Zurück zum Pragmatismus
Seit der Präsidentschaft Mohammed Khatamis ist Bewegung in die jahrzehntelang gespannten Beziehungen der Islamischen Republik zu den Ländern der arabischen Welt gekommen. Der iranische Journalist Bahman Nirumand beschreibt die Stationen dieses außenpolitischen Wandels und begründet weshalb der Iran ausgerechnet nach der islamischen Staatsgründung von den arabischen Staaten lange Zeit politisch isoliert wurde.
Ungeachtet der historisch gewachsenen religiösen, kulturellen und politischen Differenzen zwischen Iranern und Arabern war die iranische Staatsführung bis zur Revolution von 1979 stets um gute Beziehungen zu den arabischen Staaten bemüht. Die erste Frau des Kronprinzen und späteren Schahs von Iran, Mohammad Reza Pahlawi, war die Tochter des ägyptischen Königs Faruq.
Insbesondere die Beziehungen zur ägyptischen Regierung unter Anwar al-Sadat waren gut. In den zwei Jahrzehnten vor der Revolution wurde Iran, unterstützt von den USA, die Rolle einer Großmacht und eines Gendarmen in der Golfregion zuteil.
Doch ausgerechnet mit der Machtübernahme der Islamisten wendete sich das Blatt. Die Islamische Republik, die sich als Schutzmacht von Palästina und als erklärter Feind der USA und Israel verstand, übertrug diese Feindschaft auch auf alle arabischen Staaten der Region, die als Satellit der USA galten oder zu Israel freundschaftliche Beziehungen pflegten. Dazu wurden vor allem Saudi-Arabien und vor allem Ägypten gezählt.
Eiszeit in den arabisch-iranischen Beziehungen
Das Camp-David-Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel sowie die Bereitschaft der ägyptischen Regierung, dem flüchtenden Schah Zuflucht zu gewähren, veranlassten Revolutionsführer Ayatollah Chomeini 1980, die diplomatischen Beziehungen zur Führung in Kairo abzubrechen.
Auf der anderen Seite verbreite sich in den arabischen Staaten die Furcht, die Gründung eines islamischen Staates könne sich auch in ihren Ländern Nachahmer finden.
Ägypten, Saudi-Arabien und Kuwait bezichtigten Iran der Aufwieglung und Unterstützung radikal-islamischer und terroristischer Gruppen in der Region. Der Irak erklärte sogar dem Nachbarland Iran den Krieg, der acht Jahre lang dauerte. Dabei wurde Saddam Hussein von den meisten arabischen Staaten unterstützt.
Erst mit der Wahl Präsident Chatamis und der damit erfolgten Wende in der iranischen Außenpolitik wurden auf beiden Seiten mildere Töne angestimmt. Iran öffnete sich verstärkt nach außen, erhöhte sein Engagement in der "Organisation der Islamischen Konferenz" (OIC) sowie in der "Organisation der Blockfreien" und verstärkte die Zusammenarbeit mit den Staaten des Golfkooperationsrats. Fokus auf die Staaten am Persischen Golf.
Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt immer deutlicher, dass in der iranischen Außenpolitik den Staaten der Golfregion ein bevorzugter Platz eingeräumt wird. Iran verurteilte, zumindest offiziell, den Terrorismus und zeigte sich sogar dazu bereit, Mitglieder der Terrororganisation Al-Kaida, die aus der Region stammten, an ihre Heimatländer auszuliefern.
Der iranische Vizepräsident Mohammad Ali Abtahi sagte kürzlich auf der Konferenz des Zentrums für strategische Fragen in Abu-Dhabi zur Überraschung der Teilnehmer: „Heute sind religiöser Fundamentalismus und Extremismus die größte Bedrohung für die Region. Bei uns gibt es Sicherheit, wenn die Region sicher ist, und umgekehrt ist die Region sicher, wenn es bei uns Sicherheit gibt.“
Auch in der Nahost-Politik gibt sich die Führung in Teheran konzilianter zu verstehen. Während die Islamische Republik jahrzehntelang jedes Zugeständnis an Israel als 'Verrat' bezeichnete, erklärte Präsident Khatami vor einigen Monaten, sein Land werde das Votum des palästinensischen Volkes akzeptieren.
Positive Resonanz in der arabischen Welt
Diese neue Position wird seitens der arabischen Staaten mit großem Wohlwollen und Entgegenkommen registriert. Sie sehen darin eine Basis für eine gemeinsame Friedenspolitik im Nahen Osten, zu der auch die Forderung gehört, die gesamte Region zu einer atomfreien Zone zu erklären.
Auch die neue Politik der USA, die nach eigenem Bekunden im Zuge des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus eine Demokratisierung der Staaten der Region anstreben, veranlasst die Herrscher in der arabischen Welt zu einer engeren Zusammenarbeit mit dem Iran.
Den einzigen, wichtigen Konfliktpunkt zwischen Iran und den Golfstaaten bildet der Territorialstreit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten um die drei Inseln Abu Mussa, Großtomb und Kleintomb am Persischen Golf. Doch Regierungsvertreter beider Seiten bekundeten bereits ihre Bereitschaft, den Streit bald freundschaftlich beizulegen.
Und schließlich stehen auch Iran und Ägypten kurz vor der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen. Bereits in den vergangenen Jahren verstärkte sich zunehmend die Zusammenarbeit beider Länder auf dem Gebiet der Wirtschaft und Kultur. Es gibt inzwischen etliche gemeinsame Projekte, die sowohl in Iran als auch in Ägypten durchgeführt wurden und werden.
Nach einem Treffen Khatamis mit Mubarak am Rande der UN-Technologie-Konferenz in Genf im vergangenen Dezember, wurden die diplomatischen Aktivitäten zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten beschleunigt.
Als eine Art symbolischer Akt beschloss der Teheraner Rat sogar, eine Straße, die nach Khaled Islambouli - dem Mörder Anwar al-Sadats – in Initifada-Straße umzutaufen - trotz der massiven Proteste islamistischer Eiferer. Demgegenüber erklärte Ägyptens Außenminister Ahmad Maher, das Camp-David-Abkommen existiere faktisch nicht mehr und sei „nur mehr ein Stück Vergangenheit.“ Was jetzt zähle seien die Interessen Irans und Ägyptens.
Kurswechsel im iranisch-irakischen Verhältnis
Auch Irans Beziehung zum Nachbarland Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins von Grund auf gewandelt. Obwohl das Land von US-Truppen und deren Verbündeten besetzt wird, sieht Teheran gute Chancen für eine Zusammenarbeit mit Bagdad. Die irakischen Schiiten, die die Mehrheit der Bevölkerung stellen und wohl künftig die Politik des Landes bestimmend mitgestalten werden, stehen zum Teil unter iranischem Einfluss.
Auch zu den irakischen Kurden hat Iran schon seit Jahren gute Beziehungen. In den letzten Monaten wurden zwischen Teheran und Bagdad zahlreiche Gespräche geführt, wobei auch konkrete Vereinbarungen, wie der Bau einer gemeinsamen Ölpipeline getroffen wurden. Iran stellte 300 Millionen Dollar zum Wiederaufbau Iraks bereit.
Auch der Handel zwischen den beiden Ländern hat seit dem Krieg weiter zugenommen. Iran exportierte bereits in den ersten vier Monaten nach dem Krieg Waren im Wert von 400 Millionen Dollar in den Irak. Auch erklärte sich die Führung in Teheran dazu bereit, jedes Jahr die Reise von einer Million Pilger zum Besuch der heiligen Städte Nadjaf und Kerbela zu organisieren.
Bahman Nirumand, © Qantara.de 2004