"Enter the Prime Minister"

In Pakistan wird am Montag (18.2) ein neues Parlament gewählt. Aber der Wahlkampf findet aus Angst vor Terroranschlägen weniger auf der Straße, als im Fernsehen statt. Thomas Bärthlein hat sich in Karachi umgesehen.

In Pakistan wird am Montag (18.2) ein neues Parlament gewählt, aber der Wahlkampf findet aus Angst vor Terroranschlägen weniger auf der Straße, als im Fernsehen statt. Thomas Bärthlein hat sich in den Fernseh-Studios in Karachi umgesehen.

Zeitungsverkäufer in Pakistan; Foto: AP
Im Wahlkampf spielen die Medien eine besondere Rolle, da große öffentliche Versammlungen aus Angst vor Terror-Anschlägen weniger Zulauf haben als sonst.

​​Azhar Abbas, der Nachrichten-Chef von DAWN-TV, sitzt selber am Schneidetisch und gibt der Endausscheidung der Reality Show "Enter the Prime Minister" den letzten Schliff.

Am kommenden Sonntag, einen Tag vor den "eigentlichen" Wahlen, wird der Sender seinen Sieger präsentieren. Tausende von Kandidaten hatten sich gemeldet, von denen 16 eingeladen wurden und über Themen wie die richtige Strategie im Kampf gegen die Taliban diskutieren mussten.

Informiertere Debatte notwendig

"Mit 'Enter the Prime Minister' wollten wir vor allem eine informiertere Debatte auslösen, die im Wahlkampf sonst nicht geführt wird", erklärt Azhar Abbas. "Da macht man sich gegenseitig Vorwürfe, aber niemand redet über die echten Probleme, vor denen Pakistan steht."

DAWN-TV ist der erste englischsprachige Nachrichtensender in Pakistan und erst wenige Monate auf Sendung. Präsident Musharraf hat in den vergangenen Jahren einen beispiellosen Boom an privaten Fernseh-Sendern ermöglicht, die zahlreiche gesellschaftliche und politische Tabus brachen.

Der Höhepunkt war im vergangenen Jahr erreicht – in der Auseinandersetzung um den Posten des Obersten Richters zog Musharraf die Notbremse, als er im Zuge der Verhängung des Ausnahmezustands die kritischen Fernsehsender aus den Kabelnetzen verbannte.

Am Gängelband der Regierung

Auch wenn der Ausnahmezustand inzwischen aufgehoben ist, fühlen sich die Journalisten nach wie vor am Gängelband der Regierung. Masoom Rizvi von der Nachrichtenredaktion bei AAJ-TV bringt die Lage so auf den Punkt: "Es gibt eine Menge Einschränkungen. Wir bekommen laufend irgendwelche 'Ratschläge' – und daran hält man sich dann auch besser", so Rizvi.

Pakistanischer Verkäufer hängt ein Poster der ermordeten Oppositionsführerin Buttho auf, Foto: AP
Wahlkampf gegen den Präsidenten - einigen Medien wird vorgehalten, parteisch zu sein.

​​Vor wenigen Tagen wurde sein Sender kurzerhand abgeschaltet, als ein politischer Kommentator, den die Regierung zur unerwünschten Person auf dem Bildschirm erklärt hatte, in einer Talkshow als Gast auftauchte.

"Wenn die Einschränkungen weniger werden, nennen wir das in Pakistan 'freie Medien'", fährt Masoom Rizvi fort. "Und wenn sie zunehmen, dann haben wir Medien, die eigentlich überhaupt nicht mehr arbeiten können. Und die demokratischen Regierungen haben die Medien auch nie besonders gut behandelt!"

Skepsis weit verbreitet

Insofern sind die meisten Journalisten in Pakistan skeptisch, dass sich nach den Wahlen viel ändern wird am Kontroll-Regime. Es gibt aber auch selbstkritische Stimmen unter Journalisten. Manche meinen, die Medien hätten im vergangen Jahr in Wirklichkeit Partei ergriffen – gegen Musharraf und seine Regierung.

Osama Bin Javaid, Redakteur bei DAWN-TV, kritisiert fehlende professionelle Standards. Er glaubt, dass eine Menge der Einschränkungen für die Medien in Pakistan die Sender und Journalisten getroffen hätten, die offensichtlich parteiisch gewesen wären und sich bei ihren Analysen nicht unbedingt auf die Wahrheit, sondern oft nur auf Hypothesen gestützt hätten.

Javaids Nachrichtenchef Azhar Abbas konzentriert sich derweil auf die Arbeit an der Show. Die Medien, findet er, müssten die Politiker in Sachfragen stärker in die Pflicht nehmen:

"Zum Beispiel hat keine der großen politischen Parteien wirklich klare Position zu Selbstmordanschlägen bezogen", so Azhar Abbas. "Dabei sind die ein wirkliches Problem in Pakistan. Die religiösen Parteien haben nicht klar und öffentlich gesagt, dass sie die Selbstmordanschläge verurteilen!"

Wer von den Kandidaten bei "Enter the Prime Minister" da das beste Rezept hat, bleibt bis Sonntag ein gut gehütetes Geheimnis. Der Premier-Minister bei DAWN-TV wird übrigens nicht per Zuschauer-Votum gekürt, sondern von einer Experten-Jury gewählt.

Thomas Bärthlein

© DEUTSCHE WELLE 2008

Qantara.de

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