Petra Dünges, 8. Januar 2004
zu: Übersetzungen als Zerrbilder des Westens?, von Samir Grees
Sehr geehrter Herr Grees,
in Ihrem sehr lesenswerten Artikel über die Übersetzung arabischer Bücher fanden Sie lobende Worte für zwei von Nagi Naguib übersetzte berühmte Werke der arabischen Literatur, nämlich zu "Hausboot am Nil" von Nagib Mahfuz und
"Die Öllampe der Umm Hashim" von Yahya Haqqi. Ich möchte hinzufügen, dass beide Bücher bei dem Verlag Edition Orient in Berlin erschienen sind, die "Öllampe" sogar in einer zweisprachigen arabisch-deutschen Ausgabe.
Sie schreiben, dass trotz aller berechtigten Kritik an einzelnen Übersetzungen viele Übersetzer "mit viel Liebe und Geschick" ihre Arbeit tun und dass sie "nicht gerade fürstlich dafür bezahlt werden".
Das mit der Liebe und der nicht gerade fürstlichen Bezahlung kann ich aus eigener Erfahrung leider nur bestätigen. Ich habe vor einigen Jahren zwei schöne moderne Kunstmärchen für Kinder ausfindig gemacht und sie dann übersetzt. Zum Glück war ich auf den Lohn für die Übersetzung finanziell nicht angewiesen, sonst hätte ich mir diesen "Luxus" ganz sicher nicht leisten können. (...)
Leider haben Buchhandlungen solchen Büchern gegenüber oft Vorbehalte. "Das Buch wirkt zu fremd", "die Bilder sind zwar schön, aber sehr ungewohnt". Daher wagen sie es oft nicht, solche Bücher auszustellen - wie sollen sie dann aber verkauft werden? Und wenn sie nicht verkauft werden, wie soll der Verlag Geld für eine vernünftige Bezahlung der Übersetzer bekommen? Und wenn die Übersetzer nicht vernünftig bezahlt werden, woher sollen dann qualitativ hochwertige Übersetzungen kommen?
Aber nicht nur Buchhandlungen, sogar manche Verlage, die zweisprachige Bücher im Programm haben, haben ihre Vorbehalte. Als ich einen Verlag für eine arabisch-englische Version dieses Kinderbuches suchte, habe ich einmal zu hören bekommen: "Das Buch ist zu arabisch".
Soll ich vielleicht statt eines "fremden", "ungewohnten", "zu arabischen" Buches lieber ein "bekanntes" "gewohntes" "unarabisches" aus dem Arabischen übersetzen?
Allerdings haben Kinder mit diesem "fremden" "ungewohnten" "zu arabischen" Buch gar keine Probleme: es macht ihnen einfach Spaß! Das habe ich gesehen, als ich einmal in einer Grundschule eine Lesung gemacht habe. Kinder haben eben noch nicht so viele Scheuklappen wie erwachsene.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Dünges