Ungewohnte Bilder für die Islamische Republik
Jahrelang fristeten sie ein tristes Dasein im Keller des Teheraner Museums für zeitgenössische Kunst: Bilder namhafter Künstler des 20. Jahrhunderts, die den Mullahs lange als "westliches Teufelszeug" galten. Doch nun wurden sie wieder aus dem Verließ hervorgezaubert, wie die neue Ausstellung des Museums zeigt. Martin Ebbing berichtet aus Tehran.
Der Besuch der gegenwärtigen Ausstellung des Museums für zeitgenössische Kunst in Teheran ist ein ungewöhnliches Erlebnis. Im Hintergrund wabert kosmische Sphärenmusik, die immer wieder von dem schrillen Ton der Alarmanlage durchbrochen wird.
Fast immer schlägt die Anlage ganz ohne Anlass Alarm. Sie wurde extra für diese Ausstellung installiert, um die wertvollen, hoch versicherten Exponate zu schützen, und reagiert noch etwas sensibel.
Bilder von Dali bis Warhol
Ungewohnt für iranische Augen ist vor allen Dingen aber das, was zu sehen ist: ein bunter Reigen der Moderne, von den französischen Impressionisten bis zu den amerikanischen Neo-Realisten, von Renoir, Matisse über Picasso, Braque, Miro, Dali, Francis Bacon bis zu Jackson Pollock, Roy Lichtenstein und dem unverzichtbaren Andy Warhol.
Einige der Bilder sind Schlüsselwerke zum Verständnis der Arbeit der Künstler, aber in der Summe ist es eine klug zusammengestellte Sammlung, die kein wichtiges Element der Moderne auslässt. Zusammengetragen hat sie Farah Diba, die Frau des letzten Schahs, die auch Gründerin des Museums war.
Ein Dorn im Auge der Tugendwächter
Nach der Revolution fanden die neuen Machthaber wenig Gefallen an dem, was sie "dekadente westliche Kunst" nannten. Sie versuchten - erfolglos - einige Stücke zu verkaufen. Dann verschwand die Sammlung im Keller des Museums.
Einzelne Gemälde waren in den letzten Jahren bereits in thematischen Ausstellungen zu sehen, andere wurden an ausländische Museen ausgeliehen. Dies nun ist das erste Mal, dass das Museum nahezu komplett seine eigene Sammlung moderner Kunst zeigt. Drei der insgesamt 188 Arbeiten fehlen, darunter Renoir's "Gabriel".
Allzu viel entblößte Frauenhaut ist auch heute noch ein Tabu im islamischen Iran.
Kulturpolitische Wende befürchtet
Grund, sich Sorgen über die Zukunft der Sammlung zu machen, mag darin bestehen, dass sich die politischen Verhältnisse im Iran erneut verändert haben. Im August wurde Mohammad Khatami, der um eine Öffnung der Gesellschaft und mehr Toleranz bemüht war, abgelöst durch Mahmoud Ahmadinejad – ein Mann, der zu den Erzkonservativen im Land gezählt wird. Noch ist offen, was von ihm kulturpolitisch zu erwarten ist, aber gerechnet wird mit nichts Gutem.
Museumsdirektor Ali-Reza Samiazar, der mit dem Reformpräsidenten Khatami sein Amt übernommen hat, hat deshalb persönlich bereits die Konsequenzen gezogen. Er wird in diesen Tagen freiwillig seinen Sessel als Direktor des Museums räumen.
"Ich bin zurückgetreten, weil ich sehe, dass die Zeit für meine Art der Kulturpolitik vorbei ist", so Samiazar. "Statt auf die Entlassung durch den neuen Kulturminister zu warten, habe ich selbst meinen Rücktritt eingereicht. Ich sehe keine Chance mehr, mein Mandat hier zu verfolgen."
Bei aller Frustration ist Samiazar aber nicht pessimistisch. Eine neue Eiszeit für die Kunst im Iran sieht er nicht heraufziehen: "Der Durst nach moderner Kunst wird in der Zukunft noch zunehmen, da die Zahl der Künstler und Kunststudenten rapide ansteigt. Ich denke, es wird in Zukunft keinen Rückschlag geben, indem die Sammlung für lange Zeit wieder unter Verschluss gehalten wird."
Die Gesellschaft bewege sich in Richtung Modernisierung, so Samiazar, und als Teil dieses Prozesses werde auch das Interesse an dieser Sammlung zunehmen – vielleicht werde sie sogar noch erweitert.
Was einmal ans Tageslicht gekommen ist - so der Hintergedanke - wird schwer aus den Köpfen des Publikums wieder zu verbannen sein, und wer einmal auf den Geschmack gekommen ist, der will mehr.
Martin Ebbing
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005
Qantara.de
Frauen und Kunst im Iran
Zan-e irani - die iranische Frau
Die Idee einer Ausstellung mit dem Titel "Zan-e irani – Die iranische Frau" im Bonner Frauenmuseum ist viel versprechend und deren Umsetzung vielfältig. Die iranische Frau präsentiert sich in Schwarz-weiß- und Farbfotos sowie in Videoinstallationen: Vier Künstlerinnen versuchen mit ihren Werken ein vollkommenes und individuelles Bild über die heutige Situation iranischer Frauen zu vermitteln.
Marjane Satrapi
Persepolis - gelebte Wirklichkeit einer Generation
Die Iranerin Marjane Satrapi schildert in ihrem Comic "Persepolis" ihre Kindheit im Iran und löste damit in Europa eine Lawine der Begeisterung aus: In mehreren Sprachen wurde ihr Werk bereits übersetzt - jetzt auch auf Deutsch. Petra Tabeling hat sich mit der Comiczeichnerin unterhalten.
Kunst in Iran
Künstlerinnen wagen Experimente
Die junge Generation iranischer Künstlerinnen ist angetreten, ihre Projekte weitgehend umzusetzen und ihre Freiräume auszuweiten – sie selbst sind betont individuell und unpolitisch. Und das in einem Land, indem sich ein politisches Bewusstsein deutlich manifestiert.
www
Website des Teheraner Museums für zeitgenössische Kunst (engl.)