Sieg der Konservativen

Der Ex-Chefredakteur des indonesischen Playboy-Magazins muss wegen "Sittlichkeitsvergehen" für zwei Jahre ins Gefängnis. Dabei gehörte Indonesiens Presse seit dem Sturz des Diktators Suharto zu den freiesten in Asien. Von Anett Keller

Studenten in Jakarta auf einer Anti-Playboy-Demonstration; Foto: AP
"Immer wieder gefährden die Schatten der Vergangenheit, aber auch neue Bedrohungen eine freie Berichterstattung in Indonesien", schreibt Anett Keller.

​​ Als 2006 die erste lokale Ausgabe des Playboy-Magazins in Indonesien erschien, machte sie weltweit Schlagzeilen. Die Publikation wurde als Test für die Toleranz im mehrheitlich muslimischen Land gesehen. Gleichzeitig zeigten sich internationale Kommentatoren enttäuscht – das Blatt enthielt keine einzige Aktaufnahme und schien daher nicht provokant genug zu sein.

Dem konservativen Lager im Land reichte hingegen, was es (nicht) sah: Seit vergangenem Samstag sitzt Erwin Arnada, der ehemalige Chefredakteur des Playboy, im Gefängnis. Zwei Jahre Haft wegen "Sittlichkeitsvergehen" fand das Oberste Gericht in Jakarta angemessen für die publizistische Tätigkeit Arnadas.

Die Klage gegen den Journalisten hatte die radikalislamische Front zur Verteidigung des Islam (FPI) angestrengt, die immer wieder mit gewalttätigen Übergriffen Schlagzeilen macht. Bereits unmittelbar nach Erscheinen des Magazins bedrohte die FPI die Redaktion derart, dass diese es vorzog, auf die mehrheitlich hinduistische Urlauberinsel Bali umzusiedeln. Inzwischen ist das Magazin eingestellt.

Für Arnadas Verteidiger, den prominenten Medien-Anwalt Todung Mulya Lubis, ist das Urteil ein Angriff auf die Pressefreiheit Indonesiens: "Es ist nur eine Frage der Zeit, bevor andere Redakteure wegen ähnlicher Gründe kriminalisiert werden. Das Urteil wird ein Klima der Angst und Selbstzensur schaffen", erklärte Todung im Interview mit Qantara.de.

Erwin Arnada zeigt zwei Ausgaben des Magazins 'Playboy'; Foto: AP
Der ehemalige Chefredakteur der indonesischen Ausgabe des Playboy, Erwin Arnada, wurde wegen "Sittlichkeitsvergehen" zu zwei Jahren Haft verurteilt. "Das Urteil wird ein Klima der Angst und Selbstzensur schaffen", erklärte Arnadas Anwalt Todung Mulya Lubis.

​​ Der Anwalt, der ein Revisionsverfahren beantragt hat, bemängelt vor allem, dass die Richter im Fall Arnada die Paragrafen des Strafrechts angewendet haben und nicht die des Presserechts.

Schatten der Vergangenheit

Einen "Weckruf für alle, die sich um Indonesiens Freiheit und Demokratie sorgen", nannte die Jakarta Post das Urteil. Es zeige, wie weit die Konservativen inzwischen ihren Einfluss in der Justiz des Landes ausgebaut haben. "Das Oberste Gericht ist momentan streng unter Kontrolle der Konservativen", urteilte die auflagenstärkste englischsprachige Zeitung Indonesiens.

Indonesiens Presse gehört seit dem Demokratisierungsprozess, der 1998 nach dem Sturz des Diktators Suharto einsetzte, zu den freiesten in Asien. Doch immer wieder gefährden die Schatten der Vergangenheit, aber auch neue Bedrohungen eine freie Berichterstattung.

Ehemaliger indonesischer Staatspräsident Haji Mohamed Suharto; Foto: AP
Mit dem Einsetzen des Demokratisierungsprozess unmittelbar nach dem Sturz des indonesischen Diktators Suharto 1998 wurde die indonesische Presse eine der freiesten in ganz Asien.

​​ Neben der Dominanz von völlig veralteten und drakonischen Strafrechtsparagrafen bei der Behandlung von Klagen gegen Medien sehen sich die Berichterstatter verstärkt physischer Gewalt ausgesetzt.

Drei Journalisten wurden in diesem Jahr wegen oder während der Ausübung ihres Berufes getötet. Die Vereinigung unabhängiger Journalisten AJI zählte allein bis August 2010 40 Fälle von Gewalt gegen Journalisten – im Vergleich zu 38 im gesamten Jahr 2009. Im jährlichen Ranking zur Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen, wo Indonesien schon jetzt den für eine Demokratie unrühmlichen Platz 101 (von 175) einnimmt, dürfte sich das Land mit dieser Bilanz wohl nicht nach vorn bewegen.

Hoffnungsschimmer am Verfassungsgericht

Diese Woche hielt indes auch einen Hoffnungsschimmer bereit. Am Mittwoch urteilte das Verfassungsgericht, dass ein aus den 1960er Jahren stammendes Gesetz, mit dessen Hilfe die Generalstaatsanwaltschaft wiederholt unliebsame Bücher verboten hatte, nicht verfassungskonform sei. Historiker, Autoren und Menschenrechtsaktivisten jubelten.

Doch dies als einen Beweis zu sehen, dass sich das Verfassungsgericht nicht dem Einfluss von Konservativen beugt, greift zu kurz. Geht es um religiöse Fragen, sieht die Realität offenbar anders aus.

Erst kürzlich erklärten die Hüter des Grundgesetzes – nach erheblichen Bedrohungen durch die Anhänger diverser radikalislamischer Organisationen - ein umstrittenes Blasphemiegesetz, das die Abweichung von den sechs anerkannten Religionen in Indonesien bzw. von einer von der Mehrheit vertretenen Auslegung dieser Religionen als Blasphemie unter Strafe stellt, für verfassungskonform.

Anett Keller

© Qantara.de 2010

Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de

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