Muslimische Frauen für Gerechtigkeit

In den Debatten um den Islam trifft man in den britischen Medien stets auf zwei Themen: Frauen und Extremismus. Kein Wunder, dass muslimische Frauen meinen, dass diese Themen von Muslimen selbst unangemessen behandelt werden. Zwei britische Organisationen wollen dies nun ändern. Von Sara Khan

Immer wieder dominieren Extremisten, die für sich beanspruchen, im Namen Gottes zu sprechen, den Diskurs über britische Muslime ohne sichtbare Gegenstimme. Ob nach den Anschlägen in London oder während der jüngsten königlichen Hochzeit, als eine extremistische Gruppe damit drohte, die Feierlichkeiten zu stören - die opportunistischen Taktiken einer kleinen extremistischen Minderheit sind fortlaufend darauf angelegt, Zwietracht in unserer Gesellschaft zu säen.

Währenddessen ist bisher wenig getan worden, um das Unrecht gegen britische muslimische Frauen zu beseitigen. Laut den offiziellen Statistiken sind muslimische Frauen mit ernsthaften Herausforderungen konfrontiert, denn sie sind die Bevölkerungsgruppe mit der schwächsten Gesundheit und der höchsten Arbeitslosigkeit im Vergleich zu Männern und Frauen anderer Glaubensgruppen.

Hinzu kommt noch, dass britische muslimische Frauen Opfer von Zwangsehen, weiblicher Genitalverstümmelung, so genannter Ehrenmorde, häuslicher Gewalt oder illegalen Handels sind; und dass eine kleine, aber lautstarke Gruppe von religiösen Führern diese Taten verleugnet oder duldet.

Extremismus bekämpfen

Folglich war es keine wirkliche Überraschung, dass YouGOV, ein britisches Meinungsforschungsinstitut, letztes Jahr eine Umfrage durchführte, bei der 69 Prozent der Briten angaben, davon überzeugt zu sein, dass der Islam zur Unterdrückung von Frauen aufruft.

Sara Khan; Foto: www.wewillinspire.com
"Jihad ist ein Grundprinzip in der islamischen Lehre, das Muslime auffordert, sich für Gerechtigkeit zu bemühen und zu kämpfen, was in erster Linie spirituelle Gewissenhaftigkeit verlangt. Deswegen ist es falsch, das Wort mit einem bewaffneten Kampf zu assoziieren", sagt Khan.

​​Da viele muslimische Frauen und Mädchen in Großbritannien erhebliche Schwierigkeiten im Leben haben, startete die britische Beratergruppe Inspire in Zusammenarbeit mit Global Muslim Women's Shura Council diesen Sommer die Kampagne Jihad Against Violence (JAV, "Jihad gegen Gewalt") in der Londoner City Hall.

Inspire glaubt, dass Frauen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung und dem Wohlergehen einer Gesellschaft einnehmen. Durch Kampagnen, Bewusstseinsbildung in der Gemeinschaft und praktische Ausbildung befähigt Inspire Frauen, eine solidarische Gemeinschaft zu erschaffen und Extremismus zu bekämpfen.

Die JAV-Kampagne bestätigt, dass die Repräsentation von muslimischen Frauen in Führungspositionen in der Gesellschaft und innerhalb von britischen muslimischen Organisationen zu schwach ist. JAV glaubt, dass die muslimischen Frauen ihre kulturelle, intellektuelle und moralische Position als gleichberechtigte Bürger und Mitwirkende in der Gesellschaft zurück gewinnen sollten.

Positive Umdeutung des Jihad

Jihad Against Violence ermutigt Männer und Frauen, sich gegen jegliche Form von Gewalt zu erheben, das Bewusstsein zu wecken, und jene herauszufordern, die den Islam fälschlicherweise instrumentalisieren, um Gewalt hervorzurufen. Mit der starken Beteiligung muslimischer Frauen bei den Protesten des Arabischen Frühlings ist es ermutigend zu sehen, dass zwei Wochen nach dem Start von JAV 150 Frauen und Männer - sowohl Muslime als auch Nicht-Muslime - aus 24 Ländern die JAV-Erklärung zur Gültigkeit von universellen Werten ungeachtet der Rasse, Religion und Geschlecht für alle Menschen unterschrieben haben. Inspire wird bald viele Projekte starten, darunter eine Website mit detailliertem Material, Schulungen in Moscheen und Aufklärungskampagnen.

Symbolbild Inspire; Foto: www.wewillinspire.com
Die Kampagne 'Jihad Against Violence' ermutigt Männer und Frauen, sich gegen jegliche Form von Gewalt zu erheben, das Bewusstsein zu wecken, und jene herauszufordern, die den Islam fälschlicherweise instrumentalisieren, um Gewalt hervorzurufen.

​​Die JAV-Erklärung fordert die Unterzeichner auf, extremistische Gruppen, die das Konzept von Jihad verzerrt haben, aktiv zu verurteilen. Wir glauben, dass der Begriff Jihad von den Extremisten zurück gewonnen werden muss. Jihad ist ein Grundprinzip in der islamischen Lehre, das Muslime auffordert, sich für Gerechtigkeit zu bemühen und zu kämpfen, was in erster Linie spirituelle Gewissenhaftigkeit verlangt. Deswegen ist es falsch, das Wort mit einem bewaffneten Kampf zu assoziieren. Der Kampf für Wahrheit und Gerechtigkeit benötigt den Jihad, das heißt beharrliche, gewissenhafte harte Arbeit.

Was kann heutzutage ein bedeutender Jihad sein als sich zu bemühen, den Extremismus und Terrorismus zu beseitigen, und eine geschlossene Gesellschaft zu fördern, in der Frauen und Männer gemeinsam arbeiten?

JAV schreibt sich das Anliegen von muslimischen Frauen im Vereinigten Königreich auf die Fahne und fasst dies in ihrer Erklärung mit folgenden Worten zusammen:

"Wir muslimische Frauen glauben, dass wir nicht länger schweigen können, während wir zusehen wie unser Glaube instrumentalisiert wird, um Verbrechen zu rechtfertigen. Wir glauben, dass es unsere Pflicht ist, unsere Stimmen zu erheben und unseren Glauben zurück zu gewinnen, sodass er nicht mehr von Individuen und Organisationen benutzt wird, die im Namen des Islam Gewalttaten, Hass und Extremismus verüben und provozieren."

Sara Khan

© Common Ground News/Qantara.de

Übersetzung aus dem Englischen: Rigien Bagekany

Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de