„Ich hatte Angst, nicht lustig zu sein“
Qantara: Du kamst vor drei Jahren nach Paris und trittst heute regelmäßig auf Französisch, Englisch und Arabisch auf. Wie hast du deine Show an die neue Sprache und an das Publikum in Paris angepasst?
Mustafa Jorry: Eine ganze Zeit lang hatte ich Angst, auf anderen Sprachen nicht lustig zu sein. Denn lustig sein muss man sich erarbeiten. Ich dachte, ich hätte nicht die Zeit, das alles noch einmal auf einer neuen Sprache aufzubauen.
Das Leben in einem neuen Umfeld konfrontiert einen aber schnell mit neuen Seiten des Humors. Seit ich in Paris angekommen bin, hat sich die Bandbreite der Dinge, die ich lustig finde, vergrößert. Mein Humor funktioniert anders, je nachdem ob ich auf sudanischem Arabisch, für ein allgemein arabisches Publikum, auf Englisch oder auf Französisch Witze mache.
Für das Französische hat es mir sehr geholfen, dass ich 2023 in eine Theaterschule aufgenommen wurde. Dort bin ich der Älteste in meinem Jahrgang und allein der Alltag mit den Jüngeren sorgt dafür, dass ich ihren Humor kennenlerne. Als Comedian muss man nur zuhören und lernt dazu.
Auch für das arabischsprachige Publikum hier in Paris habe ich meine Inhalte neu ausgerichtet. Als ich zum ersten Mal hier in sudanesischem Dialekt performt habe, haben zwar viele gelacht, aber einige vertrauten mir danach an, sie hätten nur die Hälfte verstanden!
Du bist auch Teil eines arabischen Comedy-Kollektivs in Paris, 14De7k. Was ist euer Programm?
Die Gruppe wurde 2023 von zwei Comedians aus Syrien beziehungsweise dem Libanon gegründet. Der Name selbst ist ein Wortspiel im libanesischen Dialekt, es entspricht dem Französischen „mort de rire“ oder auf Deutsch „sich totlachen“. Ich stieß noch im selben Jahr dazu und seitdem konnten wir viel erreichen: Heute sind wir zu fünft und veranstalten jede Woche zwei Shows und eine Open-Mic-Session, mal auf Arabisch, mal auf Englisch.
Inzwischen standen über 50 Comedians auf unserer Bühne, darunter auch nicht-arabische Leute, die aber auf Arabisch Comedy machen. Ich finde das großartig, wenn Menschen aus China, Frankreich oder den USA auf Arabisch lustig sein können.
Ende Januar wirst du gemeinsam mit Bassem Youssef auf der Bühne stehen. Wie habt ihr euch kennengelernt?
Wir haben uns vor zwei Jahren kennengelernt, als Bassem einen Dokumentarfilm über arabische Comedians in Europa drehte. Er kam nach Paris und in diesem Kontext freundete ich mich auch mit der 14de7k-Truppe an. Die Doku ist noch in Arbeit, aber unsere Bekanntschaft lebt jetzt durch seine Europa-Tour wieder auf.
Der Veranstaltungsort hat 2.000 Sitzplätze. Wie bereitest du dich auf so eine Show vor?
Als Comedian ist es ratsam, das Programm unabhängig von dem Publikum vorzubereiten, das man vielleicht erwartet. Ich überlege mir im Vorhinein verschiedene mögliche Abfolgen von Witzen. Ich starte dann mit einem Witz und teste, wie er ankommt. Sind die Reaktionen positiv, mache ich in die Richtung weiter.
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Erwartest du ein überwiegend ägyptisches Publikum?
Ich glaube, Bassems Publikum hat sich enorm verändert und ist heute nicht mehr unbedingt ägyptisch geprägt. Viele Ägypter:innen haben seine Sendung „Al Bernameg“ nach der Revolution sehr geschätzt. 2014 musste er sie aus politischen Gründen einstellen. Für viele seiner alten Fans sind die Sketche seitdem nicht mehr überzeugend. In Paris rechne ich vor allem mit Leuten aus Marokko, Tunesien und Algerien. Ich lasse mich aber auch gerne überraschen!
Ein arabischsprachiges Publikum besteht aus verschiedenen Zielgruppen. Gibt es verlässliche Witze, die alle abholen?
Eine Strategie sind die inner-arabischen Vorurteile. Es gibt 22 arabische Nationen, daraus ergibt sich ein schier unendliches Repertoire an Witzen.
