Diesen Krieg kann keiner gewinnen
Mit Kommentaren und Kolumnen hat der israelische Schriftsteller David Grossman die Vorgänge im Nahen Osten seit 1993 begleitet. Nun sind sie auf Deutsch erschienen. Peter Philipp stellt das Buch vor.
"In fünf oder in zwanzig Jahren, nachdem es Hunderte oder Tausende von Toten gegeben haben wird, wird es hier zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer zwei Staaten geben. Sie werden sich nicht sehr vertrauen, aber sie werden die Alternative fürchten. Sie werden nicht auf ihre Träume verzichten, aber sie werden die deutlichen Vorzüge der Realität anerkennen“.
Als der israelische Schriftsteller David Grossman 1996 diese Zeilen in einem offenen Brief an den damaligen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu schrieb, da ahnte auch er nicht, wie sehr er zumindest im ersten Teil dieser Prognose recht behalten würde: Acht Jahre später sind Tausende von Menschen umgekommen - Palästinenser und Israelis - die vorsichtig-distanzierte Nachbarschaft zweier Staaten aber ist weiterhin Utopie.
"Ein ganzes Volk liegt im Koma"
"Diesen Krieg kann keiner gewinnen“ ist eine Sammlung von Kommentaren und Kolumnen, mit denen Grossman seit den Verträgen von Oslo 1993 die Vorgänge in Nahost begleitet hat. Die bewegende "Chronik eines angekündigten Friedens“. Die Gedanken und Hoffnungen, aber auch die Verzweiflung eines, der sich immer schon für Versöhnung und Frieden eingesetzt hat. Und der hilflos zusehen muss, wie ein solcher Frieden trotz eigentlich idealer Voraussetzungen immer mehr in ungreifbare Ferne rückt.
Typisch, dass Grossman nicht in erster Linie nach Schuldigen sucht. Er bedauert, dass die Zustände bei den Palästinensern es nicht zulassen, dass man sich dort offen und ohne eigene Gefährdung mit den eigenen Fehlern auseinander setzt. In Israel aber fällt die Selbstkritik Grossmans umso schärfer aus: "Mit empörender sträflicher Passivität lähmen die über sechs Millionen Menschen ihr Bewusstsein, ihre Willenskraft, ihr Urteilsvermögen, ihre Fähigkeit zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. ... Ein ganzes Volk liegt im Koma. Hat sich gewissermaßen selbst betäubt, setzt vorläufig sein Urteilsvermögen außer Kraft, um nicht mit dem stummen Grauen seiner Lage konfrontiert zu werden“.
Zielstrebig ins Unheil
Es ist bedrückend zu sehen, wie der Nahe Osten seit dem Oslo-Abkommen vom September 1993 zielstrebig ins Unheil steuerte: Nach drei Jahren die Ermordung Jitzchak Rabins und der Wahlsieg Benjamin Netanyahus, der die Abmachungen von Oslo verwässerte wie und wo er nur konnte. Wieder drei Jahre später die Wahl Ehud Baraks und neue Hoffnungen. Aber nichts wird daraus, weil die Palästinenser nicht erkennen, dass Barak ihnen zwar nicht alles zu geben bereit ist, aber doch viel mehr als jeder andere israelische Politiker vor und sicher auf lange Zeit jeder nach ihm. Barak scheitert und Scharon folgt.
Der Sturz Saddams wäre eigentlich eine Chance für Israel, sich im Gefühl größerer Sicherheit offener für Frieden einzutreten. Scharon aber sehe diese Entwicklungen als Bestätigung seiner Politik und das werde dem Land schaden und den Zustand des Krieges verewigen.
Peter Philipp
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE
David Grossman
Diesen Krieg kann keiner gewinnen
Hanser, 2003
ISBN 3-446-20374-5
17.90 EUR
Hanser Verlag München