Virtuelle Propaganda für die dritte Generation

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Das Terrornetzwerk Al-Qaida hat ein Online-Magazin auf Englisch veröffentlicht. Mit islamistischer Propaganda und Anleitungen zum Bombenbau in der heimischen Küche sollen Anhänger aus dem Westen angesprochen werden.

الكاتبة ، الكاتب: Emad Ghanim

Jahrelang führte der in Pakistan geborene Faisal Shahzad ein ganz normales Leben, bis er irgendwann in Kontakt mit radikal-islamistischem Gedankengut kam. Diese Ideologie brachte den "Times-Square-Bomber" letztendlich dazu, Anfang Mai 2010 im Zentrum seiner neuen Heimat New York einen Sprengstoffanschlag zu verüben. Mitten auf dem Times Square hatte er eine Bombe in einem Auto platziert – nur durch Hinweise von Passanten konnte sie noch rechtzeitig entschärft werden.

Genau auf Menschen wie Shahzad ziele nun Al-Qaida mit ihrem neuen englischsprachigen Online-Magazin "Inspire" ab, so der jordanische Terrorexperte Mohammad Aburumman. Es erscheine in einer Zeit, in der die Anzahl der Al-Qaida-Sympathisanten im Westen steige: "Insbesondere Menschen aus westlichen Ländern, sind die Zielgruppe, die diese Ausgabe erreichen will".

Das Magazin kam Anfang Juli erstmals heraus und kann als PDF-Datei im Internet heruntergeladen werden. Herausgegeben wird es von der Al-Malahim-Gruppe für Medienproduktionen, dem medialen Arm von Al-Qaida.

Das Inhaltsverzeichnis der Zeitschrift verweist auf Artikel wie "Bombenbau in Mamas Küche", der eine "kurze aber detaillierte" Anleitung zum Bau einer Bombe mit Zutaten, die in jeder Küche verfügbar sind, enthält. Ebenso werden Themen wie das Verbot des Ganzkörperschleiers in den westlichen Ländern, Tipps zum Verschlüsseln von Nachrichten und eine übersetzte Rede von Osama bin Laden mit dem Titel "Wie man die Welt rettet!" auf "Inspire" behandelt.

Neue Zielgruppen

Zu Wort kommt auch immer wieder eine zentrale Figur bei den Versuchen von Al-Qaida, durch Propaganda Menschen im Westen zu erreichen: der amerikanisch-jemenitische Prediger Anwar al-Awlaki. Nach Einschätzung von Sicherheitsbehörden sollen seine englischsprachigen Predigten, die über das Internet abzurufen sind, zahlreiche Terroristen in den USA inspiriert haben.

Al-Awlaki betreibt eine Facebook-Seite, ein Weblog und hat zahlreiche YouTube-Videos hochgeladen, weshalb er "Bin Laden des Internets" genannt wird. Er wird in Zusammenhang mit dem versuchten Anschlag auf ein Flugzeug in Detroit am Weihnachtstag gebracht. Sein Artikel in "Inspire" trägt die Überschrift: "Mögen unsere Seelen für Dich geopfert werden."

Anwar al-Awlaki; Foto: dpa
"Der Bin Laden des Internets": Anwar al-Awlaki spielt in den Bemühungen der Al-Qaida, ihre Propaganda in der westlichen Welt zu verbreiten, eine zentrale Rolle; Foto: dpa

Dass diesem Mann in dem Magazin so viel Platz eingeräumt wird, verdeutliche, welche Generation von Al-Qaida-Kämpfern angesprochen werden soll, so Aburumman: "Es handelt sich hierbei um die dritte, neue Generation, die im Westen geboren ist und dort gelebt hat, aber kein Arabisch sprechen kann, wie Abu Dujana al-Kharasani, Umar al-Faruq und Nidal Malik Hassan."

Der algerische Terrorexperte Ghamrassa Abdul-Hamid glaubt, dass Al-Qaida derzeit einen grundlegenden Wandel durchlebe, mit dem auch die Weiterentwicklung ihrer Medienarbeit und die Anpassung an diese neue Generation einhergehe: "Die Medienarbeit von Al-Qaida erlebt momentan einen großen, qualitativen Schub bei der Übermittlung ihrer Botschaften und Anweisungen. Wo sich die Terrororganisation früher mit der Veröffentlichung der Erklärungen, Botschaften und Bilder ihrer Anschläge begnügte, versucht sie jetzt, ihre Propaganda-Aktivitäten auf einer anderen, internationalen Ebene, weltweit zu verbreiten."

Überwundene Sprachbarrieren

Das Internet ist schon lange nicht mehr nur ein Raum, in dem ideologische Medienkriege geführt werden; es avanciere immer mehr auch zu einem effektiven Instrument der Anwerbung, Rekrutierung und Ausbildung von neuen, potenziellen Terroristen in den Zielländern, sagt Aburumman.

In der jetzigen, so genannten dritten Generation begännen westliche Al-Kaida-Anhänger zunehmend, eigenständige terroristische Aktivitäten zu planen und zu verüben, ohne direkte Anweisungen vom Hauptquartier der Organisation. "Das Medium Internet war hierfür von großem Nutzen", vermutet er.

Auch die Sprachbarriere, die bislang eine große Hürde bei der Kontaktaufnahme mit dieser Generation darstellte, wird mit der Herausgabe dieses englischsprachigen Magazins überwunden. Damit, so befürchten Experten wie Mohammed Aburumman, wachse auch der Einfluss von Al-Qaida auf diese Zielgruppen.

Die erste Ausgabe des Online-Magazins "Inspire", die Anfang Juli online ging und sich anschließend in mehreren islamistischen Internet-Foren verbreitete, war jedoch zunächst ein Rohrkrepierer. Das Inhaltsverzeichnis des Magazins verweist auf Reden, Artikel und Anweisungen, die sich auf 67 Seiten verteilen. Tatsächlich lesbar waren jedoch nur die ersten drei Seiten, der Rest war Datenmüll.

US-Medien spekulieren, dass dies auf eine erfolgreiche Störaktion amerikanischer Geheimdienste zurückzuführen sei. Es scheint, dass die US-Geheimdienste diese virtuelle Kampfrunde schnell gewonnen haben. Es ist jedoch auch sicher, dass die nächste Runde nicht lange auf sich warten lassen wird.

Emad M. Ghanim

© Deutsche Welle 2010

Redaktion: Lewis Gropp/Qantara.de