Skeptischer Optimismus am Golf

US-Präsident Donald Trump und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman treffen zu einem Treffen zum Thema „Weltwirtschaft“ auf dem G20-Gipfel in Osaka, Japan, ein.
Weltmacht trifft aufstrebende Regionalmacht: Donald Trump und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, hier 2019 in Osaka, Japan (Foto: picture alliance / abaca | B. Eliot)

Saudi-Arabien und die Emirate versprechen sich von der Trump-Präsidentschaft gute Geschäfte, haben aber gelernt, dass politisch kein Verlass ist auf die USA. Derweil könnten die Saudis Trump zu einer härteren Gangart gegenüber Israel drängen.

Von Sebastian Sons

Der 20. Mai 2017 war ein Festtag für die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und den USA. Damals traf der neu gewählte US-Präsident Donald Trump zu seiner ersten Auslandsreise in der saudischen Hauptstadt Riad ein, traf sich dort mit König Salman und seinem Sohn Muhammad bin Salman, der später zum Kronprinzen ernannt wurde und seitdem seine Macht ausbaut.  

In Saudi-Arabien wurde Trumps Besuch als Beginn einer neuen Ära betrachtet, nachdem sich die Beziehungen unter Trumps Vorgänger Barack Obama deutlich abgekühlt hatten. Obama hatte maßgeblich das Atomabkommen mit Iran verhandelt, was in Saudi-Arabien und anderen Golfmonarchien als Vertrauensbruch bewertet worden war. Umso mehr wurde Trumps Aufkündigung des Atomabkommens 2018 und seine Strategie des „maximalen Drucks“ gegenüber Iran von den Golfstaaten begrüßt.  

Doch trotz der anfänglichen Euphorie verlief die Trump-Präsidentschaft für die Golfstaaten keineswegs spannungsfrei: Nur wenige Wochen nach Trumps Besuch in Riad begann die sogenannte „Golfkrise“, in der Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Ägypten eine Blockade gegen den Nachbarn Katar einrichteten. In diesem „Konflikt der Egos“ sollte Trump Saudi-Arabien und die VAE unterstützen, hielt sich aber im Verlauf der Krise auffallend mit anti-katarischer Rhetorik zurück. Am Ende legten die Golfmonarchien ihren Disput 2021 bei.  

Sowohl-als-auch statt Entweder-oder

Noch viel übler nahm die saudische Führung Trump allerdings seine ausbleibende Reaktion auf die Raketenangriffe auf die beiden saudischen Ölraffinerien Abqaiq and Khurais im September 2019, die kurzzeitig die Hälfte der saudischen Ölproduktion lahmlegten. Für die saudische Führung war dieser Anschlag, der Iran zugeschrieben wurde, ein Schock, zeigte er doch die eigene Verwundbarkeit gegenüber externen Bedrohungen.  

Am Golf wurden aus diesen Erfahrungen weitreichende strategische Schlüsse gezogen: 

  • Erstens manifestierte sich die Erkenntnis, sich auf die USA im Ernstfall nicht verlassen zu können – unabhängig davon, wer im Weißen Haus die Geschicke lenkt. 
  • Zweitens konzentrierten sich die Golfmonarchien verstärkt auf ihre nationale wirtschaftliche Entwicklung, um ihre erdölabhängigen Rentenökonomien zu diversifizieren.  
  • Drittens folgte eine Abkehr von konfrontativer Regionalpolitik zu einem Kurs der Annäherung, des Ausgleichs und des taktischen Konfliktmanagements.  

Seitdem verfolgen die Golfmonarchien eine autarke Strategie des Sowohl-als-Auch anstatt des Entweder-Oder: Sie fühlen sich weder dem westlichen noch dem nicht-westlichen Block zugehörig, sondern streben nach sogenannten minilateralen Allianzen, die ihnen die besten Profite bescheren. So sieht Saudi-Arabien in der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Iran im März 2023 ein Instrument, um die Konflikte in der Region zu managen. Gleichzeitig strebt Riad aber nach einer Sicherheitsgarantie der USA. Die Golfmonarchien suchen den Mittelweg, um sich unersetzlich zu machen.  

