Ethnisches Pulverfass in Hanan-Provinz

Noch ist die Ursache für die Unruhen in China zwischen der Bevölkerungsmehrheit der Han-Chinesen und der Hui-Minderheit nicht geklärt. Ein ethnischer Konflikt brodelt jedoch schon länger unter der Oberfläche. Von Kerstin Winter

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Hui-Frauen in Gongmachuang in der Henan-Provinz

​​In der von ethnischen Unruhen erschütterten zentralchinesischen Provinz Henan ist wieder Ruhe eingekehrt. Tausende Polizisten riegelten weiter vereinzelte Dörfer ab.

Die gewaltsamen Auseinandersetzungen Ende Oktober in Zentralchina waren zunächst von der Regierung verschwiegen worden. Ausländische Medien berichteten von zahlreichen Toten, als Han-Chinesen und die muslimischen Hui-Minderheiten sich Straßenschlachten lieferten. Eine Kettenreaktion wurde ausgelöst.

Stimmung gegen Muslime

Ein Imam des betroffenen Bezirks Zhongmou sagte, dass "die Stimmung weltweit gegen Muslime die Han-Chinesen infiziert hat". In China leben etwa 18 Millionen Muslime, rund neun Millionen gehören der Hui-Minderheit an.

Professor Helmolt Vittinghoff, Sinologe an der Universität Köln, glaubt, dass die Auseinandersetzungen nicht religiös motiviert sind. "Die Han haben Respekt vor den Hui, sie schätzen sie als Händler und Gastronomen". Er glaubt, dass sich die Vorfälle nicht wiederholen werden. Die Chinesen seien zu pragmatisch, um Herrschaftsansprüche anzumelden.

Gemeinsame Wurzeln

Muslime und Han-Chinesen leben seit der Tang-Dynastie im 7. Jahrhundert, als der Islam erstmals nach China kam, zusammen. Die chinesische Hui-Minderheit stammt von arabischen und persischen Händlern ab, die vor Jahrhunderten in die Gegend kamen und Chinesen heirateten. Daher zählt die Hui-Minderheit ethnisch und sprachlich zu den Han-Chinesen. Offiziell gab es bislang keine Konflikte zwischen beiden Gruppen.

Die Hui sind eine von 56 anerkannten Minderheiten in China. Die Han-Chinesen bilden mit 91 Prozent die weitaus größte Volksgruppe. Die weiteren 55 Nationalitäten machen zusammen nur neun Prozent der gesamten 1,3 Milliarden Menschen des Landes aus, deshalb werden sie als nationale Minderheiten bezeichnet. Dazu zählen auch die tibetische und koreanische Nationalität.

Scheinautonomie

Offiziell verfolgt China seit Gründung der Volksrepublik vor 55 Jahren die Politik der Gleichberechtigung, der Geschlossenheit und der gemeinsamen Prosperität aller Nationalitäten.

Fünf der 34 Verwaltungsgebiete auf Provinzebene sind autonome Gebiete der nationalen Minderheiten, in denen jeweils die Mongolen, die Uiguren, die Hui, die Zhuang und die Tibeter als die wichtigste Volksgruppe leben. Doch die Han-Chinesen sind auch in der Regionalregierung überproportional vertreten.

Hass schüren

Über das Zusammenleben der Volksgruppen ist wegen der eingeschränkten Pressefreiheit nur wenig bekannt. In der chinesischen Provinz Xinjiang in Nordwestchina leben Angehörige von mehr als 10 Nationalitäten, darunter auch die Uiguren, die zweitgrößte muslimische Gruppierung in China.

Die Uiguren, einst die größte Volksgruppe im Nordwesten, stellen heute nur noch 45 Prozent der Bevölkerung. Seit China ihre Provinz eingliederte, regt sich dort eine Unabhängigkeitsbewegung gegen die Kommunisten.

Die Han-Chinesen sind mittlerweile mit 41 Prozent die zweitgrößte ethnische Gruppe in der Region. Wie in Tibet werden auch in Xinjiang die Spannungen zwischen der ortsansässigen Bevölkerung und den Zuwanderern von chinesischen Behörden und Unternehmen geschürt, indem Han-Chinesen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens bevorzugt werden.

Chinas "Terroristen"

Chinas Regierung hat die Uiguren als Terroristen identifiziert, denn diese zweitgrösste muslimische Bevölkerungsgruppe ist anders als die Hui ethnisch ein Turkvolk mit eigener Kultur und Sprache.

Angesichts der massiven Menschenrechtsverletzungen nehmen die Spannungen zwischen den Minderheiten, den Sicherheitskräften sowie den zugewanderten Han-Chinesen kontinuierlich zu.

Je verzweifelter der Überlebenskampf der Minderheiten, desto häufiger kann es zu Terrorakten kommen. Die Mehrheit der Minderheiten hat terroristische Gewalt als Mittel des Widerstandes bislang abgelehnt.

Kerstin Winter

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