Ein eigenständiger Sound

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Die üMusiker Kazim Calisgan und Andreas Heuser haben eine deutsch-orientalische Jazz-Big-Band gegründet, das "Transorient Orchestra". Und sie initiieren in Essen das erste Sufifest mit Theater und Musik.

Von Martina Sabra

Wenn 19 Musikerinnen und Musiker aus der Türkei, aus Deutschland, aus dem Iran, aus Indien und Tunesien gemeinsam musizieren, dann kann dabei alles Mögliche herauskommen: aufregende neue Musik oder aber ein belangloser Klangteppich.

Der Dortmunder Profimusiker Andreas Heuser und sein langjähriger Kollege, der türkischstämmige Bochumer Musiker und Theatermacher Kazim Calisgan, haben die Herausforderung angenommen und zumindest fürs Erste bestanden:

Die 2003 von den beiden gegründete Big Band "Transorient Orchestra" verbindet Elemente des Swing-Jazz, erdige Trommelrhytmen, sehnsuchtsvolle Nayflöten und sphärische Saiteninstrumente wie arabische Laute und Saz zu einem vielfarbigen, sehr hörbaren und vor allem eigenständigen Sound, der Lust auf mehr macht.

Das Orchester ist zunehmend gefragt und im Begriff, auch über die Grenzen Deutschlands hinweg bekannter zu werden. "Wir können leider nur selten in voller Besetzung spielen", erklärt Andreas Heuser, "denn alle Musiker arbeiten auch in anderen Projekten, und es ist ziemlich schwierig, alle zu einem Termin auf die Bühne zu bekommen."

"Handgemachte Musik"

Obwohl die meisten Stücke des "Transorient Orchestra" orientalischen Ursprungs sind, klingt die Musik wenig ornamental. Der Gesamteindruck ist eher ruhig und flächig. Die orientalischen Trommeln, Flöten und Saiteninstrumente dienen nicht als akustische Dekoration, sondern liegen gleichauf mit den westlichen Instrumenten wie Trompete und Saxophon, Gitarre und elektrische Violine.

Für die Arrangements ist Andreas Heuser zuständig. Der studierte Musikwissenschaftler hat bis vor kurzem als Musiklehrer gearbeitet.

"Auf jeden Fall ist es handgemachte Musik", sagt Heuser, "keine Loops, nichts am Computer Vorprogrammiertes. Uns ist es sehr wichtig, nicht irgendwelchen Trends hinterherlaufen, sondern die Musik zu machen, die uns gefällt. Es darf nicht zu glattgebügelt sein."

Fruchtbare Freundschaft

Heuser und Calisgan kennen sich seit fast 20 Jahren. Ende der achtziger Jahre spielten die beiden zusammen in der Bochumer Multi-Kulti-Band E5, genannt nach der gleichnamigen Autobahn, über die man über den Balkan bis nach Istanbul fuhr.

Die Band "E5" gibt es längst nicht mehr, doch die Freundschaft zwischen Heuser und Calisgan hatte Bestand und trug reiche musikalische Früchte. In den neunziger Jahren gründeten die beiden das Ensemble "Nefes in Motion", sie traten aber auch als Duo auf. Im Jahr 2003 folgte das "Transorient Orchestra", "unser bislang größtes und ehrgeizigstes Projekt", so Kazim Calisgan.

Anfang 2006 erschien die erste CD der Big Band, mit dem Titel "Karadeniz", "Schwarzes Meer". Das Schwarze Meer ist hier nicht nur als geographische Verbindung gedacht. Der Name soll auch unterstreichen, dass die islamische und die westliche Welt eng miteinander verbunden sind.

Beziehung zur Mystik

Eins der Stücke auf der CD ist eine Hommage an Pir Sultan Abdal, einen berühmten türkisch-islamischen Sufi-Mystiker. Der Sufismus, die islamische Mystik, wird von vielen Aleviten in der Türkei als eine liberale Alternative zum fundamentalistischen Islam gesehen – nicht zuletzt, weil er im Gegensatz zum orthodoxen Islam der Rechtsgelehrten für die Schönen Künste, die Poesie und die Musik offen ist.

​​"Mein Großvater war zwar ein alevitischer Geistlicher, aber ich selbst bin nicht religiös", erzählt Kazim Caliskan. Aber er schätze die humanistische Weltanschauung der islamischen Mystiker.

"Über die Mystik kann man Musik und Kunst machen. Das ist der mystische Weg des Islam, wo der Mensch im Vordergrund steht und wo davon ausgegangen wird, dass der Mensch gut ist und richtig entscheidet - also völliges Vertrauen in den Menschen."

Martina Sabra

© Qantara.de 2006