Ein Museum für Immigranten
Bereits im Jahr 1931 lebten in Frankreich drei Millionen Einwanderer - heute beläuft sich deren Zahl auf 4,3 Millionen. Ihnen und ihren Vorfahren wird Frankreich nach langen Diskussionen ein Museum widmen, das voraussichtlich 2007 eröffnet werden soll.
Museé de l´immigration
"Wir müssen den Beitrag der Einwanderer zum Aufbau Frankreichs, seines Volks und seiner Nation anerkennen", erklärte Frankreichs Premierminister, Jean-Pierre Raffarin, der dieses Projekt von seinem sozialistischen Vorgänger Lionel Jospin übernommen hat.
Das Einwanderungsmuseum wird in den Jugendstil-Palast der Porte Dorée im 12. Arrondissement in der Nähe des Pariser Stadtwaldes Bois de Vincennes ziehen. Dort befand sich bis vor wenigen Monaten noch das Museum für afrikanische und ozeanische Kunst. Im Musée de l'immigration, so der offizielle Name, sollen Fotoausstellungen, Kolloquien und Filmvorführungen stattfinden.
Einwanderungsland Frankreich
Die Idee zu diesem sieben Millionen Euro teuren Projekt entstand vor 15 Jahren und geht auf verschiedene Vereinigungen, Historiker und Soziologen zurück. Frankreich zähle 22 Holzschuhmuseen, doch habe es immer noch kein Einwanderungsmuseum, bemerkte einst sarkastisch der Historiker Pascal Blanchard und wies auf das Beispiel der Amerikaner und ihres berühmten Ellis Island Museums im Hafen von New York hin.
Das Immigranten-Museum komme Jahrzehnte zu spät, kritisierte Blanchard. Frankreich versteht sich traditionell als Einwanderungsland. Statistiken zufolge hat jeder fünfte Franzose einen Vorfahren ausländischen Ursprungs.
"Dieses Museum soll bewusst machen, dass die Einwanderer Teil unserer Gesellschaft sind. Es geht darum zu zeigen, wie sich die Nation seit zwei Jahrhunderten dank des Beitrags der Einwanderer entwickelt hat. Frankreich ist eine Zivilisation, die all diese Kulturen integriert, aufgenommen und vermischt hat", sagte Jacques Toubon, ehemaliger Kulturminister und Leiter des Projekts.
Schwierigkeiten gab es bei den Vorbereitungen genug. "Die Finanzierung, aber auch der pädagogische Ansatz lösten heftige Diskussionen aus. Wir müssen jegliche Selbstgeißelung vermeiden, aber auch jede Verherrlichung und Schöntuerei", meinte Toubon weiter.
Die goldene Tür
Im Mittelpunkt der Ausstellungen sollen die verschiedenen Perioden, von 1820 bis zur Gegenwart, stehen. Dabei geht es um die Beziehungen zwischen den Einwanderern und Frankreich, insbesondere der staatlichen Verwaltung und der Wirtschaft. Außerdem werden Einwanderer, die Fragen zu ihrer Herkunft haben, die Einbürgerungsdateien einsehen können.
Für heftige Debatten sorgte im Vorfeld das gewählte Domizil des Museums. Denn das 1931 errichtete Palais der Porte Dorée diente zuerst als Museum der Kolonien, bevor es das Museum für afrikanische und ozeanische Kunst beherbergte.
Als "enorme Dummheit" wurde denn auch die Standortwahl bezeichnet. Auch Raffarin ist sich der heiklen Symbolik des Ortes bewußt: "Ich hätte zögern können. Ich habe es nicht gemacht. Frankreich muss zu seiner Geschichte stehen und vor allem zu seiner Geschichte der französischen Kolonialisierung." (nak)
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