Die Geschichte eines Konflikts
Es ist der 14. Mai 1948. Im Museum der noch jungen Stadt Tel Aviv haben sich die Führer der jüdischen Bewohner Palästinas, des "Jischuv", versammelt. Sie wollen den Traum verwirklichen, der in den Jahrzehnten davor die jüdische Einwanderung immer mehr anschwellen ließ: den Judenstaat, wie er vom Vater des politischen Zionismus, Theodor Herzl, propagiert worden war.
Jetzt ist die Gelegenheit da: Nur Stunden bevor das britische Mandat über Palästina zu Ende geht und der britische Hochkommissar das Land verlässt, ruft David Ben Gurion den Staat Israel aus.
Die Israelis müssen schnell erkennen, dass der Traum von Israel in Wirklichkeit der Wechsel von einem Alptraum zum anderen ist: von der Verfolgung und Vernichtung in Europa hin zu latentem Krieg und der offenen Existenzbedrohung.
Im Nahen Osten will man sich jahrzehntelang nicht mit Existenz und Existenzrecht Israels abfinden will. Der Unabhängigkeitstag Israels wird dort bis heute als "Nakba" (Katastrophe) bezeichnet.
Die Granaten nach dem Jubel
Der Jubel über den eigenen Staat geht binnen weniger Stunden im Dröhnen der Bomben und Granaten unter: Israel muss seinen ersten Krieg bestehen. Die Staaten der kurz zuvor gegründeten Arabischen Liga hoffen, auslöschen zu können, was in ihnen aus ihrer Sicht der Westen eingebrockt hat:
Die Briten mit der "Balfour Declaration", in der den Juden 1917 Unterstützung bei der Errichtung einer nationalen Heimstätte zugesagt wird. Die UNO mit ihrem Teilungsbeschluss für Palästina von 1947 und besonders die USA mit ihrer aktiven Unterstützung der Staatsgründung Israels.
Entgegen aller Erwartungen scheitert der arabische Plan. Israel weitet sein Staatsgebiet sogar über die Linien des Teilungsbeschlusses aus. Über eine Dreiviertel Million Palästinenser müssen ihre Heimat verlassen –- aus Angst um ihr Leben oder weil sie vertrieben wurden. Sie sind auch 60 Jahre später Kernproblem des Konflikts. Allerdings handelt es sich inzwischen um vier Millionen Menschen.
Die Niederlage von 1948 geht der arabischen und der muslimischen Welt sehr nahe. Man will sich mit dem Ergebnis nicht abfinden und schwört Rache. Da man nicht bereit ist, die eigene Niederlage gegenüber dem jüdischen Kleinstaat einzugestehen, wird der Westen dafür verantwortlich gemacht. Die Legende ist geboren, von der sich bis heute radikale Gruppen und Demagogen nähren: Israel als Vorposten eines anti-arabischen und anti-islamischen Westens in der Region – so wie einst die Kreuzfahrer es waren.
Gemeinsame Sache
Bestätigung für solche Thesen sehen die Feinde Israels immer wieder. Etwa 1956, als der jüdische Staat mit Franzosen und Briten gemeinsame Sache macht: Den Europäern geht es um den Suez-Kanal, Israel um die Sicherheit seiner Grenze mit Ägypten. Im Ost-West-Konflikt verbünden sich Ägypten, Syrien und der Irak mit Moskau, was die Bindung zwischen den USA und Israel und konservativen arabischen Staaten umso stärker macht.
Die wichtigste Veränderung findet im Sechstagekrieg im Juni 1967 statt: Trotz israelischer Warnungen schließt der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser die Meerenge von Tiran - und gibt Israel damit einen Grund zum Präventivschlag. Es nützt Kairo nichts, dass auch Jordanien und Syrien eingreifen: Innerhalb von nur sechs Tagen erobert Israel die gesamte Sinai-Halbinsel, den Gazastreifen, das Westjordanland und die syrischen Golan-Höhen.
