Kenne deine Rechte!

Seit 2010 ist das Berliner "Netzwerk gegen Diskriminierung von Muslimen" bei der Aufklärung und Rechtsberatung in Moscheegemeinden aktiv. Häufig wissen Muslime gar nicht, dass Diskriminierung in Deutschland verboten ist. Sabine Ripperger informiert.

Auch in Deutschland gibt es Diskriminierung in unterschiedlichen Ausprägungen: Menschen werden aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer ethnischen Herkunft beispielsweise bei der Wohnungs- oder Arbeitsplatzsuche benachteiligt.

Selbst nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes 2006, das Menschen vor Diskriminierung schützen soll, mangelt es noch vielfach an der Umsetzung. Viele der in Berlin lebenden Muslime kennen bislang kaum ihre Rechte und brauchen Hilfe, um sie gegebenenfalls einzufordern.

Muslime über ihre Rechte aufklären

Um in diesem Bereich besser aufzuklären und Hilfe anzubieten, arbeitet seit August 2010 das Berliner "Netzwerk gegen Diskriminierung von Muslimen". Der muslimische Verein "Inssan" (auf Deutsch "Mensch") kooperiert dabei mit dem Türkischen Bund Berlin-Brandenburg und wird finanziell vom Berliner Integrationsbeauftragten unterstützt. Weitere Gelder kommen von der Open Society Foundation in London.

Allein im ersten Jahr des Antidiskriminierungsprojekts haben nahezu 1.000 Menschen an Veranstaltungen zum Thema "Diskriminierung" in Berliner Moscheen und anderen muslimischen Einrichtungen teilgenommen - obwohl viele am Anfang skeptisch waren, ob man überhaupt etwas gegen Diskriminierung tun könne.

Aber das habe sich bald geändert, sagt Lydia Nofal, die Koordinatorin des Netzwerks und Leiterin des Vereins "Inssan": "Die Menschen waren wirklich interessiert. Sie haben gemerkt, sie haben Rechte. Das Bewusstsein hat sich schon geändert."

Diskriminierung im Schulalltag

Insgesamt wurden schließlich beim "Netzwerk gegen Diskriminierung" von Beginn seiner Arbeit an über 220 Fälle von Diskriminierung anhand von Fragebögen dokumentiert.

Schwimmunterricht für muslimische Mädchen an der Vigeliusschule in Freiburg; Foto: dpa
Im Mai 2009 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden, es sei muslimischen Schülerinnen zumutbar, Schwimmkleidung zu tragen, die den islamischen Bekleidungsvorschriften entspreche.

​​Lydia Nofal nennt als einen Bereich, in dem von Muslimen besonders viel Diskriminierung festgestellt wurde, die Bildung: "Schüler berichten von Lehrern, die sich islamophob äußern, vor allem auch Mädchen gegenüber, weil sie ein Kopftuch tragen.

" Vor allem werde über Probleme beim Sport- oder auch Schwimmunterricht berichtet. Lydia Nofal schildert den Fall einer Schülerin, die mit Kopftuch nicht beim Sport mitmachen durfte: "Deswegen ist sie zur Sportstunde nicht erschienen, und deswegen hat sie eine Sechs bekommen."

Wenn es um den Zugang von muslimischen Frauen zum Arbeitsmarkt geht, gibt es nach den Erfahrungen von Nofal ähnliche Probleme: "Es ist völlig normal, dass man Mädchen mit Kopftuch sagt: 'Ja, Du bekommst die Stelle, du bist qualifiziert. Aber mit Kopftuch geht das nicht'." Die Mädchen würden dann aufgefordert, das Kopftuch abzunehmen, "ohne dass es da ein Unrechtsbewußtsein gibt - obwohl es ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist", betont Lydia Nofal vom "Netzwerk gegen Diskriminierung von Muslimen".

Mädchen hätten so aufgrund von Vorurteilen und Ablehnung häufig Probleme, einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu finden. Dadurch beschränke sich ihre Suche oft auf den Bereich der eigenen Community, weil sie woanders nicht akzeptiert würden.

Islamophobie im öffentlichen Raum

Auch im öffentlichen Raum, wie in der U-Bahn, erlebten Frauen und Mädchen laut Nofal islamophobe Äußerungen, würden als "islamistische Schlampe" bezeichnet oder angespuckt. Eine ihrer Mitarbeiterinnen wurde sogar einmal in der U-Bahn von Rechtsextremisten zusammengeschlagen, sagt Nofal. Der Vorfall liege allerdings schon länger zurück.

Zu verzeichnen ist nach den Worten von Lydia Nofal, "dass gerade Frauen, wenn sie ein längeres Kopftuch tragen oder sich sehr konservativ kleiden, dann auch auf der Straße richtig angepöbelt, sogar geschubst werden". Sie kenne auch Frauen, sagt Nofal, die sich wegen solcher Erfahrungen gar nicht mehr raustrauen.

Auch aus diesem Grund sei es Ziel des Projekts, "dass wir das Selbstbewusstsein der Leute stärken, dass wir das Bewusstsein stärken, dass sie Bürger dieses Staates sind, mit den gleichen Rechten wie jeder andere auch. Und dass man ganz selbstverständlich seine Rechte einfordert."

Mitgliederversammlung des Vereins Inssan in Berlin; Foto: © Inssan
Seit August 2010 läuft das Projekt "Netzwerk gegen Diskriminierung von Muslimen" als Kooperationsprojekt von "Inssan" und dem Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin (ADNB) des Türkischen Bundes Berlin.

​​Deshalb ist es auch als positiv anzusehen, dass im Rahmen des Projekts bisher 20 ehrenamtliche Antidiskriminierungsbeauftragte ausgebildet wurden, die in Berliner Moscheen erste Ansprechpartner für ihre Gemeindemitglieder sind. Sie kommen auch selbst aus den Gemeinden und können Betroffenen erste Hilfestellung geben.

Bei der derzeitigen Debatte über Rechtsextremismus in Deutschland hält Nofal es für besonders wichtig, "dass man anerkennt, dass das nicht nur ein Problem eines rechten Randes ist, sondern dass der Rassismus tief in diese Gesellschaft hineinreicht, dass wir gegen diesen Rassismus etwas tun müssen."

In ihrer Funktion als Projekt-Koordinatorin des "Netzwerks gegen Diskriminierung von Muslimen" warnte Nofal auch vor einer Unterschätzung von Hetze im Internet: "Diese islamophoben Websites sind so menschenverachtend". Das werde leider viel zu sehr ignoriert, und das sei gefährlich.

Sabine Ripperger

© Deutsche Welle 2011

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de