Hoffnungsvolle Signale für die gesamte Region

Die Einigung der libanesischen Konfliktparteien in Doha, die Wahl eines Präsidenten im Libanon sowie die Friedensverhandlungen zwischen Syrien und Israel geben Anlass für Optimismus in der Krisenregion Nahost. Hierüber hat sich Abed Othman mit Volker Perthes unterhalten.

Die jüngste Einigung der libanesischen Konfliktparteien in Doha, die Wahl eines Präsidenten im Libanon sowie die Friedensverhandlungen zwischen Syrien und Israel unter türkischer Vermittlung geben Anlass für neuen Optimismus in der Krisenregion Nahost. Hierüber hat sich Abed Othman mit dem Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, unterhalten.

Straßenschild auf den Golanhöhen; Foto: AP
Positive Signale: Israel und Syrien unternehmen einen neuen Anlauf zur Lösung ihrer Kernstreitfrage: der Rückgabe der 1967 von Israel besetzten und 1981 annektierten Golan-Höhen.

​​Welche Faktoren haben eine wesentliche Rolle gespielt, damit eine Einigung der libanesischen Parteien in Doha überhaupt zustande kommen konnte?

Volker Perthes: Ich glaube, die Krise war so tief, dass man auf allen Seiten gewusst hat, dass eine Einigung notwendig ist, wenn man das Land, den Staat nicht riskieren will. Die militärischen Auseinandersetzungen vor zwei Wochen in den Straßen Beiruts haben allen Seiten gezeigt, wie gefährlich die Lage ist. Insofern hat man die arabische Vermittlung angenommen, wie schon einmal zum Ende des großen Bürgerkrieges 1989, als die saudische Regierung in Taif dazu beigetragen hat, dass die libanesischen Parteien sich einigen.

Gibt es einen Zusammenhang dieser Einigung mit der Fortsetzung der israelisch-syrischen Verhandlungen in der Türkei?

Perthes: Alles hängt im Nahen Osten irgendwie mit allem zusammen. Und hier gibt es zumindest insofern einen indirekten Zusammenhang, als die syrische Seite ein Interesse daran hat, dass sie mit Israel früher oder später ein Abkommen schließt über die Rückgabe der besetzten Golan-Höhen an Syrien.

Man sieht hier gerade eine Möglichkeit, mit Hilfe der Türkei mit den Israelis zu verhandeln. Und wir können davon ausgehen, dass wenn Syrien tatsächlich seine legitimen Rechte, nämlich die Rückkehr des Golan gegenüber Israel durchsetzen kann, dass es sich dann selber konstruktiver gegenüber dem Libanon verhält. Vielleicht haben wir hier ein erstes Anzeichen dafür gesehen, dass auch Syrien diese Einigung von Katar unterstützen will."

Ist damit eine baldige Rückgabe der Golanhöhen an Syrien zum Greifen nahe?

Perthes: "Inshallah" – "so Gott will", wie man hierzu auf Arabisch sagen würde. Ich hoffe, dass sie sie bald zurück bekommen werden. Darauf kann man sich allerdings nicht verlassen, denn das hängt von vielen Dingen ab – auch von der Fähigkeit der israelischen Regierung, ein eventuelles Abkommen tatsächlich umzusetzen. Ich glaube aber, dass die Syrer früher oder später die Golan-Höhen zurück bekommen – genau wie Ägypten den Sinai zurück bekommen hat.

Halten sie die Einigung der libanesischen Parteien für eine tragfähige Lösung? Und was geschieht mit der Hisbollah?

Perthes: Darüber, was mit der Hisbollah passieren wird, hat man sich ja noch nicht geeinigt. Die großen Streitfragen, die Bewaffnung der Hisbollah, sind ausgeklammert worden. Und wenn man sie in den Mittelpunkt der Verhandlungen gestellt hätte, hätte man sicher keine Einigung erzielen können.

Ich glaube, es ist eine Einigung, die für einige Zeit tragfähig ist. Ich sage nicht für ewig, aber in der Politik ist es manchmal auch wichtig, eine Einigung für Monate oder Jahre zu erzielen. Es wird sich zeigen, ob eine Regierung zustande kommt und ob Regierung und Parlament gemeinsam in der Lage sind, sich auf ein neues Wahlgesetz zu einigen. Das wird in den nächsten Monaten der Test für die Haltbarkeit dieses Abkommens sein.

Wenn es zu keiner Einigung zwischen Syrien und Israel bei den Verhandlungen in der Türkei kommen sollte, könnte die Lage im Libanon dann nochmals eskalieren?

Perthes: Syrien und Iran – und im begrenzten Maße auch Israel –, aber durchaus auch die USA und einige europäischen Staaten haben sehr konkreten Einfluss auf die Konfliktparteien im Libanon. Doch ohne die Parteien im Libanon gibt es dort auch keine Auseinandersetzung und keine Einigung.

Volker Perthes; Foto: &copy SWP
Volker Perthes: "Die Rückgabe der Golanhöhen hängt auch von der Fähigkeit der israelischen Regierung, ein eventuelles Abkommen tatsächlich umzusetzen."

​​Insofern ist das immer eine Frage, wie weit die Hisbollah oder wie weit sich andere politische Gruppierungen im Libanon zum Instrument ausländischer Mächte machen lassen. Wenn sie das nicht tun, wenn sie eine Einigung finden und die Interessen ihres eigenen Staates in den Vordergrund stellen, dann ist der Einfluss der Iraner, der Syrer, der Israelis, der Amerikaner oder der Deutschen und Franzosen sehr viel geringer.

Welche Auswirkungen könnte diese „Entspannungspolitik“ für den Libanon, Syrien und Israel auf die Verhandlungen mit den Palästinensern haben?

Perthes: Ich glaube, es ist grundsätzlich eher eine positive Vorgabe für die weiteren Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern. Nicht dass sich dies unmittelbar auswirken wird, aber grundsätzlich gilt schon, dass jede Entspannung in der Region auch zu einer Entspannung im israelisch-palästinensischen Verhältnis beitragen kann und umgekehrt gilt es auch.

Wenn die Spannung zunimmt, etwa zwischen Syrien und Israel, dann werden auch die Verhandlungen zwischen Palästinensern und Israelis schwieriger. Und sei es nur, weil Syrien zum Beispiel die Hamas ermutigt, den militanten Widerstand anzukurbeln. Insofern ist grundsätzlich, ohne dass es direkt konkrete Auswirkungen heute und morgen geben muss, eine Entspannung der Lage im Libanon auch für die Palästinenser gut.

Interview: Abed Othman

© DEUTSCHE WELLE 2008

Volker Perthes ist Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.

Qantara.de

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