Elisabeth Mariam Müller, 22. Mai 2009

zu Der gekreuzigte Dialog von Stefan Weidner

Staatsposse

Die Posse des Hessischen Kulturpreises ist grotesk. Man sollte den Text von Navid Kermani aufmerksam lesen. Wer keinen Schritt aus eigener Religion raus zu gehen bereit ist, der sollte nicht so tun, als ob er tolerant ist und dialogbereit. Kermani schreibt als Schiit über ein Bild, das ihn in einer katholischen Kirche faszinierte und überraschte. Muslime lehnen Darstellungen von Gott und auch vom Propheten ab. Muslime glauben auch nicht an die Kreuzigung des Propheten Isa. Trotzdem setzt sich Kermani feinfühlig mit der Darstellung von Guido Renis Kreuzbild auseinander. Er schreibt aus seiner Sicht und gibt wieder, was er bei Kreuzen empfindet. Er schreibt wörtlich: "Für mich aber ist das Kreuz ein Symbol, das ich theologisch nicht akzeptieren kann, akzeptieren für mich, meine ich, für die Erziehung meiner Kinder. Andere mögen glauben, was immer sie wollen; ich weiß es ja nicht besser." Weiter schreibt er: "Für mich formuliere ich die Ablehnung der Kreuzestheologie drastischer: Gotteslästerung und Idolatrie." Es ist eine ehrliche Sicht und eine akzeptable Stimme im Dialog der Weltreligionen. Aber diese ehrliche Sicht eines Muslims kann man nicht tolerieren, das verlangt man immer nur von den anderen, von sich – wie diese Reaktion von Kardinal Lehmann, der langjährige Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche Peter Steinacker und auch der Ministerpräsident Roland Koch beweist – ist Toleranz ein Fremdwort und von den Akteuren ein unreifes Verhalten. Wie vielfach bewiesen, wird Dialog der Religionen im Mund geführt, aber gehandelt wird ganz anders, wie auch der "Dialog der Religionen" in meiner Stadt gehandhabt wird.