Gewehre zu Gitarren
Unter dem Titel "Conspiracy of Love" ist der israelische Liedermacher und Friedensaktivist Ofer Golany im April und Mai mit einem neuen musikalischen Projekt in Deutschland unterwegs. Martina Sabra hat den engagierten Künstler getroffen.
"Mein Vater war Soldat / Mein Großvater ein General / Und ich? / Ich werde sein, der ich sein werde / Ich werde Musiker sein."
Nein zur Armee? Wer in Israel ein solch kompromissloses Bekenntnis ablegt, hat meist einen langen Weg hinter sich. Fast alle jungen jüdischen Männer und Frauen müssen nach der Schule zum Militär, und die meisten sind zutiefst davon überzeugt, dass das richtig ist.
Auch der junge Ofer Golany schulterte nach dem Abitur zunächst selbstverständlich das Gewehr. Mehr noch: Er hängte an die regulären drei Jahre Armeedienst sogar noch ein weiteres freiwillig dran, und wurde Mitglied einer Eliteeinheit.
"Damals war ich jung und naiv. Später verstand ich allmählich, dass ich für politische und persönliche Zwecke missbraucht wurde. Irgendwann begriff ich, dass das alles ein Spiel war, und ich nur ein Bauer auf dem Schachbrett. Dann bin ich ausgestiegen", erzählt der Sänger. Er habe allerdings nicht sofort verweigert, sondern darum gebeten, ins Musikcorps versetzt zu werden.
"Erst als ich nach der Militärzeit auf Weltreise ging und andere Länder kennerlernte, wurde mir klar, dass wir in Israel in einem Irrenhaus leben. Es ist doch nicht normal, wenn die Leute mitten auf der Straße mit Maschinengewehren herumlaufen. "
Vom Soldaten zum Musiker
Ofer Golany erreichte, dass die Armee ihn offiziell entließ. Aussteigen – das hieß für Golany, nicht mehr den jährlichen Reservedienst abzuleisten. Normalerweise müssen israelische Männer auch nach dem dreijährigen Militärdienst bis Anfang fünfzig alljährlich für vier Wochen zur Reserve.
Heute bietet der Künstler jungen Israelis, die den Militärdienst verweigern wollen, Beratung an. "Ich kann mir ihre Probleme gut vorstellen, denn mir ist das 'Nein' zur Armee auch nicht leicht gefallen", erklärt Golany.
Sein antimilitaristisches Projekt hat Golany "Gewehre zu Gitarren" getauft – ein Spiel mit dem Vers "Schwerter zu Pflugscharen" aus dem Buch des Propheten Jesaja in der Hebräischen Bibel.
"Das Projekt 'Gewehre zu Gitarren' soll die Menschen zum Umdenken anregen, und "diejenigen unterstützen, die sich ähnlich verändern wollen wie ich: vom Soldaten zum Musiker", erklärt Golany. Wichtig ist, dass die Menschen in Israel begreifen: es gibt eine Alternative zum Militärdienst."
Mischung unterschiedlicher Musikstile
Hauptberuflich ist Ofer Golany Musiker. Der Liedermacher, dessen Stimme gelegentlich an den frühen Cat Stevens alias Yussuf Islam erinnert, hat bislang acht Alben mit Songs auf Hebräisch und Englisch veröffentlicht.
Teilweise handelt es sich um eigene Kompositionen, teilweise um Cover-Versionen bekannter Stücke, unter anderem von Leonhard Cohen und Frank Zappa.
Mit diesen Vorbildern geht er spielerisch-ironisch um: Auf seinen Alben finden sich eine russisch-hebräische Adaptation von Frank Zappa, eine Hommage an den "Hohepriester" genannten Leonard Cohen, an hebräische Kinderlieder und jiddische Balladen, verspielte Pop-Songs, hörbar von Manu Chao inspiriert und schließlich religiöse Friedensgesänge mit palästinensischen Christen aus Nazareth.
Ein "vegetarischer Wolf"
Die Zusammenarbeit mit palästinensischen Musikern und Künstlern ist seit Jahren eine Konstante in Ofer Golanys Leben. Eines seiner Alben, mit dem Titel "Vegetarischer Wolf" spielt auf eine apokalyptische Vision des biblischen Propheten Jesaja an, demzufolge einst der Wolf mit dem Lamm zusammenwohnen wird.
"Für mich symbolisiert dieses Bild das Zusammenleben von Israelis und Palästinensern", erklärt Golany. Der Künstler hofft, dass es nicht bis zum jüngsten Tag dauern wird, bis der Wolf und das Lamm sich arrangieren, sondern dass die Menschen schon etwas früher Vernunft annehmen.
Dabei müsse die Initiative vor allem von den Israelis ausgehen.
"Ich bin mit meiner Position vielleicht ein schräger Vogel. Aber als Künstler kann ich Menschen zeigen, dass das, was sie empfinden, gar nicht so ungewöhnlich ist. Dass sie nicht allein sind mit dem Glauben, dass Araber und Juden durchaus koexistieren können."
Martina Sabra
© Qantara.de 2008
Vom 24. April bis 16. Mai 2008 ist Ofer Golany in Süddeutschland und in Berlin auf Tour. Aktuelle Konzerttermine sind auf seiner Homepage nachzulesen.
Qantara.de
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