Hoffnungsträger der liberalen Opposition

Der frühere Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohamad al-Baradei, wurde bei seiner Rückkehr in Kairo begeistert empfangen. Doch bleibt offen, ob er als Kandidat der Opposition bei der nächsten Präsidentschaftswahl antreten wird. Von Amira El Ahl

Der frühere Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohamad al-Baradei, wurde bei seiner Rückkehr in Kairo von Anhängern der Opposition begeistert empfangen. Doch bleibt nach wie vor offen, ob er wirklich als Kandidat bei der nächsten Präsidentschaftswahl antreten wird. Einzelheiten von Amira El Ahl

Werbeplakat für Mohamad al-Baradei; Foto: Nelly Youssef
Symbolfigur der liberalen Opposition: Mohamad al-Baradei. Doch ob er sich einer Kandidatur zur Präsidentschaftswahl 2011 wirklich stellen will, bleibt völlig ungewiss.

​​Es war ein Medienspektakel der besonderen Art: Die großen Oppositionszeitungen Ägyptens, "Al-Dostour", "al-Shorouk" und "Masry al-Youm", buhlten am vergangenen Freitag (19.2.) alle mit der gleichen Titelgeschichte um die Gunst der Leser.

Auf sämtlichen Titelseiten prangten Bilder des ehemaligen Chefs der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohamed al-Baradei, der am letzten Wochenende für einen Besuch in seine Heimat zurückgekehrt war. "Ein Heldenempfang" sei am Flughafen geplant gewesen, schrieben die Zeitungen und überschlugen sich mit Lob für den Diplomaten.

Triumphaler Empfang in Kairo

Schon im Internet hatten verschiedene Oppositionsbewegungen – unter ihnen "Kifaya", die Facebook-Gruppe "6. April" und die Facebook-Gruppe "Volksbewegung zur Wahl Baradeis" – Stimmung für al-Baradei gemacht und dazu aufgefordert, dem 67jährigen am Flughafen einen triumphalen Empfang zu bereiten.

Um Probleme mit der Sicherheitspolizei zu vermeiden, hatten die Organisatoren der Kampagne schon im Vorfeld über Facebook ihren Mitstreitern geraten, höchstens in Gruppen von drei Personen zum Flughafen zu fahren – die Höchstzahl an Personen, die sich unter dem in Ägypten seit fast 30 Jahren bestehenden Notstandgesetz als Gruppe in der Öffentlichkeit versammeln dürfen.

Anhänger Baradeis am Kairoer Flughafen; Foto: Amira El Ahl
"Wir folgen Baradei, wohin er auch geht" - triumphaler Empfang des früheren Generaldirektors der Internationalen Atomenergiebehörde und Träger des Friedensnobelpreises 2005 am Kairoer Flughafen.

​​Trotz der Warnungen, dass 6.000 Polizisten den Flughafen sichern würden und jegliche ungenehmigte Versammlung sofort aufgelöst würde, versammelten sich am letzten Freitagnachmittag etwa 1.000 Menschen am Terminal 3, um den aus Wien eintreffenden Baradei in Kairo willkommen zu heißen.

Jugendliche, Universitätsprofessoren, Intellektuelle und Aktivisten standen in und vor dem Terminal, schwenkten Plakate mit Baradeis Konterfei und Banner auf denen zu lesen war: "Ja zu Baradei als Präsidenten". Sie riefen lautstark Parolen wie: "Wir folgen Baradei, wohin er auch geht" und stimmten immer wieder die ägyptische Nationalhymne an.

Mohamed al-Baradei ist innerhalb kürzester Zeit zum Hoffnungsträger der ägyptischen Oppositionsbewegung geworden, nachdem er in einem CNN-Interview Ende vergangenen Jahres nicht ausgeschlossen hatte, sich bei den Präsidentschaftswahlen 2011 in Ägypten als Kandidat aufstellen zu lassen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die Wahlen frei und fair ablaufen sowie von internationalen Beobachtern überwacht werden.

Prominente Stimmen für Baradei

Unter Baradeis Befürwortern, die am Flughafen auf ihn warteten, waren auch viele Prominente Ägypter, wie der Schriftsteller Alaa al-Aswani und der Schauspieler und Unicef-Botschafter Khaled Abol Naga, die sich beide der Facebook-Gruppe "Volksbewegung zur Wahl Baradeis" angeschlossen haben, die mittlerweile schon 60.000 Anhänger zählt.

