Spiel ohne Zuschauer
Am Freitag (14.3.) haben die Iraner nur die Wahl, das ohnehin konservativ dominierte Parlament zu bestätigen oder aber gar nicht erst zur Wahl zu gehen.
Während viele Oppositionelle und Dissidenten ausdrücklich zum Wahlboykott aufrufen, wollen sich dagegen die Reformer um den ehemaligen Staatspräsidenten Mohammad Khatami an den Parlamentswahlen beteiligen, um "mit allen Mitteln den Konservativen das Spiel zu verderben".
Es gebe Verschwörungen, die durch eine hohe Wahlbeteiligung paralysiert werden könnten, sagte Khatami am vergangenen Donnerstag bei einer Versammlung zahlreicher reformorientierten Politiker, deren Kandidatur vom Innenministerium der Regierung Ahmadinedschads bzw. vom Wächterrat abgelehnt wurde.
Ausschluss von Kandidaten unter den Reformern
Für die Parlamentswahlen am 14. März hatten sich mehr als 7500 Kandidaten beworben. Dabei wurde jedoch die Kandidatur der ungefähr 3000 Wahlbewerber bereits vor den Wahlen abgelehnt. Davon sind vor allem die Reformer betroffen. So können die reformorientierten Parteien in der Mehrzahl der gesamten 290 Wahlkreise erst gar nicht vertreten werden.
Im besten Fall können die Reformer eine "starke Minderheitsfraktion" im achten Parlament der Islamischen Republik bilden. Dafür benötigen sie eine hohe Wahlbeteiligung, die viele Experten für eher unwahrscheinlich halten.
Offenkundige Lethargie und Ablehnung
Doch von der erhofften "Euphorie" vor den Wahlen ist nicht viel zu merken. Am 21. März beginnt das neue Jahr im Iran und für viele Familien scheinen ohnehin mit Einkäufen und alltäglichen Problemen – wie die ständig wachsende Inflation im Land – beschäftigt zu sein. Wichtiger jedenfalls als die Parlamentswahlen, bei denen die Sieger sowieso bereits feststehen.
Eine niedrige Wahlbeteiligung bedeutet dabei für die Konservativen einen noch sicheren Sieg. Ihre Anhänger sind gut organisiert und beteiligen sich vor allem aus religiöser Überzeugung am Urnengang. So konnten die Konservativen zum Beispiel bei den Parlamentswahlen vor vier Jahren mehr als zwei Drittel der Stimmen erreichen. Die Wahlbeteiligung lag damals bei weniger als 50 Prozent.
Auch der Präsident Mahmoud Ahmadinedschad verdankte seinen Wahlsieg im Jahr 2005 in erster Linie einer ebenfalls niedrigen Wahlbeteiligung.
Enttäuschte Erwartungen
Die Tatsache, dass die Reformer in den letzten Jahren verpasst hatten, ihre Wahlversprechungen zu erfüllen, führte nicht zuletzt dazu, dass die Mehrheit ihrer Anhänger von Politik enttäuscht worden sind. Mehr als 70 Prozent der Iraner sind jünger als 30 Jahre. Und diese Mehrheit erhoffte sich vergeblich von den Reformkräften mehr Freiheiten und die Öffnung des Landes nach innen sowie nach außen.
Die junge Bevölkerungsmehrheit hat nun kein Interesse mehr daran, Zuschauer eines Spieles zu sein, dessen Ergebnisse schon besiegelt wurden. Vor vier Jahren bezeichnete die inzwischen verbotene Zeitung "Yase No" die Parlamentswahlen als ein "Freiheitsspiel ohne Zuschauer".
In einem WM-Qualifikationsspiel hatte damals die iranische Nationalelf Qatar im Teheraner Azadi-Stadion vor leeren Rängen empfangen. Aber "Yase No" spielte nicht nur auf den enttäuschenden Zuschaueraufmarsch an, sondern auch auf die sehr niedrige Wahlbeteiligung.
Eine Tatsache bleibt: Selbst wenn der Wächterrat die Kandidatur der Reformpolitiker nicht untersagt hätte, hätten diese ihre Wähler kaum mobilisieren können. Außerdem hätten in einem de facto machtlosen Parlament die Reformer ihre Glaubwürdigkeit innerhalb der Bevölkerung vollends verloren.
Kontrollierte Konkurrenz
Für die Konservativen scheinen aber die Wahlen ohne jede Beteiligung der "gemäßigten Reformer" problematisch zu sein. Deshalb hat der Wächterrat einige, vor allem unbekannte und gemäßigte Kandidaten der Reformer, die sich unter anderem um den ehemaligen Parlamentsvorsitzenden Mehdi Karubi scharen, zur Teilnahme an den Wahlen zugelassen, nachdem ihre Kandidatur vom Innenministerium abgelehnt worden war.
Wie der iranische Journalist Akbar Ganji in der Online-Zeitung "Rooz" schreibt, würde die Beteiligung dieser "harmlosen Reformer" lediglich die "religiöse Diktatur" legitimieren. Der völlige Ausschluss der Reformer hätte die Parlamentswahlen vollends zur Farce werden lassen. Immerhin ist der Iran ein Teil der amerikanischen "Achse des Bösen". Teheran könnte ohne Reformer leichter ins Visier der Amerikaner geraten.
Es bleibt mit Spannung abzuwarten, ob die Reformer mit ihrer Beteiligung nur die von den Ayatollahs dringend benötigte demokratische Glaubwürdigkeit des Systems liefern oder ihnen das Spiel verderben, indem sie eine beachtliche Zahl der Parlamentssitze erobern.
Ghasem Toulany
© Qantara.de 2008
Qantara.de
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