Das ganze Publikum gemeinsam als Araber:innen zu adressieren funktioniert dagegen nicht so gut. Es gibt immer Leute, die diese Idee einer gemeinsamen arabischen Identität ablehnen. Stattdessen beanspruchen einige historische oder vermeintlich ursprünglichere Kulturen für sich: Im Sudan wäre das die nubische Identität, für Libanes:innen ist es das alte Phönizien. Auf mich wirkt das manchmal, als fühlten sie sich damit anderen Araber:innen überlegen – ein guter Aufhänger für Witze!
Eine andere Strategie sind Missverständnisse und Widersprüche zwischen den verschiedenen Dialekten. Im sudanesischen Arabisch verwenden wir das eigentlich universale arabische Wort für Kumin nicht für dieses Gewürz, stattdessen aber für schwarzen Sesam. Ich witzele gern, dass diese Verwechslung wohl auf eine falsche Verpackung zurückgeht. Das ist dann lustig, aber gleichzeitig bringe ich dem Publikum so den sudanesischen Dialekt auch näher.
Neben den Live-Shows hast du deine Karriere vor allem über die sozialen Medien aufgebaut. Wie hat sich deine Follower:innenschaft verändert, seit du in Frankreich lebst?
Mein Publikum wandelt sich ständig und setzt sich immer neu zusammen. Letzten Monat hat mein Account 2.000 Likes verloren und gleichzeitig sind 4.000 neue Follower:innen dazu gekommen. Ich habe da keine Präferenzen, wer mir folgt. Hauptsache, wir können über dieselben Witze lachen und teilen grundlegende Werte.
Im Sudan gibt es Leute, die sich als mein echtes oder ursprüngliches Publikum sehen. Manche von ihnen dachten, sie hätten das Recht mich zurechtzuweisen. Zum Beispiel nachdem ich ein Bild geteilt hatte, auf dem eine Comedy-Kollegin mir bei einer Show die Hand auf die Schulter legt. Diese Leute haben da aber eindeutig was missverstanden.
Wie viele deiner Videos drehen sich aktuell um den Sudan?
Ich habe einige Videos auf Englisch und Französisch hochgeladen, in denen ich versuche, mehr Aufmerksamkeit auf den Krieg im Sudan zu lenken. Es gibt einige Leute, die nicht einmal wissen, wo der Sudan liegt. Diese Inhalte mache ich nicht auf Arabisch, den Leuten muss ich das nicht erzählen.
Andere Videos richten sich eher an meine sudanesischen Follower:innen, ich spreche in meinem Dialekt und gebe nicht so viel Kontext. Letztes Jahr zum Beispiel brach die RSF zum zweiten Mal seit Kriegsbeginn in unser Haus ein. Im Video stellte ich dann die rhetorische Frage, wer ihnen wohl den Schlüssel gegeben hatte. Nur Leute, die den Kontext kennen, verstehen das wirklich und finden das witzig.
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Auf Französisch gibt es ein Sprichwort, das wohl auf den Comedian Pierre Desproges zurückgeht: „Man kann über alles lachen, aber nicht mit jedem.“ Siehst du das auch so?
Desproges sprach hier über Tabus und ja, damit verbinde auch ich Erfahrungen von manchen Live-Shows mit eher konservativen Leuten im Publikum. Einmal hatten wir eine Zuschauerin in der ersten Reihe, sie hielt sich während des Auftritts eines Freundes die Ohren zu – stell‘ dir das mal vor!
Bei einer unserer Shows zu Blasphemie, im Dezember, war es ähnlich. Vier Gäste verließen den Raum, sie fühlten sich von der ersten Minute an beleidigt. Die Show war ausverkauft, insofern fiel es nicht ins Gewicht. Aber trotzdem, das Wort Blasphemie stand in riesigen Buchstaben auf unseren Plakaten!
Ich stimme Desproges also zu, aber würde noch einen anderen Aspekt mit einbringen. Manche Witze rufen in einem Publikum überhaupt keine Reaktion hervor, während ein anderes Publikum denselben Witz als großartig in Erinnerung behält. In gewisser Weise verdiene ich genau damit meinen Lebensunterhalt: Ich wechsle sehr bewusst zwischen den verschiedenen Comedy-Kontexten.
Dieser Text ist eine Übersetzung aus dem englischen Original. Übersetzt von Clara Taxis.
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