Politisches Unwetter in Iran
Am Donnerstag (22.1.) gab es schwere Zusammenstöße zwischen demonstrierenden Reformern und Islamisten. Grund war erneut der Ausschluss von Kandidaten von der anstehenden Wahl. Wie steht es um die Demokratie im Iran?
Irans stellvertretender Außenminister, Mohsen Aminzadeh, macht sich Sorgen um das Image seines Landes: Die Disqualifizierung der über 3.600 Kandidaten von den Ende Februar geplanten Parlamentswahlen stelle im Ausland den demokratischen Charakter des Iran in Frage und sie habe negative Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen des Landes.
Wahl wird zur Auswahl
Solche Mahnungen sind bisher ohne Wirkung geblieben bei den Hardlinern des Wächterrats, die fast die Hälfte aller Kandidaten von ihrer Liste gestrichen hatten – darunter auch Abgeordnete, die heute im "Majlis" sitzen, dem iranischen Parlament. Der Wächterrat ist bisher nur in 200 Fällen dem Rat des "Obersten Führers", Ayatollah Ali Chamenei, gefolgt und hat die Disqualifizierung rückgängig gemacht. Die vielen anderen werden sich wohl weiter in Geduld üben müssen. Wobei fest steht, dass es für die meisten von ihnen wohl keine Revision des Wahlausschlusses geben dürfte.
Die "Wahl" sei deswegen zu einer Auswahl geworden, klagen reformorientierte Abgeordnete und werfen den Konservativen vor, dass sie die Auswahl träfen und nur konservativ orientierte Kandidaten zuließen. Hiermit werde das System der Wahlen selbst untergraben und ausgehöhlt und es werde immer unwichtiger, überhaupt an diesen Wahlen teilzunehmen.
Enttäuschung beim Volk
Schon Monate vor den nun gemaßregelten Reformpolitikern waren weite Kreise der Bevölkerung zu eben diesem Schluss gekommen: Hatten sie in den Jahren seit 1997 zunächst Präsident Chatami und dann dessen Reformbewegung zu überwältigenden Wahlerfolgen verholfen, so war die Begeisterung in der Folge doch immer weiter zurückgegangen.
Der Grund: Die Wähler mussten erkennen, dass Mehrheiten im Iran nicht unbedingt die Entscheidungen treffen und die Grundlage jedes demokratischen Systems deswegen hier nicht zur Anwendung kommt. So hat Präsident Chatami in seinen zwei Amtsperioden unter dem Druck der Konservativen auf eine Reihe wichtiger Mitstreiter verzichten – unter ihnen auch einige Minister – und so hat er diverse Reformpläne zwar im Parlament einbringen lassen, aber sie wurden anschließend von den Konservativen wieder kassiert.
Wächterrat als Kontrollinstanz
Dies ist systembedingt im Iran und nicht einmal erst ein Produkt der "Islamischen Republik": Schon unter dem Schah gab es einen Rat von Geistlichen, der Gesetzentwürfe daraufhin überprüfen sollte, ob sie mit der Religion und der Lehre des Koran konform gehen. Mit der Islamischen Revolution aber wurde dieses Kontrollrecht noch deutlicher festgeschrieben: Der Wächterrat setzt sich aus zwölf Mitgliedern zusammen, von denen sechs vom Obersten Führer ernannt werden und die anderen sechs von der Justiz, die dem Führer freilich eng verbunden ist.
Dieses erzkonservative Forum kann nun jeden Ansatz zu Reform hintertreiben. Erst, wenn es zu offenen Streitigkeiten kommt, kann ein Vermittlungsausschuss eingreifen, der allerdings – heute unter der Führung des ehemaligen Präsidenten Rafsanjani – selbst zum konservativen Lager gehört.
Vor der Wahl Chatamis und den ersten Siegen der Reformer war den Iranern diese trickreiche Verschachtelung gar nicht erst aufgefallen, weil sie ohnehin von Konservativen regiert und im Parlament von Konservativen vertreten wurden. Nachdem sie nun aber etwas Morgenluft gewittert hatten, wollten die Iraner die ihnen zur Verfügung stehenden demokratischen Einrichtungen auch wirklich nutzen. Das aber war und ist ihnen verwehrt.
Niedrige Wahlbeteiligung
Der Frust über diesen Missstand führte im vergangenen Jahr bereits dazu, dass bei Gemeinderatswahlen wegen extrem niedriger Beteiligung fast überall konservative Kandidaten gewählt wurden. Und für die Parlamentswahlen am 20. Februar zeichnete sich eine ähnliche Entwicklung ab. Allerdings gab es noch Stimmen, die meinten, im letzten Moment würden die Wähler dann wohl doch an die Urnen gehen, um einen Sieg der Konservativen zu verhindern, und manche Erzkonservative mögen eben dies befürchtet haben und griffen deswegen zum Ausschlussverfahren für reformorientierte Kandidaten.
Solche Willkür hat zwar die Solidarität mit den Reformern wieder etwas gefestigt, aber nicht unbedingt den Willen, an den Wahlen teilzunehmen. Es gibt sogar Kritiker, die den Reformern jetzt vorwerfen, sie hätten sich vor anderthalb Jahren nicht mit den demonstrierenden Studenten solidarisiert und sie seien nur dann zum Protest bereit, wenn es um ihre eigenen Interessen gehe. Auf jeden Fall aber ist man kritisch gegenüber dem System und frustriert darüber, dass man dieses System nicht nutzen kann – über Wahlen und Mehrheiten - , um es dann zu demokratisieren und zu liberalisieren.
Peter Philipp
©DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE