Verschiedenheit als Realität
Mit 26 Ländern und über 400 Ausstellern war die Buchmesse in Kapstadt die bisher größte ihrer Art auf dem afrikanischen Kontinent. Vertreten waren auch einige renommierte muslimische Schriftsteller, wie Imraan Coovadia und Rayda Jacobs. Einzelheiten von Almuth Schellpeper.
Eine Frau beschreibt ihre Spielsucht, die Beziehung zu ihrem homosexuellen aidskranken Sohn, die Affäre mit dem Mann ihrer Schwester. Dabei verwundert nicht so sehr ihre schamlose Eitelkeit oder ihre Schlagfertigkeit, sondern dass sie Muslimin ist.
Für ihren Roman "Confessions of a Gambler" gewann Rayda Jacobs 2004 den "Sunday Times Literacy Award", den anerkanntesten Literaturpreis Südafrikas. Die Protagonistin Abeeda will nicht so recht in das klassische Bild einer ernsthaften muslimischen Frau passen.
Stereotype Wahrnehmungen ändern
Rayda Jacobs sagt von sich selbst, sie sei gläubige Muslimin und Aspekte wie Religion, Identität und Moral würden wohl immer in ihren Büchern zu finden sein. Doch sie betont, sie schreibe nicht speziell für eine muslimische Leserschaft. Vielmehr empfindet sie es als ihre schriftstellerische Aufgabe, stereotype Wahrnehmungen zu ändern und an die Verschiedenheit als Realität in der Gemeinschaft zu erinnern.
Zur Buchmesse kam Rayda Jacob's neuer Roman "My Father's Orchid" heraus, der von einer Familie handelt, die durch soziale Klassen, Religion und versteckten Ärger zerrissen ist. Auch diese Geschichte spielt in einer christlich-muslimischen Gemeinschaft am Kap. Die Zentralfigur, der 28-jährige Hüd, benannt nach einem muslimischen Propheten, aber als Christ erzogen, entdeckt die Geheimnisse, die eine Familie verbinden und auseinander reißen können.
Ebenfalls pünktlich zur Buchmesse ist der neue Roman von Imraan Coovadia "Green-Eyed Thieves" erschienen. Der Autor, geboren in Durban, Südafrika, lebt heute in New York.
Satire auf oberflächliche Realitäten
In der Geschichte geht es um Kriminalität und brüderlichen Verrat, in deren Mittelpunkt die Zwillinge Ashraf und Firoze stehen, zwei Gauner auf ihrer Reise durch Südafrika, Pakistan, Monte Carlo und die USA.
Ashraf ist ein Fälscher, Firoze hat intellektuelles Talent und schreibt für das "Wall Street Journal". Er gibt vor, Araber zu sein, der diejenigen muslimischen Länder verabscheut, die die USA nicht mögen. Hochrangige Republikaner werden auf ihn aufmerksam. Sie vereinbaren ein Treffen zwischen Firoze und Präsident Bush.
Coovadia hat ein ironisches Buch geschrieben, in dem diejenigen, die die Oberfläche als Realität ansehen, als dumm vorgeführt werden, so wie der amerikanische Präsident zum Beispiel. Imraan Coovadia sagt, er habe mit dem Roman unter anderem seine Unzufriedenheit mit kollektiven Identitäten ausdrücken wollen.
Manchmal fühle es sich so an, als sei man als Geisel gefangen genommen worden, und es sei ungemütlich zu merken, dass man eine bestimmte Art von Brüderlichkeit teile. Doch gewisse Verbindungen ließen sich nicht lösen, dazu gehöre zum Beispiel die Religion.
Provozieren ist nicht seine Absicht. Eine Religion als solche anzugreifen, ist für Imraan Coovadia nie interessant gewesen, und er fühlt sich der Salman Rushdie-Schule der Provokation nicht sehr nahe, sagt er.
Auch wenn er sich als säkular verstehe, habe er seine Religion als Muslim nie ändern wollen, denn die gehöre schließlich zu seiner Identität. Er habe nicht vor, die Verbindungen zur muslimischen Gemeinschaft und zu seiner Familie abzubrechen. Sein nächstes Buch schreibt er über den Tod, der Schauplatz ist Durban in Südafrika.
Muslime als Teil des Widerstandes gegen die Apartheid
Sowohl "My Father's Orchid" als auch "Green-Eyed Thieves" sind vor kurzem im südafrikanischen Verlag "Umuzi" erschienen. Die Verlegerin Annari van der Merwe verweist darauf, dass Muslime vollkommen in die gesellschaftlichen Strukturen Südafrikas integriert seien. Sie lebten schon so lange wie die Weißen am Kap, und sie seien Teil der Widerstandsbewegung während der Apartheid gewesen.
Immer wieder würden Manuskripte von Muslimen veröffentlicht, wenn auch nicht stets ein Verweis auf den religiösen Hintergrund in ihren Werken zu finden sei.
Eine weitere muslimische Autorin war auf der Buchmesse in Südafrika vertreten: Nazia Peer, die aus ihrem Erstlingswerk "House of Peace" vorlas. Die Geschichte spielt ebenfalls in einer muslimischen Familie aus Südafrika. Die Charaktere scheinen zwar karrierebewusst und erfolgreich zu sein, doch sie haben gleichzeitig mit ihren eigenen Konflikten zu kämpfen.
Nazia Peer öffnet den Blick in eine komplexe muslimische Gemeinschaft, in der die religiöse Identität ein zentrales Thema ist. Mit ihrem Roman will sie Vorurteile über den Islam aus dem Weg räumen und daran erinnern, dass Muslime, wie die meisten Menschen, auf der Suche nach dem innerem Frieden sind, sagt die Autorin.
Almuth Schellpeper
© Qantara.de 2006
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