Notstand als Normalzustand

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Erstmals haben die USA auf einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrates ihren langjährigen Verbündeten Ägypten aufgefordert, das seit 1981 in Kraft befindliche Notstandsrecht endlich aufzuheben und die Menschenrechtslage im Land am Nil zu verbessern.

Von Andreas Zumach

Ägypten ist zwar formal eine Demokratie mit einem Parlament, einer Regierung und einer unabhängigen Justiz. Doch seit vor 29 Jahren der damalige Präsident Anwar Sadat ermordet wurde, herrscht im bevölkerungsreichsten Land des Nahen Ostens ununterbrochen Ausnahmezustand.

Sadats Nachfolger Hosni Mubarak regiert mit Notstandsrecht und eiserner Faust. Die angeblich freien Wahlen werden manipuliert, um seinen Machterhalt zu sichern. Demokratische Opposition wird massiv unterdrückt. Systematische Folter und andere schwere Menschenrechtsverstöße durch Polizei und andere Sicherheitsorgane sind an der Tagesordnung.

Ende der Schonzeit für Ägyptens Autokraten

Obwohl all dies durch zahlreiche Berichte von UN-Sonderberichterstattern und unabhängigen Menschenrechtsorganisationen bestens belegt ist, schützten die USA ihren wichtigsten Verbündeten in der arabischen Welt lange Jahre vor Kritik im UN-Menschenrechtsrat.

​​Doch als Ägypten am vergangenen Mittwoch (17.2.) auf der Tagesordnung bei dem vor zwei Jahren neu etablierten UN-Verfahren zur regelmäßigen Überprüfung der Menschenrechtslage in allen 192 Mitgliedsstaaten stand, hielt auch Douglas Griffiths, Leiter der US-amerikanischen Delegation, mit kritischen Bemerkungen an die Adresse Kairos sowie konkreten Forderungen zur Verbesserung der Menschenrechtslage nicht zurück.

"Die Vereinigten Staaten empfehlen Ägypten, das seit 1981 in Kraft befindliche Notstandsrecht aufzuheben und es durch ein Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus zu ersetzten, durch das die bürgerlichen Freiheitsrechte gewährleistet werden", erklärte Griffiths. Auch empfiehlt die US-amerikanische Delegation die Freilassung politischer Aktivisten, die derzeit unter Berufung auf das Notstandsrecht inhaftiert sind.

Angriff auf die Meinungsfreiheit

Günther Nooke, der Leiter der deutschen Delegation bei dem Überprüfungsverfahren, äußerte unter Berufung auf jüngste Berichte von Sonderberichterstattern des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte große Besorgnis über die Einschränkung der Meinungsfreiheit in Ägypten und die Inhaftierung von Journalisten und Internetbloggern.

Günther Nooke, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung; Foto: DW
Besorgt über die Beschneidung der Meinungsfreiheit im autoritären Mubarak-Staat: Günther Nooke, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung; Foto: DW

"Der UN-Sonderberichterstatter für den Schutz und die Förderung von Menschenrechten bei der Bekämpfung des Terrorismus hat kürzlich nicht nur von Journalisten, sondern auch von Internetbloggern berichtet, die wegen kritischer Meinungsäußerungen im Gefängnis sind", erklärte Nooke. "Die deutsche Delegation möchte wissen, wie viele Journalisten, Internetblogger und Menschenrechtsverteidiger derzeit in Ägypten unter dem Notstandsrecht inhaftiert sind?"

Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung

Doch diese und andere konkrete Fragen wurden von der ägyptischen Delegationsleiterin nicht beantwortet. Sie konzentrierte sich darauf, die ursprüngliche Verhängung des Notstandsrechtes und seine Fortsetzung bis heute zu rechtfertigen.

Ferner behauptete sie, dass die Regierung in Kairo sich an ihre Zusage gegenüber dem Parlament gehalten habe und die Bestimmungen des Notstandsrechts in den letzten 29 Jahren ausschließlich zur Bekämpfung des Terrorismus sowie der Drogenkriminalität eingesetzt habe.

Diese Behauptung, die durch zahlreiche Berichte der Vereinten Nationen und von unabhängigen Menschenrechtsorganisationen eindeutig widerlegt ist, stieß in Genf selbst bei den besten Freunden Ägyptens auf Verwunderung.

Andreas Zumach

© Qantara.de 2010