Hollywood am Golf
Neben Cannes, Venedig und Berlin lockt nun auch die Golf-Metropole Abu Dhabi mit einem großen Filmfestival. Das Publikum ist begeistert, denn damit wird eine alte Tradition wiederbelebt. Doch ist es nicht mehr Ägypten, von wo aus zunehmend die Kino-Impulse der arabischen Welt ausgesendet werden, sondern die Golfregion. Aus Abu Dhabi berichtet Constanin Schreiber.
Die dunklen Haare flattern im Wüstenwind. Suchend blicken die blauen Augen der syrischen Schönheit in die Ferne. Herzschmerz, Verzweiflung, unerfüllte Liebe. Sie öffnet die stark geschminkten Lippen und stimmt das Lied "Ya habibi ta'ala" an - "Komm folge mir, mein Liebster!"
Das ist 64 Jahre her. Damals, 1944, war Asmahan der große Leinwandstar in der arabischen Welt. Sie war skandalträchtig, eine umjubelte Sängerin und Schauspielerin und im wirklichen Leben eine syrische Prinzessin.
Während im Westen Ingrid Bergmann, Doris Day und Vivien Leigh ihre großen Jahre erlebten, drängten die Menschen in Damaskus, Kairo und Casablanca in die Kinos, um Asmahans chronischen Liebeskummer zu verfolgen.
Von Ägypten an den Golf
Das Kino in der arabischen Welt hat eine lange Tradition. Seit Beginn der bewegten Bilder hatte sich vor allem in Ägypten fast eine gleichwertige Filmindustrie entwickelt wie in Europa. Dann ging es irgendwann bergab. Seitdem in Hollywood die großen Blockbuster aufkamen, hat das arabische Kino auch auf dem heimischen Markt den Anschluss verloren. Viele arabische Filme kamen da nicht mehr mit.
Jetzt soll es wieder aufwärts gehen. Doch ist es nicht mehr Ägypten, von wo aus zunehmend die Kino-Impulse der arabischen Welt ausgesendet werden, sondern zunehmend die Golfregion. Für viele Millionen Euro produzieren lokale Filmemacher epische Serien für die einheimische Zuschauerschaft. "Konflikt im Wüstensand" ist zwar kein Kinofilm, aber eine der erfolgreichsten eigenen TV-Produktionen in der Geschichte der Golfstaaten. Die Saga, die während des diesjährigen Ramadan allnächtlich ausgestrahlt wurde, lockte ein großes einheimisches Publikum vor die Fernseher.
Ziel: Eigenproduktionen
Große Kinofilme vom Golf, die ein breites Publikum anziehen, gibt es zwar noch nicht. Aber große internationale Filmfestivals sollen Filmemacher aus aller Herren Länder anlocken - und so möglicherweise den Weg bereiten für eigene, am Golf produzierte internationale Erfolge.
Für viele aufsteigende Filmemacher geht es bisher weniger darum, Blockbuster zu produzieren. Sie orientieren sich am Autorenkino nach Europäischem Vorbild, sagt der libanesische Kinoexperte Khaled Maschzoub. "Viele arabische Filmemacher lassen sich von alternativen Stilen aus aller Welt beeinflussen. Es entsteheen einfühlsame Filme, Dramen, mit sehr inspirierenden Dialogen."
Highlight im Nahen Osten
Das internationale Middle-East-Filmfestival in Abu Dhabi preist sich selbst als das bedeutendste Kinoereignis im Nahen Osten an. Im Glitzerhotel Emirates Palace, einem im Stil Louis des 14. gehaltenen goldschwangeren Palast, schreiten Filmemacher durch die Marmorhallen.
Auf dem Festival gibt es auch deutsche Beiträge zu sehen wie der Film "Kirschblüte" von Doris Dörrie. Zuschauer aus allen Teilen der Emirate strömen herbei, denn die Vereinigten Arabischen Emirate sind immer noch eine weitgehend kunstfreie Zone.
Illustres Abu Dhabi
Schon vor der offiziellen Eröffnung fieberten die Menschen dem Filmfestival entgegen. "Ich liebe das Kino, oder wie die Franzosen sagen, die siebte Kunst. Ich bin ein großer Fan und finde es toll, das eine solche Veranstaltung hier in den Emiraten stattfindet", sagt ein Passant. Ein anderer Mann sagt: "Ich finde vor allem arabische Filme klasse. Die mag ich eigentlich lieber als westliches Kino. Daher bin ich begeistert, dass wir hier so ein Festival haben." Eine Frau sagt: "Eigentlich schaue ich mehr englischsprachige Filme, aber auf dem Festival will ich mir gezielt auch mal arabische Filme ansehen."
Im vergangenen Jahr gab es auf dem Middle-East-Filmfestival auch Nostalgievorführungen für ein interessiertes Publikum: Arabische Filme aus den Anfängen der Filmkunst. Asmahan, der syrische Schwarz-weiß-Star, durfte da natürlich nicht fehlen und herzschmerzte ein weiteres Mal vor vollen Kinoreihen im illustren Abu Dhabi.
Constantin Schreiber
© Deutsche Welle 2008
Qantara.de
Interview mit Rose Issa
"Kultur ist keine rein westliche Angelegenheit"
Der Louvre hat jüngst einen millionenschweren Deal mit Abu Dhabi abgeschlossen. Kritiker in Frankreich fürchten einen Ausverkauf der Kulturnation. Im Interview mit Lewis Gropp widerspricht die unabhängige Kuratorin und Kunstkritikerin Rose Issa diesen Befürchtungen.
Erstes Frauenfilmfestival in Kairo
Zwischen flüchtiger Liebe und Prostitution
Vergewaltigung weiblicher Familienmitglieder, Prostitution oder das Bedürfnis nach Liebe – dies sind die Themen der Filme, die auf dem ersten internationalen Frauenfilmfestival in Kairo gezeigt wurden. Nelly Youssef stellt einige Filme vor.
Filmtipp "Couscous mit Fisch"
Eifersucht und Euphorie
Der französische Film "Couscous mit Fisch" ("La Graine et le Mulet") bietet ein Beispiel dafür, wie man eine Botschaft für Integration mit großer künstlerischer Klasse umsetzen kann. Und welche Möglichkeiten sich dem europäischen Kino dabei eröffnen. Amin Farzanefar hat ihn sich angesehen.
Nadine Labakis Film "Caramel"
Mysterien eines Schönheitssalons
In ihrer Tragikomödie "Caramel" um fünf Frauen, ihren Alltag und ihre Sehnsüchte macht die libanesische Regisseurin Nadine Labaki die Mechanismen einer Gesellschaft sichtbar, in der die Schönheit und die Virilität die Währungen sind. Fritz Göttler hat den Film gesehen.