Den arabischen Massen schmeicheln

Arabische und westliche Zuschauer konnten im Fernsehen den Krieg gegen den Irak live erleben. Sie hatten sogar die Wahl zwischen verschiedenen TV-Kanälen. Ein Gespräch mit dem libanesischen Journalisten Marc Sayegh über die Kriegsberichterstattung der arabischen Satellitensender.

​​Wenn Sie die Kriegsberichterstattung der arabischen Satellitensender al-Jazeera, al-Arabia und Abu Dhabi miteinander vergleichen, welche Gemeinsamkeiten stellen Sie fest?

Marc Sayegh: Die auffälligste Gemeinsamkeit ist der Einklang mit der arabischen öffentlichen Meinung. Noch bis letzter Woche* war es nicht möglich, dort zu sagen: Ich bin gegen den Krieg und gegen Saddam. Der Satz wurde einfach mittendrin abgeschnitten. Das ist der beste Beweis dafür, dass ein Einklang mit den Gefühlen des arabischen Zuschauers hergestellt werden soll. Das erste Ziel dieser Sender ist, den arabischen Zuschauer an sich zu binden und ihm das zu präsentieren, was er sehen und hören will. Und das geschieht auf Kosten der Wahrheit. Dieser Krieg hat aber auch gezeigt, dass nicht nur die arabischen Satellitensender undemokratisch sind, sondern auch, dass viele westliche Medien, besonders amerikanische Fernsehsender und Printmedien, einen Rückgang der Demokratie erlebt haben. Sie stellten sich in einer Reihe hinter George Bush.

Warum haben arabische Satellitensender, allen voran al-Jazeera, während des Krieges Partei für das irakische Regime ergriffen?

Sayegh: Es sind keine ideologischen Gründe, sondern das entspringt einfach dem Wunsch, den arabischen Zuschauer an sich zu binden. Denn wenn es darum geht, zwischen Bush und Saddam zu wählen, dann entscheidet sich der arabische Zuschauer für Saddam.

Der jordanische Prinz Hassan Ben Talal hat die arabischen Satellitensender gelobt und darauf hingewiesen, dass die arabischen Medien endlich qualitativ auf dem gleichen Niveau wie die westlichen Medien angelangt sind. Teilen Sie seine Meinung?

Sayegh: Es gibt zwei Meinungen dazu. Einige sagen, dass wir das gleiche Niveau haben wie westliche Medien. Andere sagen, wir sind zurückgefallen auf das Niveau von vor 1967. Ich glaube, dass die Wahrheit dazwischen liegt. Es stimmt zwar, dass die arabischen Satellitensender technisch sehr gut geworden sind. Aber die Demokratie hat noch nicht Einzug gehalten. In einem undemokratischen Land kann es kein demokratisches Medium geben.

Aber gerade al-Jazeera wird oft als Beispiel für die Möglichkeit einer freien Meinungsäußerung genannt!

Sayegh: Das gilt für Friedenszeiten. Aber sobald sich die Lage zuspitzt, wollen die Satellitensender die Gefühle der Massen widerspiegeln. Das beste Beispiel dafür ist, dass keine Kritik an Saddam möglich war während des Krieges. Die Kultur der Demokratie existiert nicht in der arabischen Welt. Deshalb ist es auch nicht möglich, von heute auf morgen die arabischen Medien zu demokratisieren.

Interview Mona Naggar, Qantara.de; © 2003, Qantara.de

Marc Sayegh ist libanesischer Journalist. Er arbeitet für al-Hayat und französische Zeitungen und lebt in Paris.

* Das Interview wurde am 8.4.2003 geführt.

Mehr zum Thema Medien und Krieg im Webdossier der Bundeszentrale für politische Bildung