Golanhöhen gegen Friedensgarantien

Israels Premier Olmert hat Syrien im Gegenzug für Frieden den vollständigen Rückzug von den Golanhöhen angeboten. Wie stehen die Chancen für eine Einigung? Dazu der Nahostexperte Patrick Müller.

Interview von Khaula Saleh

Wie beurteilen Sie die Chancen für eine Friedenslösung und: was wäre für beide Seiten der Preis für ein solches Abkommen?

Patrick Müller: Erst einmal wäre anzumerken, dass es in vieler Hinsicht eine interessante Meldung ist, dass sich die Kontakte zwischen Israel und Syrien intensivieren. Allgemein gibt es immer die Tendenz von israelischer Seite, den Verhandlungskanal zu wechseln oder Verhandlungskanäle wieder zu beleben, wenn es auf einer anderen Ebene nicht so gut läuft.

Seit der Konferenz in Annapolis vom November 2007 wird zwischen Israel und Palästina verhandelt. Es könnte sein, dass diese Gespräche nicht gut laufen und man deshalb auf die syrische Ebene über schwenken möchte. Was die Einigungschancen angeht, würde ich sagen, dass gegenwärtig nicht so sehr die offenen Streitfragen zwischen Israel und Syrien eine Lösung des Problems erschweren. Vielmehr sind es die politischen Rahmenbedingungen: Die USA stehen Verhandlungen mit Syrien skeptisch gegenüber. Syrien hat auch sehr enge Beziehung zum Iran, der sich nicht immer konstruktiv in der Region verhält – da wären also eher die kritischen Punkte anzusiedeln.

Aussehen könnte ein Friedensabkommen in etwa so, wie das von Bill Clinton im Jahr 2000 vorgeschlagen oder skizziert wurde: Es würde also die Grenze vom 6-Tage Krieg 1967 geben. Das würde bedeuten, Israel müsste den Golan an Syrien zurückgeben. Syrien im Gegenzug würde Sicherheitsgarantien für Israel zur Verfügung stellen müssen, die Militarisierung des Grenzgebietes etwa, Frühwarnstationen auf Mount Hermon und natürlich die Anerkennung Israels – eine gegenseitige Anerkennung und die Aufnahme von freundlichen und normalen Beziehungen.

Ein solches Abkommen würde sich sicherlich auch auf den Libanon und Palästina Konflikt auswirken?

Müller: Das wäre natürlich zu hoffen und zu erwarten. Wie man weiß, hat die syrische Führung einen großen Einfluss, sowohl im Libanon als auch in den palästinensischen Gebieten. Was den Libanon betrifft, so ist die syrische Führung natürlich eng mit dem pro-syrischen Lager um die schiitische Partei Hizbollah verbunden.

Eine konstruktivere Haltung der syrischen Führung in der inner-libanesischen politischen Debatte wäre wünschenswert, um einen souveränen Libanon garantieren zu können. In Palästina sind die Beziehungen zwischen Syrien und der islamistischen Hamas-Bewegung sehr stark und ein Friedensabkommen mit Syrien würde auch erhoffen lassen, dass es sich in dieser Beziehung konstruktiv verhält.

Laut Jimmy Carter wäre die Hamas bereit, einen palästinensischen Staat gemäß der Grenzen von 1967 zu akzeptieren, wenn eine Mehrheit des palästinensischen Volkes dem zustimmt. Bedeutet dies nach Ihrer Einschätzung, dass die Hamas nun zumindest indirekt Israels Existenzrecht anerkennt – ja, vielleicht sogar zu einem "Friedenspartner" wird?

Müller: Da lässt sich vielleicht erst einmal sagen, dass die Hamas seit ihrem Wahlsieg im Januar 2006 ihre Position gegenüber dem israelisch-palästinensischen Konflikt in wichtigen Punkten gemäßigt hat, es hat jedoch keine punktgenaue oder explizite Erfüllung der Bedingungen gegeben, die das Nahost-Quartett für eine Zusammenarbeit mit der Hamas formuliert hat. Insbesondere die Annerkennung Israels von 1967 hat bisher explizit nicht stattgefunden.

Ob die Hamas bereit ist, diesen Schritt in die Zukunft zu tun, lässt sich nicht mit Gewissheit abschätzen. Was man vielleicht sicherlich sagen könnte ist, dass bisher die Isolationspolitik, die der Westen und Israel gegenüber der Hamas im Gaza-Streifen betreiben - und auch gegenüber dem Gaza-Streifen -, in der die Bevölkerung stark in Mitleidenschaft gezogen wird, und sicherlich nicht zu einer Mäßigung der Hamas beiträgt. Das lässt sich auch klar an den Entwicklungen im Gaza-Streifen in den letzen Monaten erkennen.

Jimmy Carter sagt, dass es keinen Zweifel daran gebe, "dass sowohl die arabische Welt und die Palästinenser, einschließlich der Hamas, Israels Recht auf ein Leben in Frieden innerhalb der Grenzen von 1967 akzeptieren werden". Glauben Sie, dass diese Äußerung wirklich eine Mehrheitsmeinung innerhalb der Hamas-Führung wiedergibt? Es wäre ja ein Durchbruch ...

Müller: Das wäre sicherlich ein ganz entscheidender Durchbruch. Ob das jetzt die Mehrheitsmeinungen der Hamas-Führung reflektiert, lässt sich sicherlich nicht mit Gewissheit sagen. Was man aber ablesen kann, ist die Tatsache, dass es immer wieder auch positive Signale aus der Hamas-Führung gegeben hat und deshalb wäre es auch wichtig einen stärkeren Dialog ebenfalls von Seiten der internationalen Gemeinschaft mit der Hamas zu führen – um zu sehen, wie friedensfähig diese Bewegung eigentlich ist.

Sollten denn die Anerkennung des Existenzrechts Israels und der Gewaltverzicht Vorbedingungen für Gespräche mit der Hamas sein? Oder ist hier seitens Israels und der Amerikaner mehr Flexibilität gefragt?

Müller: Die Frage lässt sich vielleicht gut beantworten, wenn man zwischen Verhandlungen und Dialog differenziert. Ich denke, dass Friedensverhandlungen mit der Hamas gerade aus der Sicht Israels schwierig und wahrscheinlich auch nicht sinnvoll sind, solange die Hamas nicht das Existenzrecht Israels, also des Verhandlungspartners, anerkennt.

Was jetzt die Aufnahme eines Dialogs angeht, würde ich sagen, dass es sehr wichtig ist, dass die internationale Gemeinschaft ihre Position flexibilisiert und einen solchen Dialog tatsächlich führt. Denn Boykott und Isolation der Hamas im Gaza-Streifen sind mit sehr hohen Kosten verbunden und tragen weder zu einer Mäßigung der Hamas-Bewegung, noch zu einem Vertrauensverlust der Bevölkerung im Gaza-Streifen in die Hamas-Führung bei.

Denn für die Misere, die man jetzt im Gaza-Streifen beobachten kann, wird eigentlich in der Regel Israel und auch die internationale Gemeinschaft verantwortlich gemacht und nicht so sehr die Hamas. Es ist ein Ansatz, der nicht sehr effizient ist, hohe Kosten birgt, wenig bringt und deshalb der Politik der internationalen Gemeinschaft und dem Anspruch, der damit verbunden ist, in keinem Fall gerecht wird.

Das Interview führte Khaula Saleh

© DEUTSCHE WELLE 2008

Dr. Patrick Müller ist Wissenschaftler der Forschungsgruppe Naher Osten und Afrika der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.

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