Josef Matrai, 12. Oktober 2009
zu "Kopftuch geht immer" von Cigdem Akyol
Dieser Artikel sollte nicht für sich in Anspruch nehmen, "zu informieren", wie es im ersten Abschnitt behauptet wird. Frau Akyol hat hier nicht informiert, sondern versucht, die Kritik einer türkischen Migrantin an einer konservativen und frauenfeindlichen Gesellschaft lächerlich zu machen. Hier wird impliziert, man brauche die Kritik von Frau Ates nicht ernst zu nehmen, weil jene Kritik aus ihrem persönlichen psychologischen Trauma (Migration, körperliche Gewalt, Angriff mit Schusswaffe) resultiert.
Solch eine pseudo-psychologische "Diagnose" sollte die Verfasserin des Artikels jenen überlassen, die sich mit dem Thema besser auskennen. Außer oberflächlichen Vorwürfen ("sie bemüht sich erst gar nicht, zu vermitteln", "sie konnte wieder einmal der Lust an der Provokation nicht widerstehen" etc.) sehe ich von seiten der Verfasserin wenig Substanz oder intelligente Argumentation.
Dass die Grünen vielleicht wirklich einen positiven Rassismus kultivieren, wird nicht hinterfragt, und dass Seyran Ates geschlagen, eingesperrt und letztendlich angeschossen wurde, wird beiläufig erwähnt, scheint aber
keiner weiteren Betrachtung wert. Es grenzt außerdem an unfreiwillige Komik, dass die Grünen ausgerechnet einer Frau mit Migrationshintergrund und solch einer erschreckenden Vergangenheit vorwerfen, dass sie "frauen- und integrationspolitisch auf einem ziemlichen Irrweg" wandele.
Ich wurde beim Lesen des Artikels das Gefühl nicht los, dass sich die Autorin selber von Frau Ates kritisiert gefühlt haben muss; das Abstempeln als "islamophob" ist anscheinend im Moment chic und scheint auch von der Verpflichtung zu entbinden, eine intelligente Debatte mit Argumenten und Gegenargumenten führen zu müssen.