Die Angst reist mit
Sommer im Kölner Stadtteil Bickendorf, ein modernes Mehrfamilienhaus. Zainab knüpft mit ihrer achtjährigen Tochter Nora Gummibänder, aus der Küche duftet es nach Essen, und der Vater kommt um 7 Uhr mit einem Bärenhunger von der Arbeit. Zainab, ihr Mann Majid und Tochter Nora: ganz normaler Alltag einer irakischen Familie. Inzwischen sind sie seit Jahren in Deutschland eingebürgert und fühlen sich hier zu Hause.
Im Lastwagen versteckt
Trotzdem hat Zainab nach dem Ende des letzten Irak-Krieges die Gelegenheit genutzt, zu Besuch in ihre alte Heimat zu fahren. Schließlich hatte sie ihre Familie dort seit zehn Jahren nicht gesehen. Die Reise schob sie allerdings aus Angst immer wieder auf, bis ihre Mutter krank wurde. Am Ende sah sie sich gezwungen, in einem Lastwagen zwischen Erdbeeren versteckt aus Syrien in den Irak einzureisen, da nur Warentransporte eingelassen wurden.
In Bagdad angekommen, machten sich widersprüchliche Gefühle breit. "Manchmal sage ich mir, ich hätte lieber nicht fahren sollen, dann hätte ich all das nicht gesehen. Auf der anderen Seite, habe ich mich selbst über den Müll auf der Straße gefreut, über die Fliegen, über die Sonne", sagt Zainab enthusiastisch.
Sehnsucht nach der irakischen Heimat
Während Zainab ihrem ersten Mann nach Deutschland folgte, sind die Freunde Saad und Bassim als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Aber auch sie, die vor dem Regime flüchteten und nun eigentlich zurückkehren könnten, sehen ihre Zukunft nicht im Irak.
Im Moment können sie sich nicht einmal einen Besuch vorstellen. "Ich habe die Reise schon zweimal abgesagt. Im Irak ist es jetzt wirklich gefährlich geworden: Mord, Raub, Angst. Das Leben ist nicht normal, wie könnte ich da jetzt hinfahren? Ich sehne mich nach meiner Stadt, aber die Lage ist völlig aussichtslos. Zwei Nachbarn meiner Mutter sind schon umgebracht worden", erklärt er.
"Komm nicht!"
Auch Bassim hatte im letzten Jahr zunächst mit dem Gedanken gespielt, kurzfristig in den Irak zu fahren, um dort Musik-Projekte zu verwirklichen - doch jetzt scheint es ihm sogar unmöglich, seine Familie wiederzusehen. "Früher hat mich meine Mutter am Telefon immer gefragt: 'Wann kommst Du endlich?' Jetzt sagt sie: 'Bassim, verschieb Deinen Besuch! Vergiss es. Komm jetzt nicht in den Irak'", sagt Bassim.
Ein Onkel habe gar Morddrohungen erhalten, erzählt er weiter. Und aus Sicherheitsgründen traut sich seine Familie nicht, die beschwerliche Reise durch Tausende Kilometer Wüste anzutreten, um ihn in Syrien zu treffen.
In Deutschland leben sie trotz akademischer Ausbildung von Aushilfsjobs, in den Irak zurück wollen und können sie aufgrund der Sicherheitslage nicht - vielen der gut 100.000 Iraker in Deutschland bleibt nur eins: abwarten und auf bessere Zeiten hoffen.
Nicola Ben Said
© DEUTSCHE WELE/DW-WORLD.DE 2004
Mehr über die Situation irakischer Flüchtlinge erfahren Sie in unserem Irak-Dossier