Optimistisch aber nicht leichtsinnig

In dem deutsch-arabischen Internetportal Li-Lak soll der Dialog zwischen deutschen und arabischen Jugendlichen ermöglicht und gefördert werden. Sie schreiben dort über den Alltag und ihre Zukunftsvorstellungen. Stephanie Gsell stellt die Website vor.

In dem deutsch-arabischen Internetportal Li-Lak soll der Dialog zwischen deutschen und arabischen Jugendlichen ermöglicht und gefördert werden. Sie schreiben dort über Alltag und Zukunftsvorstellungen zwischen Stuttgart und Kairo. Stephanie Gsell stellt die Website vor.

Logo der Website Li-Lak
Li-Lak ist Arabisch und bedeutet "Für mich – für dich"

​​"Wenn deutsche Politiker fordern, deutsche Moslems müssten die deutschen Werte übernehmen, um sich anzupassen, gebe ich ihnen zur Antwort: Wahre Integration gibt es nur, wenn man nimmt und zugleich gibt. Genauso wie deutsche Kultur Moslems prägt, werden auch Moslems deutsche Kultur prägen – und dies muss nicht nur der Döner oder der Kebab sein."

Dieser Appell des 26-jährigen Sherif aus Kairo in seinem Beitrag "Ich bin beides" in der Rubrik "Hier und da leben" gehört zu den politischsten Äußerungen, die man auf Li-Lak, der deutsch-arabischen Website des Goethe-Instituts von und für junge Menschen, findet.

Nichts zu aktuellen politischen Debatten oder brisanten Diskussionen über religiösen Fundamentalismus. Tabuthemen sind tabu. Gewöhnt an die Dauerprovokationen der Medien, mag man die von Li-Lak vermittelten Inhalte banal nennen – aber ist das denn negativ? Erleichtert es nicht den Dialog, wenn anstößige Themen vermieden werden?

Li-Lak ist Arabisch und bedeutet "Für mich – für dich". Zielgruppe der Website sind junge Menschen aus Deutschland und der arabischen Welt, die sich hier über ihren Alltag, ihre Lieblingsorte oder ihre Zukunftsvorstellungen austauschen können.

Bis auf die Mitteilungen im Forum erscheinen alle Texte auf Deutsch und auf Arabisch. Gefördert wird das Projekt mit Sondermitteln des Auswärtigen Amtes für den Dialog mit der islamischen Welt, organisiert wird es vom Goethe-Institut in Kairo.

Arabische Studenten in Deutschland

Die Zahl der Rubriken und Unterrubriken ist überschaubar. In "Hier und da leben" stellt der 23-jährige Hany Stuttgart vor. Seine jugendliche Beschreibung von "Stuggi-Town", dem "Stutengarten", das flächenmäßig fast so groß ist wie Kairo und wo man Schwäbisch "schwätzt" ist eine reizende Liebeserklärung an die baden-württembergische Metropole.

Gleiches gilt für Annes Plädoyer für Erfurt und Mustaphas Beschreibung von München.Per Mausklick bekommt man Straßenszenen aus der Münchener Fußgängerzone und dem Talaat-Harb-Platz in Kairo zu sehen.

Sehr einladend ist auch der alternative Rundgang durch Kairo, auf den der 24-jährige Monzer die Besucher von Li-Lak führt: Jenseits der üblichen Sehenswürdigkeiten weist er mit hübschen Fotos auf den Baron´s Palace im Stadtteil Heliopolis oder die Feluke von Onkel Daqaq am Nilufer im Stadtviertel Garden City hin.

Während der Kairoer Buchmesse im Januar fand die Li-Lak-Launch-Party statt, und derzeit tourt das Deutschmobil des Goethe-Instituts durch Ägypten, das neben der deutschen Sprache auch Li-Lak promotet. So liegt es wohl am Standort, dass die meisten Beiträge bisher von jungen Ägyptern kommen.

Geplant sind Li-Lak-Präsentationen der Goethe-Institute in anderen arabischen Großstädten, mit denen die Aufmerksamkeit junger Araber außerhalb Ägyptens auf das Projekt gelenkt werden soll. Um deutsche Jugendliche anzusprechen, denkt man über eine Kooperation mit deutschen Schulen nach.