Israel kontrolliert nun das gesamte historische Palästina. Manche Israelis hoffen, dass nun der "Anruf aus Amman oder Kairo" kommt, der Frieden zum Tausch für besetztes Gebiet anbietet. Das Telefon aber bleibt still. Stattdessen beschließt die Arabische Liga in Khartum ihre drei Neins: Israel weder anzuerkennen, noch mit ihm zu verhandeln und erst recht nicht mit ihm Frieden zu schließen.
Frieden mit dem Erzfeind
1973 gelingt es den Arabern im Jom-Kippur-Krieg, ihr lädiertes Selbstbewusstsein zu stärken: Syrer und Ägypter fügen Israel schwere Schläge zu. Einen Sieger des Krieges freilich gibt es nicht. Die Konstellation ermöglicht es dem inzwischen zum Westen umgeschwenkten ägyptischen Präsidenten Anwar el-Sadat, eine Friedensinitiative zu eröffnen, die 1979 schließlich zum Frieden von Camp David führt.
Die Palästinenser hätten teilhaben können an diesem Frieden. Mit Ermutigung der arabischen Welt lehnen sie aber ab. Es soll weitere 14 Jahre dauern, bis Israel und die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO unter Yasser Arafat 1993 in Oslo einen Friedensplan beschließen, der zum israelischen Abzug aus den besetzten Gebieten und der Gründung eines palästinensischen Staates führen soll.
Nun sind die wichtigsten palästinensischen Gruppen bereit, die 46 Jahre zuvor im der Teilungsbeschluss der UNO empfohlene Zweistaaten-Lösung zu akzeptieren.
Rabins Ermordung
Widerstand gibt es auch von israelischer Seite: Die Nationalisten der Likud-Partei unter Benjamin Netanjahu sprechen von Verrat an der historischen Heimat. Denn sie betrachten ganz Palästina als "Eretz Israel", das ihnen gehörende "Land Israel".
Sie warnen vor den Gefahren, die eine Aufgabe der besetzten Gebiete für Israel bedeute. Ministerpräsident Jitzhak Rabin, der Oslo unterzeichnet hat, wird ermordet. Netanjahu wird wenig später gewählt und Israel sabotiert immer mehr die Umsetzung der Vereinbarungen von Oslo.
Zur innenpolitischen Krise Israels kommt die wachsende Unzufriedenheit unter den Palästinensern. Im Herbst 2000 bricht der zweite Aufstand aus. Im Verlauf dieser "Al Aqsa Intifada" wird fast alles zerstört, was seit Oslo an Positivem in den Palästinensergebieten entstanden war: Aus einer autonomen Selbstverwaltung werden wieder besetzte Gebiete und Israel beginnt unter Ministerpräsident Ariel Scharon, sich durch eine gewaltige Mauer- und Sperranlage von den Palästinensern abzukapseln.
Keine Zugeständnisse
Nur mit Mühe gelingt es nach dem Tode Arafats, wieder Verhandlungen herbeizuführen. Die bringen aber keine Ergebnisse. Gegner einer Verständigung gewinnen wieder an Einfluss: Anfang 2006 gewinnt die islamistische Hamas die Wahlen. Sie lehnt Israel ab und will auch die Verträge von Oslo nicht anerkennen.
Die Palästinenser geraten besonders im Westen wieder in Isolation. Israel findet einen Vorwand, keine Zugeständnisse mehr zu machen. Besonders die Lage in dem von Israel geräumten Gazastreifen ähnelt immer mehr einem offenen Krieg.
Daran ändert nichts, dass US-Präsident George W. Bush sein letztes Amtsjahr mit einem Frieden in Nahost krönen will. Nichts sieht danach aus, als könne dies gelingen. Stattdessen wird die Stimmung der Palästinenser und Israelis immer desolater: Die Palästinenser bekämpfen sich untereinander.
In Israel hat man zum 60. Jahrestag der Staatsgründung zwar Millionen für Feierlichkeiten genehmigt, aber selbst das ist umstritten: Das Jubiläumsjahr wurde in Israel zum "Jahr der Jugend" erklärt. Kritiker weisen hingegen darauf hin, dass über ein Drittel der israelischen Jugend heute unter der Armutsgrenze lebe - und dies doch sicher kein Grund zu feiern sei.
Peter Philipp
© Deutsche Welle 2008
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