Pragmatismus statt Feindschaft

Dies zeigt sich mehr denn je seit Beginn des desaströsen Gaza-Kriegs im Oktober 2023. Seitdem fordern die Golfmonarchien regionale Deeskalation, fürchten sie doch einen offenen Krieg zwischen Israel und Iran, der ihre eigene Stabilität und den Erfolg ihres Geschäftsmodells gefährden würde.  

Selbst die diplomatischen Beziehungen zwischen Riad und Teheran sind unter dem enormen Ballast der regionalen Eskalation nicht zerbrochen. Regelmäßig finden hochrangige Treffen zwischen golfarabischen und iranischen Offiziellen und Vertretern des Sicherheitsapparats statt und mittlerweile wird sogar über iranisch-saudische Militärtrainings im Roten Meer spekuliert – was von Saudi-Arabiens Außenminister aber negiert wurde. 

Zwar beruht dieser Dialog mit Iran keineswegs auf einem vertrauensvollen Miteinander, allerdings betrachtet man die Feindschaft mit der Islamischen Republik als geschäftsschädigendes Übel, dem mit Pragmatismus und taktischem Geschick entgegengetreten werden muss.  

Weiterhin eint alle Akteure am Golf – die Monarchien sowie Iran –, dass sie das Vorgehen der israelischen Regierung in Gaza und im Libanon vehement ablehnen und als „Genozid“ kritisieren. Gleichzeitig hat sich in vielen Gesellschaften der arabischen Golfmonarchien ein anti-westliches Narrativ etabliert, das die USA und Europa – den sogenannten „Westen“ – als doppelmoralische Heuchler und Intriganten brandmarkt, da sie mit ihrer einseitigen Unterstützung für Israel das Leid der Palästinenser erhöht und ihre moralische Glaubwürdigkeit verloren hätten. 

Seit dem letzten Besuch von Trump in Saudi-Arabien haben sich also das strategische Kalkül der Golfmonarchien und ihre Erwartungen an die USA dramatisch verändert. Zwar wird betont, bereits gut mit Trump zusammengearbeitet zu haben, allerdings herrscht in Riad, Abu Dhabi oder Doha durchaus auch zurückhaltender Realismus. Man bereitet sich auf eine Trump-Präsidentschaft vor, die einem nutzen, aber auch schaden kann. Dies zeigt sich in drei Bereichen.  

 

  1. Das Verhältnis zu Israel 

    Die ersten Nominierungen Trumps für sein neues Team zeigen, dass sich an seiner einseitig pro-israelischen Haltung im Vergleich zu seiner ersten Amtszeit nicht viel ändern wird. Für die Golfmonarchien ist dies ein Dilemma: Einerseits brauchen sie die USA als Sicherheitsgarant in der Region. Andererseits kann die Perspektive eines palästinensischen Staates vor dem Hintergrund der Gräuel in Gaza nicht ignoriert werden.  

    Saudi-Arabien präsentiert sich daher als Unterstützer der palästinensischen Sache und hat unter anderem die Globale Allianz zur Umsetzung der Zweistaatenlösung ins Leben gerufen. Wie schon in seiner ersten Amtszeit wird es Trumps Ziel sein, eine Normalisierung zwischen Israel und Saudi-Arabien anzustreben. Seit Beginn des Gaza-Krieges liegen diese Gespräche jedoch auf Eis und saudische Offizielle haben immer wieder betont, dass es keine Wiederaufnahme der Verhandlungen geben wird, solange kein konkreter Plan für eine Zweistaatenlösung in Sicht ist. Der Ton gegenüber Israel hat sich in den letzten Monaten deutlich verschärft.  

    Gleichzeitig ist das Timing einer potenziellen Normalisierung mit Israel für die saudische Führung eine gewichtige Trumpfkarte, die sie gegenüber Trump einsetzen kann. So besteht die vage Hoffnung, mit der Aussicht auf Normalisierung Trump zu einer härteren Gangart gegenüber Netanjahu zu bewegen, um den Krieg zu beenden und Zugeständnisse für die Palästinenser zu ermöglichen.  

