Malis Diva ist wieder da
Oumou Sangare ist weit mehr als eine beeindruckende Sängerin. Sie ist Song-Texterin, gesellschaftspolitische Kommentatorin und vor allem engagierte Feministin. In ihren Liedern vertritt sie die Rechte und Anliegen afrikanischer Frauen. Die bissigen, zynischen Texte handeln von Alltagsproblemen in ihrer Heimat Mali, mit denen Frauen täglich konfrontiert werden, von klassischen Rollenverhalten und Tabubrüchen. Oumou Sangare nimmt kein Blatt vor den Mund - spricht ihre Gedanken offen und direkt aus. Ihre akzentuierten politischen Ansichten haben sie zu einer Schlüsselfigur der westafrikanischen Gesellschaft gemacht.
Eine schnelle Karriere
1968 wird Oumou Sangare in der Wassoulou-Region in Malis Süden geboren. Mit fünf Jahren beginnt sie ihre Stimme auszubilden. Mit 16 Jahren wird sie entdeckt, als sie auf der Straße singt – mit 21 veröffentlicht sie das bahnbrechende Debüt-Album "Moussolou" (dt. "Frauen", 1989). In ihrer Heimat wird es über 200.000 Mal verkauft. 1993 folgt ihr zweites, ebenso gelungenes Album "Ko Sira". Auf den nationalen folgt rasch der internationale Erfolg. Ihr drittes Album "Worotan" ist 1996 monatelang an der Spitze der internationalen Worldmusic-Charts. Seitdem ist die überzeugte, mit dem Koran bestens vertraute Muslimin ein weltweit gefragter Star. Die Kritik ist sich einig: Oumou Sangare hat eine der schönsten Stimmen der Gegenwart.
2001 wird Oumou Sangare in Aachen mit dem IMC-UNESCO-Musikpreis ausgezeichnet. Damit steht die 33-Jährige in einer Reihe mit Miriam Makeba, Yehudi Menuhin und Herbert von Karajan. Sie erhält den Preis für ihr Engagement für Frieden, interkulturelle Verständigung und internationale Zusammenarbeit. Und auch deshalb, weil sie sich immer wieder vehement gegen die Praxis der Polygamie ausspricht: "Ich will nicht, dass eine Frau gezwungen wird, polygam zu leben, dass sie gezwungen wird zu heiraten, dass man sie schlecht behandelt. Aber genau das ist es, was bei uns sehr häufig vorkommt."
Das Fundament einer Gesellschaft in Frage zu stellen, einer entschieden patriarchalischen, muslimischen Gesellschaft, und das als Frau – dazu gehört schon etwas: "Ich habe mir gesagt, an dem Tag, an dem ich zum ersten Mal in ein Mikrophon singe, werde ich diese Missstände anprangern." Sich Gehör zu verschaffen, fällt der Sängerin leicht – die meisten Konzerte könnte sie mit ihrer starken Stimme auch ohne Mikrophon bestreiten.
Ihr Markenzeichen: der Wassoulou-Sound
Sangare arbeitet seit vielen Jahren gemeinsam mit dem Briten Nick Gold und seinem World Circuit Label. In ihren Songs kombiniert sie moderne Standards mit der traditionellen Musik Malis, ohne deren ursprünglichen Charakter jemals preiszugeben. Den Melodien und Rhythmen der Jäger aus der Wassoulou-Region fügt sie sparsam elektrische Instrumente hinzu. Ihre faszinierende Stimme wird von Trommeln, Bass, Gitarre und alten westafrikansichen Chorgesängen begleitet. Häufig ist auch die traditionelle Kamale Ngoni, die "Laute der Jugend" zu hören.
Ihr gerade erschienenes Doppel-Album "Oumou" ist eine Art Retrospektive mit eingestreutem Neumaterial. Acht der 20 Titel gibt es bereits auf älteren CDs. Für den Weltmarkt wurden allerdings sämtliche Songs noch einmal digital aufbereitet. Einige der neuen Lieder machen einen europäisierten Eindruck. Zwar ist die Kamale Ngoni nicht abgeschafft worden, jedoch schieben sich ab und zu weiche Keyboard- und Streicher-Teppiche sowie programmierte Drums in den Vordergrund – ein Zugeständnis an den Weltmarkt. Im Booklet werden alle Tracks von Oumou Sangare persönlich kommentiert. Die "Diva Afrikas" tourt derzeit durch Europa - ab diesem Mittwoch (5. November 2003) gastiert sie in Deutschland.
Tourdaten: Mi., 05.Nov. 2003: Düsseldorf; Do., 06.Nov. 2003: Darmstadt; Fr., 07.Nov. 2003: Karlsruhe; Sa., 08.Nov. 2003: Zürich; Mo., 10.Nov. 2003: Wien; Di., 11.Nov. 2003: München
Leona Frommelt
© DW-WORLD 2003