Ein Zeichen der Menschlichkeit
Die USA und Iran scheinen über den Trümmern von Bam einen Weg der Annäherung zu finden – nach zwei Jahrzehnten diplomatischer Funkstille wurden die US-Sanktionen gegen Teheran gelockert. Peter Philipp kommentiert.
Menschliches Leid verbindet. Seit dem folgenschweren Erdbeben von Bam scheint es nicht nur unter den Iranern keine Unterschiede mehr zu geben, sondern auch zwischen dem Iran und der Außenwelt scheinen all die sichtbaren und unsichtbaren Trennungslinien und Grenzen aufgehoben, die es bis zu den fatalen Erdstößen noch gegeben hatte: Iraner stehen Schlange zum Blutspenden, Ärzte fliegen freiwillig nach Bam und Verletzte werden über das ganze Land verteilt. Und Russen, Chinesen, Briten, Italiener und Deutsche, um nur einige zu nennen - alle kommen sie, um zu helfen. Auch die Amerikaner fliegen - von Kuwait aus - ins Katastrophengebiet, um zu helfen, wo vielleicht nicht mehr zu helfen ist.
Bis vor kurzem undenkbar: Amerikaner im Iran
Amerikanische Militärmaschinen auf iranischem Boden - das war vor einigen Wochen noch der Albtraum mancher Iraner, die von Washington massiv unter Druck gesetzt wurden, das Zusatzprotokoll zum Atomwaffen-Sperrvertrag zu unterzeichnen, und die beim US-Angriff auf den Irak befürchtet hatten, ihr Land würde wohl als nächstes "an der Reihe" sein.
Teheran hat unterzeichnet, Washington ist auf skeptischer Distanz geblieben und in Teheran zeichnete sich auch nicht gerade eine Verbesserung des Verhältnisses zu den USA ab. Besonders nicht zwei Monate vor den Parlamentswahlen, bei denen die konservativen Hardliner gute Chancen haben, die erwartete Wahlabstinenz frustrierter Reform-Anhänger in ihren - konservativen - Sieg umzumünzen. Und nun fliegen die Amerikaner Hilfe im Iran ein und die Regierung in Teheran war sich nicht zu fein, solche Hilfe mit den USA zu vereinbaren. Für manche Beobachter bereits untrügerische Anzeichen dafür, dass sich etwas bewegt in den gegenseitigen Beziehungen. Aus humanitären Gründen haben die USA die Iran-Sanktionen mittlerweile gelockert. Spenden und Lieferungen von bestimmten Gütern solen wieder möglich werden.
Alte Feindschaft aus pragmatischen Gründen ausgesetzt
Vor allzu großem Optimismus kann aber nur gewarnt werden. Was in diesen Stunden und Tagen zu sehen ist, das ist ein Akt der Menschlichkeit, mehr nicht. Noch nicht. Beiden Seiten geht es darum, Not und Elend der Opfer zu lindern und zu helfen, so schnell es eben geht. Und in solcher Not muss man alten Streit begraben. Selbst wenn das Grab nur locker zugeschüttet werden dürfte und der Streit schnell wieder ausgegraben werden kann.
Eine Mehrheit der Iraner erhofft sich eine Wiederannäherung an die Vereinigten Staaten. Als Demoskopen dies in Teheran publizierten, machten ihnen die Konservativen den Prozess. Nach dem 11. September kam es im Iran zu offenen Sympathiebekundungen mit den USA. Und dennoch haben die offiziellen Beziehungen sich nicht verbessert.
Steter Tropfen...
Aber es werden die steten Tropfen sein, die zu einer Verbesserung führen. Zum Beispiel - und das war für viele wohl die größte Überraschung - in der Frage des Irak: Teheran hatte sich noch vor den meisten arabischen Staaten mit dem amerikanisch eingesetzten "Regierungsrat" abgefunden, es unterhält gute Beziehungen zu diesem Forum, in dem es gute Freunde hat. Und Teheran unterstützt damit indirekt die offizielle amerikanische Strategie für die nahe Zukunft des Irak.
Nicht, um sich bei den Amerikanern Liebkind zu machen, sondern weil es Ruhe im Nachbarland haben will - eine Ruhe, von der es selbst nur profitieren kann. Längst gibt es deswegen stillschweigende Verständigung zwischen Washington und Teheran in verschiedenen Alltagsproblemen des Irak. Und es wäre deswegen auch mehr als verwunderlich gewesen, wenn Teheran das amerikanische Hilfsangebot für Bam ebenso zurückgewiesen hätte wie das der Israelis.
Nur: Von dringend benötigter humanitärer Hilfe auf ein Ende der politischen Eiszeit zu schließen, ist sicher verfrüht. Man sollte die Hilfe als das nehmen, was sie ist: Ein Zeichen der Menschlichkeit, von denen es in der Region viel zu wenige gibt.
Peter Philipp © Deutsche Welle / DW-WORLD.DE 2003