    Aus saudischer Perspektive hat sich definitiv der Preis für eine Normalisierung mit Israel erhöht: Ging es vor dem 7. Oktober 2023 vor allem um Sicherheitsgarantien, Waffenlieferungen und die Zusage der USA, ein ziviles saudisches Nuklearprogramm zu unterstützen, ist nun die Frage nach einer Zweistaatenlösung zu einer politischen Priorität geworden, die nicht durch einen typischen Deal à la Trump obsolet wird. Dafür steht auch für Saudi-Arabien zu viel der eigenen Reputation und Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.  

    Die Führung in Riad sieht sich dennoch in einer strategisch günstigen Lage, hat sie Trump doch mit der potenziellen Normalisierung mit Israel etwas anzubieten, das seinen eigenen Interessen nutzen und seinem Ego schmeicheln würde: Nicht nur könnte er sich als Friedensstifter profilieren, sondern auch eine Vision einer wirtschaftlich prosperierenden Region mit einem starken Israel proklamieren.  

     

  2. Das Verhältnis zu Iran

    Es ist sehr wahrscheinlich, dass Trump seinen Kurs des „maximum pressure“ gegenüber Iran wiederaufnehmen und sogar verschärfen wird. Dabei will Trump genauso wenig einen Regimewechsel oder einen offenen Krieg zwischen Israel und der Islamischen Republik wie die Golfstaaten. Stattdessen hat er angekündigt, einen „besseren Deal“ mit Iran zu verhandeln, um Teheran zu weitreichenden Konzessionen zu zwingen. Eine solche Politik könnte ein Drahtseilakt werden und zu einem Schlingerkurs führen. 

    Für die Golfmonarchien scheint derzeit wahrscheinlich, dass sie ihren Weg der Äquidistanz fortsetzen und einer anti-iranischen Allianz nicht beitreten werden. Dabei steht eigenes Kalkül im Vordergrund, fürchten sie doch, dass Iran direkt oder über die eigenen Stellvertreter wie die Huthis Ziele in den Golfmonarchien attackieren könnten – wie bereits in der Vergangenheit zu sehen war. Statt Konfrontation könnten die Golfmonarchien eine Politik des Einhegens und der begrenzten Kooperation mit Iran verfolgen, während gleichzeitig die USA auf Eindämmung und Druck – „kontrollierte Härte“ – setzen könnten.  

     

  3. Die Wirtschaft 

    Saudi-Arabien und die VAE erhoffen sich von Trumps transaktionalem und merkantilem Wirtschaftskurs Vorteile bei Investitionen, Waffenlieferungen und Geschäftsabkommen. Beide Kronprinzen – Muhammad bin Salman in Saudi-Arabien und Muhammad bin Zayid in den VAE – unterhalten persönliche Beziehungen zu Trump und seinem engsten Zirkel, was auch den eigenen Geschäften nutzt. Dies zeigt nicht nur das Beispiel von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, der bereits in der ersten Amtszeit als Drahtzieher für wirtschaftliche Deals fungierte und diese Rolle auch in den letzten Jahren fortsetzte. Eine ähnliche Funktion könnte auch Elon Musk einnehmen. 

    Dennoch bestehen Herausforderungen: Trump könnte die Ölförderung in den USA erhöhen, was gleichzeitig den Ölpreis senken dürfte. In diesem Zusammenhang könnte er Druck auf die OPEC+ ausüben und damit die Interessen Saudi-Arabiens schwächen

    Problematisch für die Golfmonarchien könnte auch Trumps unnachgiebige Haltung gegenüber China werden: Im Vergleich zur ersten Amtszeit ist die wirtschaftliche Bedeutung Chinas am Golf noch gewachsen. Längst hat die Volksrepublik die USA als wichtigsten Handelspartner abgelöst und tritt mittlerweile auch als diplomatischer Netzwerker auf, wie die Vermittlerfunktion bei der iranisch-saudischen Annäherung gezeigt hat.  

Die Golfmonarchien erwarten die Rückkehr Trumps ins Weiße Haus also mit skeptischem Optimismus. Einerseits erhoffen sie sich von ihm eine neue transaktionale Dynamik, um die regionalen Kriege beizulegen, und erwarten enge wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit. Andererseits fürchten sie seine Unberechenbarkeit, die zu einem Anstieg der Eskalation führen könnte – ein Horrorszenario für die ambitionierten Diversifizierungspläne der Herrscher am Golf.  

 

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