Konfiszierte Klänge des Westens

Westliche Popmusik zu hören, ist im Iran verboten. Jährlich fängt der iranische Zoll hunderte Musik-CDs in Brief- und Paketsendungen ab und zerstört sie. Doch der Schwarzmarkt boomt.

CD-Laden im Iran, Foto: AP
CD-Laden im Iran

​​Offiziell ist der Iran eine Pop-freie Zone. Nur "Queen" darf als einzige westliche Rockband seit September 2004 legal gehört werden. "Der Titel 'We Will Rock You' kann ja auch als Kampfhymne gegen die Amerikaner benutzt werden.

Vielleicht haben das die Mullahs ja deshalb legalisiert", mutmaßt ein Teheraner CD-Verkäufer über die Gründe der Legalisierung. Vielleicht spielte aber auch eine Rolle, dass der 1991 an AIDS gestorbene Leadsänger Freddie Mercury persischer Abstammung war.

Illegaler Schattenmarkt

Auf dem Schwarzmarkt kann man allerdings die meisten europäischen oder amerikanischen Hits trotzdem kaufen. Der Handel mit Raubkopien ist ein höchst lukratives Geschäft.

So verkauft zum Beispiel Madschid (Name geändert) täglich zwischen achtzig und hundert CDs - für umgerechnet 1,20 Euro pro Stück. Monatlich verdient er damit etwa 2.000 Euro. Das ist zehn Mal mehr als ein durchschnittlicher iranischer Arbeitnehmer erhält.

Madschids Tarnung ist perfekt: Mit dem Laptop-Koffer in der einen und einer unverdächtigen Einkaufstasche in der anderen Hand, mit seiner Brille und den zum Zopf gebundenen Haaren, sieht er eher aus wie ein Doktorand, nicht wie ein Krimineller mit 500 Raubkopien im Gepäck.

Seit zehn Jahren ist der 39-Jährige im Geschäft. Die Original-CDs bezieht er von einem Dutzend Händlern, die die neuesten Pop-Alben über die iranische Grenze schmuggeln. Täglich produzieren die drei Computer in seiner "Werkstatt" rund dreihundert Kopien.

Preiswerte Raubware

Mit seiner "Ausrüstung" besucht Madschid seine Kundschaft im wohlhabenden Norden Teherans. Hinter verschlossenen Wohnungs- und Bürotüren versorgt er regelmäßig knapp hundert Kunden mit den neuesten Alben iranischer Exil-Gruppen oder westlicher Pop-Bands.

Zurzeit gehören die Pop-Sängerin Lara Fabien und die verbotene iranische HipHop-Gruppe Sandy zu den Top Ten auf seiner Verkaufsliste. "Madschid ist unser kultureller Botschafter, ohne ihn wüssten wir nicht, was im Ausland in Sachen Film und Musik so vorgeht", sagt der 27-jährige Aram aus dem Norden von Teheran.

"Meine Kunden kaufen auch CDs von legalen iranischen Musikgruppen, ganz einfach, weil meine Kopien viel billiger sind als die Originale in den Geschäften", erklärt Madschid. "Für die CDs müsste ich in Deutschland über 15 Euro bezahlen, das kriege ich hier für nicht mal 1,50 Euro", rechnet einer seiner deutschen Kunden vor.

"Ich habe früher die CDs im Ausland für fast 20 Dollar gekauft, und sie in meiner Unterwäsche versteckt, damit die Zollleute am Flughafen sie nicht finden konnten. Jetzt aber kriege ich sie problemlos über Madschid, und das noch zum Zehntel des Preises im Ausland", berichtet die 25-jährige Perserin Faranak.

Der illegale Geschäftsmann beliefert sogar zehn Plattenläden, die dann selber Kopien produzieren und sie teuer unter der Ladentheke verkaufen. Ein Schneeballsystem.

Rechtlicher Eiertanz

Angst vor Strafe hat Madschid nicht. "In Iran lässt sich glücklicherweise vieles mit Geld lösen", weiß er. Drei Mal hat ihn die Polizei bisher gefasst. Für umgerechnet 100 Euro konnte er sich und sein konfisziertes Auto jedes Mal freikaufen, wie er erzählt. Weil außerdem das Urheberrecht im iranischen Rechtssystem nicht gesetzlich verankert ist, liegt das Ausmaß der Strafe ganz im Ermessen des Richters.

Im schlimmsten Fall hätte der 39-Jährige mit einem Monat Gefängnis zu rechnen. "Bisher bin ich aber immer an kooperative Polizisten und Richter geraten, so dass es gar nicht erst zur offiziellen Anklage kam."

Madschid ist verheiratet und hat einen kleinen Sohn. "So wie ich haben sich viele illegale Händler an ihren Job gewöhnt und führen ein ganz normales Leben. Weil vieles verboten ist, läuft der Schwarzmarkt gut: Musik, Filme, Alkohol. Das System lässt uns keine andere Wahl."

Seinen früheren Job als Videofilmer auf Hochzeiten musste er aufgeben, weil ihn die Polizei bei Razzien auf Hochzeitsfeiern, auf denen verbotenerweise getanzt und Alkohol getrunken wurde, immer wieder verhaftet hatte und er zu Geldstrafen verurteilt wurde. "Sollte dieses Land irgendwann freier sein, möchte ich wieder als Fotograf arbeiten."

Katrin Matthaei

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004