"A Time for Change"
"A Time for Change" - das diesjährige Motto der Jahreskonferenz der "Islamic Society of North America" (ISNA) in Columbus (Ohio) war zwar auf den Ramadan als eine Zeit der spirituellen Erneuerung bezogen.
Doch mit Blick auf den laufenden Präsidentschaftswahlkampf in den USA wohl auch nicht ganz zufällig gewählt: Es ist einer der Wahlsprüche der Demokraten.
Der Wahlkampf, der nach den offiziellen Nominierungen auf den Parteitagen der Demokraten und Republikaner in die heiße Phase getreten ist, war das dominierende Thema der Konferenz, die mit insgesamt über 30.000 Teilnehmern die größte Konferenz von Muslimen in den USA ist.
Der bekannte und vor allem unter Jugendlichen einflussreiche Prediger Hamza Yusuf rief unter lautem Applaus die Muslime zur Wahl des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama auf.
Yusuf, der mit 17 Jahren zum Islam konvertierte, zeigte sich beeindruckt von der Biographie Obamas und zog Parallelen zwischen dem Kampf der muslimischen und afroamerikanischen Community um politische Anerkennung.
"Muslime für Obama"
Die Ankündigung Obamas die US-Truppen aus dem Irak abzuziehen, ist laut Yusuf schon Grund genug, um für ihn zu stimmen: "Irak ist arabisch für Vietnam."
Vertreter des Council on American Islamic Relations (CAIR) und des Muslim Public Affairs Council (MPAC) – die beiden wichtigsten nationalen politischen Interessengruppen von Muslimen – waren zwar mit Blick auf ihren Status als steuerbegünstigte Organisationen zurückhaltender bei der Nennung von Namen, doch die Botschaft war klar: "Muslims for Obama."
In den letzten Monaten mobilisierten beide Organisationen sehr aktiv muslimische Wähler und Moscheegemeinden, um an den politischen Diskussionen und Wahlen teilzuhaben. Nach einer aktuellen Umfrage von CAIR sind die wichtigsten Themen für die Muslime bei der Wahlentscheidung Bildung, Bürgerrechte und die Beziehungen der USA zur islamischen Welt.
Kurz vor Beginn der ISNA-Konferenz war der Parteitag der Demokraten in Denver zu Ende gegangen, der diesmal mit einer interreligiösen Feier unter Beteiligung der ISNA-Präsidentin Ingrid Mattson begann, einer kanadischstämmigen Muslimin. "Ich begrüße die Anerkennung, welche den Muslimen in Amerika damit zuteil wird", so Mattson.
Erst Kritik, dann Lob
In diesem Jahr waren unter den mehr als 4.000 Delegierten 47 Muslime, die Barack Obama formal als Präsidentschaftskandidaten bestätigten. Muslimische Aktivisten und Mandatsträger formierten erstmals ein Netzwerk muslimischer Demokraten, um beim Parteitag sichtbar zu sein und ihren Einfluss in der Partei zu vergrößern.
Zentrale Figuren sind dabei die beiden ersten muslimischen Kongressabgeordneten, die Afroamerikaner Keith Ellison und André Carson. Ellison selbst kritisierte noch vor einigen Wochen Obama: Zwei muslimische Frauen mit Kopftuch wurden während einer Wahlkampfveranstaltung aus dem Publikum entfernt, da man befürchtete, die Fernsehbilder könnten einen falschen Eindruck bei den Zuschauern hervorrufen.
Nach der Kritik von Ellison und muslimischen Organisationen entschuldigte sich Obama persönlich per Telefon bei den jungen Frauen und versicherte, dass dies nicht in seinem Sinne war. Für Keith Ellison hat sich das Thema inzwischen erledigt: "Ich habe ihn kritisiert, jetzt preise ich ihn. Der Fall ist ein Beispiel dafür, dass Muslime bisher nicht genügend einbezogen wurden."
Viele halten Obama für einen Muslim
Laut Muqtedar Khan vom "Institute for Social Policy and Understanding", einem muslimischen Think Tank mit Sitz in Michigan, würde eine Wahl Obamas signifikante Veränderungen für die Muslime in den USA mit sich bringen:
"Es wird das Signal gesendet, dass die Politik der Angstmacherei vorbei ist und anti-muslimische Rhetorik und Diskriminierung an Flughäfen und anderswo abnehmen wird", so Khan.
Khan zeigt Verständnis dafür, dass sich Obama bisher nicht öffentlich mit Muslimen gezeigt hat. In einem kürzlich veröffentlichten Strategiepapier warnte er davor, dies überzubewerten.
Barack Hussein Obama kämpft als bekennender Christ, Sohn eines kenianischen Muslims und mit einem indonesisch-muslimischen Stiefvater seit Monaten gegen Gerüchte, er sei Muslim. Nach einer Umfrage des renommierten "Pew Research Centers" glaubten im vergangenen März weiterhin etwa zehn Prozent der Amerikaner, dass Obama muslimischen Glaubens sei.
John McCain, der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, hat in den vergangenen Monaten nicht nur jeden Kontakt zu Muslimen gemieden, sondern regelmäßig auch die muslimischen Organisationen mit Statements provoziert, in denen er nicht zwischen Muslimen und Extremisten sowie Terroristen unterschied.
Umschwung zugunsten der Demokraten
Gab es vor 9/11 unter den etwa sechs Millionen Muslimen in den USA noch eine beachtliche Anzahl, die den Republikanern auf Grund ihrer konservativen Werte nahe standen, hat sich dies in den letzten Jahren sehr deutlich zugunsten der Demokraten verändert.
Bei einer Umfrage unter Muslimen des Meinungsforschungsinstituts "Zogby International" im November 2001 gaben 40 Prozent an, sich mit den Demokraten und 23 Prozent mit den Republikanern zu identifizieren.
Eine Umfrage des "Pew Research Center" aus dem Jahr 2007 zeigte, dass sich 63 Prozent der Muslime den Demokraten verbunden fühlten und nur noch 11 Prozent den Republikanern. Der Rest war noch unentschlossen.
Auch wenn die Zahl der wahlberechtigten Muslime in den USA absolut gesehen niedrig ist, können ihre Stimmen vor allem in den wichtigen, so genannten "Swing States", wie Florida und Ohio, entscheidend sein. Dort verfügen weder die Demokraten noch die Republikaner über sichere Mehrheiten, und es gibt eine hohe Konzentration von muslimischen Wählern.
Mounir Azzaoui
© Qantara.de
Mounir Azzaoui ist Research Associate am Berkeley Center for Religion, Peace and World Affairs an der Georgetown University in Washington DC.
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