"Al-Baradei sagt professionell und intelligent, was der Durchschnittsmensch fühlt. Er schafft es, Menschen zu mobilisieren. Er ist jemand dem alle vertrauen. Das ist sehr selten", erklärt Abol Naga die große Begeisterung.

Alaa Aswani; Foto: Amira El Ahl
Unter Baradeis Befürwortern, die am Flughafen auf ihn warteten, waren auch viele Prominente Ägypter, wie der Schriftsteller Alaa al-Aswani, der durch Romane wie "Das Yacoubian Haus" und "Chicago" berühmt wurde.

​​Für viele junge Ägypter ist al-Baradei zu einer Symbolfigur für die lang ersehnte Veränderung im Land geworden. Nach Jahrzehnten im Ausland will der Nobelpreisgewinner in diesem Jahr endgültig zurück in seine Heimat ziehen.

Vor allem seine lange Abwesenheit von der lokalen Politikszene und seine Distanz zum Regime und den etlichen Korruptionsskandalen, mit denen es zu kämpfen hat, machen al-Baradei in den Augen von vielen zum aussichtsreichsten Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen 2011.

Hinzu kommt, dass er dank seiner heiklen Position als ehemaliger Chef der Internationalen Atomenergiebehörde hohes Ansehen im Ausland genießt und es dem Mubarak-Regime schwer fallen sollte, Baradei zu große Steine in den Weg zu legen, sollte es tatsächlich zu einer Kandidatur kommen.

Doch die legalen Hürden werden wohl auch für al-Baradei zu hoch sein, um sie zu überwinden. Zwar wurde 2005 die Verfassung geändert und die Präsidentschaftswahl mit mehreren Kandidaten eingeführt, doch Kritiker behaupten, dass die neuen Bestimmungen einzig einem Kandidaten der regierenden NDP die Chance gäben, Präsident zu werden und die Verfassungsänderung dem jüngsten Sohn Mubaraks, Gamal, den Weg ins Präsidentenamt ebnen soll.

Gegen Mubaraks Erbrepublik

Für einen unabhängigen Anwärter oder einen Kandidaten einer kleineren Partei ist es mit den Änderungen praktisch unmöglich geworden, ins Rennen zu gehen. Am Flughafen wurden daher auch immer wieder lauthals Parolen gegen die Einführung einer Erbrepublik gerufen.

Neben der regierungstreuen Presse, die entweder gar nicht über Baradeis Ankunft berichtete oder ihn dafür angreift, dass er viel zu lange im Ausland gelebt hat, um die eigentlichen Probleme der Ägypter zu kennen, gibt es auch unabhängige kritische Stimmen, die die Begeisterung für Baradei für überzogen halten.

Sandmonkey, ein liberaler ägyptischer Blogger, schreibt in einem Twitter-Eintrag: "Was wir hier sehen ist ein weiterer Beweis dafür, dass wir eine Nation von Mitläufern sind, die niemals eine eigene Position vertreten können. Wir glauben nicht, dass uns auch ein einfacher Bürger führen könnte, einer von uns. Wir brauchen immer einen Meister. Jeder, der berühmt ist und international anerkannt, wird sofort ins Rennen um die Präsidentschaft geworfen."

Ob Baradei die große Verantwortung, die jetzt schon auf seinen Schultern zu lasten scheint, überhaupt übernehmen und sich einer Kandidatur stellen will, ist völlig unklar.

Am Flughafen jedenfalls kam es nicht zu einem Treffen mit seinen Anhängern. Bis um 18 Uhr, als sein Flieger mit dreistündiger Verspätung in Kairo landete, war die Masse der Demonstranten so groß geworden, dass die Sicherheitsbeamten den 67jährigen zuerst im Terminal festhielten und später unbemerkt durch einen Seitenausgang hinausschleusen konnten.

Ob sich al-Baradei vor der Menschenmenge fürchtete oder sich von der neuen Rolle als Hoffnungsträger der ägyptischen Jugend und der Oppositionsbewegung schlicht überfordert fühlte, ist nicht klar.

Amira El Ahl

© Qantara.de 2010

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