"Unnötige Provokation"

Unter den Konservativen im Iran wächst die Kritik an Mahmud Ahmadinejads Vorgehen im Atomstreit. Sogar vorgezogene Präsidentenwahlen werden von manchen gefordert.

Von Ulrich von Schwerin

​​"Ihre Äußerungen zum Atomkonflikt sind aggressiv und keineswegs in schöne Worte gekleidet, so dass sie den Eindruck erwecken, die Diskussion um die Atomfrage werde mit Starrsinn geführt", schrieb im Januar die Zeitung Jomhuri-e Islami in einem offenen Brief an Präsident Mahmud Ahmadinejad.

Sie warf ihm vor, mit unnötigen Provokationen dem Westen einen Vorwand für Sanktionen zu geben. Seine Reden erweckten den Eindruck, so die Zeitung, als wolle er von seinem Versagen in anderen Fragen ablenken. Brisanz verlieh dem Angriff vor allem die Tatsache, dass Jomhuri-e Islami als Sprachrohr von Revolutionsführer Ali Khamenei gilt und nicht besonderer Nähe zum Westen verdächtig ist.

Der Unmut wächst

Während der Westen mit immer schärferen Sanktionen versucht, den Iran zum Einlenken in der Atomfrage zu bringen, wächst im Iran der Widerstand gegen die Regierung. Nicht nur im Lager der Reformer um Mohammed Khatami, der als Vorgänger Ahmadinejads viel zur Öffnung des Landes getan hatte, steht der Radikalislamist in der Kritik.

Auch auf Seiten der Konservativen um den mächtigen Vorsitzenden des Schlichtungs- und des Expertenrates, Hashemi Rafsanjani, wächst der Unmut. Die der Wirtschaft nahestehende Gruppe drängt auf Aussöhnung mit dem Westen, um Zugang zu den dringend notwendigen Investitionen zu erhalten. Sanktionen sind nicht in ihrem Interesse.

Ein Abgeordneter der Opposition, Waliollah Shoja Purian, nutzte im April eine öffentliche Parlamentsdebatte zur Generalabrechnung mit der Regierung. Er warf ihr vor, das unter Khatami erworbene Ansehen ebenso verspielt zu haben wie die zu ihrem Amtsantritt stabile Wirtschaftslage.

Purian fragte, wie es möglich sei, dass Khatami trotz aller Widerstände, denen er von Seiten der Konservativen ausgesetzt war, ein Wachstum von 7,5 Prozent erreicht habe, während Ahmadinejad trotz seiner soliden Mehrheit keine der notwendigen Reformen umgesetzt habe, sondern die Inflation anheize und die heimische Produktion durch den Import von Konsumgütern ruiniere.

Versagen in der Wirtschaftspolitik

Wegen der massiven Preissteigerung ist die Bevölkerung zunehmend enttäuscht vom Präsidenten. Es war vor allem die städtische Unterschicht und die verarmte Landbevölkerung, die ihn im Juni 2005 gewählt hatte, da er ihnen eine gerechtere Verteilung der Öleinnahmen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze versprochen hatte.

Doch sofern er überhaupt versucht hat, diese Versprechen umzusetzen, ist er am Widerstand der Konservativen gescheitert, die vom bestehenden korrupten System profitieren. Auch wenn die Unnachgiebigkeit des Präsidenten im Atomstreit vielfach auf Zustimmung stößt, ist die Bevölkerung doch nicht bereit, ihm sein Versagen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik nachzusehen.

Bei den Kommunalwahlen im Januar hat sie seine Partei hart abgestraft, während Konservative und Reformer zusammen vielerorts die Mehrheit der Stimmen gewannen. Khatami, Rafsanjani und der frühere Parlamentspräsident Mehdi Karrubi haben ihre eigenen Differenzen vorübergehend zurückgestellt und sich gegen die Regierung zusammengeschlossen.

An einem Treffen, zu dem die drei Führer im April eingeladen hatten, nahmen mehr als hundert Abgeordnete teil. Viele von ihnen fordern, die Präsidentenwahlen vorzuziehen und mit der Parlamentswahl zusammenzulegen. Sie hoffen, so nicht nur die Amtszeit Ahmadinejads abzukürzen, sondern auch seine Wiederwahl zu verhindern.

Die kurzzeitige Inhaftierung des früheren Atomunterhändlers Hossein Moussavian Anfang Mai, der wiederholt die Verhandlungsführung der Regierung in der Atomfrage kritisiert hatte, zeigt ihre wachsende Nervosität.

Der Iranexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Johannes Reissner, sieht darin den Versuch, andere Kritiker einzuschüchtern. Ob dies gelingt, ist allerdings fraglich, denn Ahmadinejad verliert zusehends die Unterstützung des eigenen Lagers.

Die offene Ermahnung des Revolutionsführers, er möge sich doch auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren, sowie die schwindende Unterstützung der Wähler könnten seine atomaren Ambitionen besser bremsen, als alle Sanktionsdrohungen des Westens.

Ulrich Schwerin

© Café Babel 2007

Qantara.de

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