Verena Lüthje, 07. Februar 2009

zu Wenn sexuelle Belästigung alltäglich wird von Nelly Youssef

Ich bin erstaunt, dass das Grundproblem, weshalb es überhaupt zu sexueller Belästigung kommt, gar nicht angesprochen wird. Die jungen Leute haben doch gar keine Chance, sich vor einer Heirat näher zu kommen, wie wir in Europa sagen, Beziehungen zu haben, sich sozusagen "auszutoben". Das System ist schuld, nicht die jungen Leute, die durch Kontrolle der Familie, der Nachbarn und sogar der Freunde immer wieder in ihre Schranken gewiesen werden.

Das ist schlicht widernatürlich und nur wer Geld hat, kann sich durch ein gutes Bakshisch ein paar Liebesstunden in einer Wohnung erkaufen, und wer kein Geld hat, belästigt andere Frauen. Das System bedarf einer Lockerung, dann entspannt sich die Zunahme der öffentlichen Belästigung automatisch.

Was werden nicht für Tricks und Überlegungen angestellt, um mit der Freundin intim zu werden, immer in Angst vor Entdeckung. Ich habe mit jungen Ägyptern und Ägypterinnen darüber gesprochen, die ziemlich verzweifelt waren und ständig in Angst zu leben, was ist das für ein Leben? Solange aber sich Herr Mubarak sogar über das Turteln des Staatspräsidenten Sarkozy mit seiner damaligen Freundin Carla Bruni im Hotel noch aufregt, wird sich so schnell für die Bürger des Landes nichts ändern.

Es ist der komplette Wahnsinn, inhuman, einfach unmenschlich. Das Engagement der Frauenrechtlerin in Ehren, aber der Ansatz ist nicht die Verteidigung (Waffe, Gas, Karate), sondern dafür zu sorgen, dass die Menschen in ihrer Gesellschaft normal miteinander leben können. Das gilt auch für die vielen Zwangsehen, die immer noch geschlossen werden. Und wie kann man beispielsweise eine Tochter, die vor der Ehe sexuellen Verkehr hatte, aus der Familie ausstoßen, oder wenn sie geschieden ist, als schwer vermittelbar bezeichnen? Für mich als Europäerin sind das die schweren Verbrechen an den Frauen. Es wird höchste Zeit, zu Gunsten der Frauen das gesellschaftliche Miteinander zu reformieren.