Fußball, Musik und optimistische Zukunftsaussichten

Noch etwas leer ist die Rubrik "Fußball", in der der 17-jährige Shady über deutsche und arabische Fußballtaktiken sinniert und wo man sein Fachwissen durch ein Quiz überprüfen kann. Li-Lak ist eben noch sehr jung, mehr Fußball-Beiträge werden schon kommen.

Das gilt auch für die Rubrik "Musik", dort kann man gerade den Song "An Tagen wie diesen" der Hamburger Hip-Hop-Band "Fettes Brot" auf Videoclip hören und sehen. In gut gelungener Übersetzung können auch die Araber den Text lesen, der sich witzig und (selbst)kritisch die westliche Wohlstandsgesellschaft vorknöpft. Unter "Li-lakken" kann man bisher ein Städtepuzzle-Memory spielen, weitere Spiele sind fast fertig.

Die meisten Beiträge gibt es in der Rubrik "Thema" – jeden Monat soll ein neues Thema vorgestellt werden. Das erste, "Zukunft", wird ergänzt durch eine interaktive Prognosemessung: Wie blickst du in die Zukunft? Die Mehrheit der Teilnehmer sind Optimisten, wesentlich weniger sind pessimistisch oder unentschieden.

Auch die Beiträge sind überwiegend optimistisch oder realistisch. "Mit den Anforderungen steigen die Leistungen", weiß der 25-jährige Tamer aus Kairo, aber "immer mehr zu wollen und deswegen immer härter an sich zu arbeiten, führt oft dazu, die schönen Kleinigkeiten im Leben nicht wahrzunehmen", daher muss man auch lernen, sich mit etwas zufrieden zu geben.

Die 23-jährige Lisa aus München dachte als Elfjährige, mit zwanzig wisse man, wie das Leben ist und träfe immer die richtigen Entscheidungen. Nun aber stellt sie fest, dass ihr die Zukunft noch immer rätselhaft erscheint, und glaubt, "wirklich erwachsen wird man erst mit 30".

Und Dina aus Kairo, zwanzig Jahre alt, schreibt, "das größte Glück, das mir auf dieser Welt widerfahren kann, ist das Gefühl, von meinen Mitmenschen geliebt zu werden", deswegen möchte sie Moderatorin werden und interessante und nützliche Sendungen machen.

Dialog zum Abbau von Vorurteilen

Im deutschen Forum findet Mohamed aus Kairo die Li-Lak-Website "eigentlich toll, aber es kann besser werden, wenn es ein Live-Chat-Programm" gibt – und er ist nicht der einzige, der sich das wünscht. Auf Deutsch, oft mit hervorragenden Sprachkenntnissen, teilweise mit hinreißenden Fehlern, fordern die Araber, direkt auf die Mitteilungen der Anderen reagieren zu können.

Wie soll denn auch ein Dialog funktionieren, wenn man nicht auf die Mitteilungen antworten kann? Dass die allermeisten Deutschen die Mitteilungen im arabischen Forum nicht verstehen, ist den Arabern klar: dort hat kaum jemand etwas geschrieben.

Daniel Stoevesandt von der Zentrale in Kairo verspricht denn auch, bald seien die technischen Probleme behoben und ein echter Chat möglich. Kontrolliert wird dieser aber doch, damit keine Beleidigungen passieren. Bisher habe man aber nur positive Erfahrungen gemacht.

Auch ein Online-Übersetzer-Workshop ist auf der Li-Lak-Website eingerichtet. Er funktioniert mit der gleichen Software wie die Online-Enzyklopädie Wikipedia: Interessierte können selbst Texte einstellen, an anderen Texten arbeiten oder Korrekturen einfügen.

Wie das – nicht nur, aber eben besonders – bei jungen Leuten so ist, sind die Beiträge meist sehr persönlich und an manchen Stellen widersprüchlich. Wer stringente Texte mit mediengerechten Aussagen erwartet, wird enttäuscht. Alle zeichnen sich aber durch große Offenheit und Ernsthaftigkeit aus. Man würde sie alle gerne kennen lernen.

Vorurteile und verhärtete Fronten sind die Realität, mit der sich die Vermittler eines Dialogs zwischen westlicher und islamischer Welt herumplagen. Wenn sie sich vorsichtig einander nähern, beim Anderen ähnliche Hoffnungen und Vorlieben und Emotionen entdecken können – dann werden die Jungen Konflikte vielleicht besser bewältigen als die Alten.

Stephanie Gsell

© Fikrun wa Fann / Arts and Thought 2006

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