Wolf D. Ahmed Aries, 3. Juni 2006
zu: "Wir Muslime haben keine Kirche!", Interview Abdullah Ahmed An-Na'im
Sehr verehrte Damen und Herren,
im Rahmen Ihres Interviews mit Herrn An-Nai'im fragten Sie ihn nach seiner Meinung zu den Bemühungen der deutschen Muslime, einen Dachverband zu gründen. Er lehnte diesen Ansatz scharf ab und plädierte für "totale Bürgerbeteiligung". Dabei verwies er auf die Gefahr der Klerikalisierung. Da Herr Professor An-Na'im sich in den deutschen Rechtsstrukturen und ihrer Normensetzung nicht auskennt, so dass er zum deutschen Religionsverfassungsrecht oder gar Staatskirchenrecht kaum etwas zu sagen vermag, er jedoch eine islamisch juristische Autorität darstellt, muss ihm an dieser Stelle widersprochen werden.
Weder der "Islamische Weltkongress" (mutamar al-alam al-islami), noch die "Organisation der Konferenz Islamischer Staaten" haben zu einer Klerikalisierung geführt. Sie bündelten jedoch die Meinungen des sozialen Diskurses bzw. stellten ein Forum für den Diskurs dar. So wird auch der jetzige föderale Ansatz mit der Konstruktion einer Bundesrepräsentanz im Stil der EKD nicht zur Klerikalisierung führen. Auch die schon bestehenden islamischen Verbände haben nie eine solche unislamische Tendenz entwickelt. Und kein Verein zum Unterhalt einer Gebetsstätte bzw. Moschee versuchte jemals die Meinungsvielfalt seiner Mitglieder zu kanalisieren.
Die seit Herbst 1979 andauernden Gespräche zur "Anerkennung" der Muslime als einer Religionsgemeinschaft haben über mehrere Prozesse, höchst richterliche Entscheidungen und mehrere juristische Fachtagungen zu dem nun verfolgten Ansatz einer föderalen Struktur mit einer Bundesrepräsentanz geführt. Etwas anderes gibt der vorhandene Rechtsrahmen nicht her. Die von Professor An-Na'im geforderte "totale Bürgerbeteiligung" hat uns u.a. in die gegenwärtige Sackgasse geführt und nicht aus ihr heraus.
Mit freundlichen Grüßen!
Wolf D. Ahmed Aries