Irakische Antiken unterm Hammer

Einen Antikenpass gegen den illegalen Handel mit antiken Kunstwerken einzuführen - das ist die Forderung der ‚Berliner Resolution 2003’, auf die sich 260 Archäologen, Museumsdirektoren und Vertreter von Antikenbehörden auf einem Kongress in Berlin geeinigt haben. Rosemarie Radtke von der Deutschen Welle hat den Kongress besucht.

    Die systematischen Plünderungen der Kunstwerke im Irak haben Archäologen in aller Welt aufgeschreckt. Nun haben sie dem illegalen Kunsthandel, nicht nur im Irak, den Kampf angesagt. Mit einem so genannten Pedigree, einer Art "Antiken-Pass", sollen künftig Kunstgüter vor illegalem Export und Verkauf geschützt werden. Das sieht die "Berliner Resolution 2003" vor, auf die sich rund 260 Archäologen, Museumsdirektoren und Vertreter von Antikenbehörden auf ihrem dreitägigen internationalen Kongress zum Thema Illegale Archäologie geeinigt haben.

Plünderungen im Irak schon seit 1991

Die Zeit drängt. Der kriminelle Alltag im Geschäft mit antiken Kunstwerken ist dramatisch. Seit 1991 wird zum Beispiel im Irak heftig geplündert, ohne dass das große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gefunden hätte. Archäologen in Afrika, Südamerika, im Vorderen Orient oder in Mittelasien graben oft unter Lebensgefahr, müssen sich gegen bewaffnete Banden zur Wehr setzen, die die Kunstschätze zu Geld machen wollen.

Nationalmuseum in Bagdad, Foto: AP
Nationalmuseum in Bagdad, Foto: AP

​​Aber auch in europäischen, so genannten "zivilisierten" Ländern wird geplündert und verhökert, was das Zeug hält. Ganze Scharen von selbst ernannten Schatzsuchern stehlen ungeniert und massenhaft, was in Boden und Wasser zu finden ist, um es profitabel zu versetzen. Den Schaden haben alle, die sich für die Vergangenheit und für andere Kulturen interessieren, nicht nur Wissenschaftler. Denn eine Statue mit der Beschriftung "Herkunftsort unbekannt" bleibt möglicherweise ein schönes, doch eben auch ein stummes Zeugnis. Und es ist noch nicht all zu lange her, dass sich auch Museen zu Komplizen des Diebstahls und des Raubbaus machten, indem sie Fundstücke kauften, ohne nach der Herkunft zu fragen.

In Berlin wurde nach Strategien gesucht, um dem illegalen Antikentransfer ein Ende zu setzen. Ein mühseliges, heikles, langwieriges Unterfangen. Der Antikenhandel liegt, was das Umsatzvolumen betrifft, auf Platz drei der weltweiten organisierten Kriminalität - nach dem Waffen- und dem Drogengeschäft, und vor der internationalen Prostitution. Was also tun?

Herkunftsnachweis für jede Antike

"Ein sehr wichtiger Teil unserer Resolution ist der, dass wir ein Pedigree für jede Antike, die irgendwo auftaucht, verlangen. Das wird sich nicht sofort durchsetzen lassen. Aber wir wollen, dass auch die Bevölkerung und auch die Kunstsammler wissen: wenn ich in einen Laden gehe und möchte eine Antike erwerben, dann brauche ich dazu einen kompletten Herkunftsnachweis. Wenn ich den nicht habe, dann lass ich das Ding dort stehen beim Kunsthändler, wo es steht.

Wenn das öfter passiert, wird er die Finger davon lassen. Dann wird dieser Sog in die antikenarmen Länder, also diejenigen, die Sammlerländer sind, vielleicht sehr viel geringer werden - das ist unsere Hoffnung -, als er jetzt ist. Wo die antikenreichen Länder - das sind aber oft ökonomisch sehr arme Länder - ausgeplündert werden, in Richtung auf diesen schwarzen Markt im Norden", sagt Wolf-Dieter Heilmeyer, Direktor der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin.

Ein Herkunftsnachweis, gleich dem Fahrzeugbrief, ohne den ein Automobil den Besitzer nicht wechseln kann - das war ganz und gar nicht nach dem Geschmack von Antiquitäten- und Kunsthändlern, die auf der Konferenz vertreten waren. Während der Beratung zur Resolution verließen sie allesamt verärgert die Tagung. Ist das verwunderlich? Eigentlich nicht, wenn man beispielsweise daran denkt, dass das renommierte Londoner Auktionshaus Christie's erst vor wenigen Tagen, am 13. Mai, über 100 Stücke mesopotamischer, also irakischer, Herkunft unter den Hammer gebracht hat, ohne sich daran zu stören, dass es für die Stücke keinerlei Herkunftsnachweis gab.

Ehrenkodex für Archäologen

Um den Antikentransfer zu stoppen, stehen alle in der Pflicht, so die Teilnehmer der Konferenz. Für den Ethiker Wolfgang Frühwald ist ein gemeinsam aufzustellender Ehrenkodex für Archäologen ein Muss, um einen Selbstreinigungsprozess einzuleiten. Zum anderen soll an die Stelle mörderischer Konkurrenz zwischen den großen Museen mehr Kooperation entstehen. Einige Einrichtungen in Italien und Deutschland haben bereits erfreuliche, feste Bande geknüpft. So sind inzwischen gegenseitige langfristige Leihgaben und spektakuläre Dauerausstellungen von Antikensammlungen möglich.

In dem Berliner Beschluss werden alle Länder aufgefordert, die UNESCO-Resolution zum Schutz des Kulturerbes von 1970 zu ratifizieren. Ein Erfolg freut Wolf-Dieter Heilmeyer, der auf die Politik der kleinen Schritte setzt, ganz besonders.

In der vergangenen Woche hat Kulturstaatsministerin Christina Weiß zugesagt, ihre Unterschrift unter das über 30 Jahre alte, nach wie vor aktuelle Schriftstück von Rom zu setzen.

Rosemarie Radke, Deutsche Welle, Mai 2003

Die UNESCO hat eine eigene Website für Irak eingerichtet, unter folgendem Link:
http://portal.unesco.org
Das Register der geplünderten Schätze, unter folgendem Link: http://www.iraqlostheritage.org/