staatspräsidenten Haschemi Rafsandschani -, die vor Gefahren von außen warnen und eine behutsamere Gangart in der Außenpolitik verlangen.

Auch der Umstand, dass Laridschani, der selbst inzwischen schlauer geworden zu sein scheint, doch noch nach München reisen durfte, deutet darauf hin, dass Chamenei dem Druck der Grauen Eminenzen nachgegeben hat.

Laridschani hatte zunächst die Einladung zur Teilnahme an der Sicherheitskonferenz angenommen, dann angeblich aus Gesundheitsgründen abgesagt. Dieses Hin und Her kann aber auch als die Fortsetzung des Katz-und-Maus-Spiels gedeutet werden, mit dem die trickreichen Mullahs schon seit geraumer Zeit ihre europäischen Verhandlungspartner an der Nase herumführen.

Zweigleisige EU-Politik

Dies mag der Grund dafür sein, dass die EU-Außenminister bei ihrem Treffen einen Tag nach der Münchener Sicherheitskonferenz beschlossen, die am 23. Dezember vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen gegen Iran strickt umzusetzen.

Doch um Teheran nicht zu verprellen, betonten sie zugleich, dass die EU nach wie vor eine diplomatische Lösung anstrebe und zu Verhandlungen mit Teheran bereit sei. Es liege weiterhin am Iran, die Rückkehr zu Gesprächen möglich zu machen, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit dem iranischen Atomverhandlungsführer Ali Laridschani; Foto: AP
Außenminister Frank-Walter Steinmeier heißt den iranischen Atomverhandlungsführer Ali Laridschani zu Gesprächen in Berlin im September 2006 willkommen.

​​Diese Zweigleisigkeit, eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche, wurde noch durch eine Peinlichkeit ergänzt: Nach dem Treffen der Außenminister gelangte ein interner Bericht des EU-Außenbeauftragten Javier Solana an die Öffentlichkeit.

In diesem Dokument, das von der Financial Times Deutschland veröffentlicht wurde, schreibt Solana: "Wir müssen damit rechnen, dass der Iran irgendwann in der Lage sein wird, Uran bis zu dem für ein Waffenprogramm notwendigen Grad anzureichern."

Das Problem mit dem Iran werde nicht allein durch Wirtschaftssanktionen gelöst werden. Einzig technische Schwierigkeiten hätten bislang den Fortgang des iranischen Atomprogramms behindert – und nicht etwa Resolutionen des UN-Sicherheitsrats oder der Internationalen Atombehörde.

Ausgang des Konflikts nach wie vor offen

Dieses Dokument werden einerseits die Hardliner als Bestätigung dafür nehmen, dass Iran nichts zu befürchten habe und sein Atomprogramm ohne Zugeständnisse fortsetzen könne, und die Moderaten andererseits dafür, dass die USA und die EU doch noch von der militärischen Option Gebrauch machen werden.

Am 23. Februar läuft die vom UN-Sicherheitsrat festgesetzte Frist ab. Bis dahin wird sich herausstellen, welche Fraktion im Iran sich durchgesetzt hat, die Hardliner oder die Moderaten.

Bahman Nirumand

© Qantara.de 2007

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